Späte Anklage gegen Altermedia

Die Betreiber der populärsten Internetseite der rechtsextremen Szene müssen vor Gericht. In einer 270 Seiten umfassenden Anklageschrift listen die Ermittler insgesamt 50 Straftaten auf.

Von Felix Helbig

Wenn es um Klagen geht, dann sind die Betreiber von Altermedia für gewöhnlich ganz weit vorn dabei. In langen Beiträgen berichten sie auf der meistgelesenen rechtsextremistischen Internetseite in Deutschland über Strafanzeigen von NPD-Mitgliedern aus Thüringen gegen linke Landtagsabgeordnete, über die Haftstrafe für einen "jüdischen Finanzoligarchen in Russland" oder auch mal ganz allgemein über die Willkür des deutschen Rechtssystems. Dass ihnen nun selbst eine Klage ins Haus flatterte, erwähnen sie mit keinem Wort. Nicht einmal mit einer Klage über die Willkür.

Wie die Staatsanwaltschaft in Rostock auf Anfrage der Frankfurter Rundschau bestätigte, wirft sie den Machern von Altermedia unter anderem Volksverhetzung, Beleidigung und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor. In einer 270 Seiten umfassenden Anklageschrift listen die Ermittler insgesamt 50 Straftaten auf, die sie Axel M. und Robert R., den beiden in Stralsund lebenden Betreibern der das auch als Störtebeker-Netz bekannten Seite, anlasten, wie eine Sprecherin erklärte.

Offen lässt sie, warum es so viele Jahre gedauert hat, bis eine Anklage erhoben wurde. Bereits seit Ende der 90er Jahre verbreiten die Macher, von denen nach Recherchen der FR aus dem Jahre 2003 lediglich Axel M. bekannt war, ihr rechtsextremistisches und verfassungsfeindliches Gedankengut auf der Internetseite, ohne dafür belangt zu werden. Dabei beobachten Verfassungsschutzbehörden mehrerer Bundesländer die Seite mindestens seit 2003, wie aus entsprechenden Jahresberichten hervorgeht.

Ergebnis von mehr als einem Jahr andauernden Ermittlungen

So ist etwa im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landesamtes in Mecklenburg-Vorpommern von einem "bundesweit bedeutenden rechtsextremistische Internet-Nachrichtenportal" die Rede, in dem regelmäßig antisemitische und volksverhetzende Texte veröffentlicht würden, die "ebenso regelmäßig von den Kommentatoren wohlwollend aufgenommen werden und damit die aggressive Geisteswelt der rechtsextremistischen Szene offenbaren".

Echte Konsequenzen wurden aber erst jetzt daraus gezogen. Bei der Rostocker Staatsanwaltschaft heißt es, die Anklage sei das Ergebnis von mehr als einem Jahr andauernden Ermittlungen sowie Hausdurchsuchungen und Telefonüberwachungen der Betreiber. Axel M. allerdings war bereits im vergangenen Jahr vom Amtsgericht Stralsund als redaktionell Verantwortlicher verurteilt worden. Laut Urteilsbegründung konnten Beiträge auf der Internetseite über die IP-Adresse, die jedem Nutzer im Internet zugeteilt wird, eindeutig auf M. als Urheber zurückgeführt werden.

Unter anderem wegen Leugnung des Holocaust wurde M. zu 150 Tagessätzen verurteilt, wogegen er Berufung einlegte. Sie dürfte angesichts der neuen Anklage wenig Aussichten auf Erfolg haben. Allerdings dürfte sich auch der Beginn eines neuerlichen Verfahrens noch hinziehen, wie die Staatsanwaltschaft durchblicken ließ. Man habe die Anklage an das Rostocker Landgericht überstellt, dort aber habe das Verfahren wegen Überlastung "nicht allererste Priorität".

So werden Axel M. und Robert R. einstweilen weiter ihre Propaganda im Netz verbreiten können. Unter Rechten ist ihre Seite zwar längst nicht mehr unumstritten, weil sich der Hass dort nicht nur auf Juden, Ausländer und Andersdenkende, sondern immer wieder auch auf die vermeintlich weniger volkstreuen Parlamentarier von der NPD richtet. Leser aber hat Altermedia mit knapp fünf Millionen Zugriffen im Jahr genug.

Dieser Text erschien am 25.1.2011 in der Frankfurter Rundschau. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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