Die Alternative für Deutschland wird von "Pegida" rechts überholt - rechtspopulistisch sind beide Phänomene. Die Beratungsstelle "pro aktiv gegen rechts- Mobile Beratung in Bremen und Bremerhaven" hat zu rechtspopulistischen Strategien Madlen Preuß und Denis von de Wetering von der Universität Bielefeld befragt. Sie haben 2014 die Studie "Rechtspopulismus in Niedersachsen und Bremen" durchgeführt und berichten, woran man Rechtspopulismus erkennt und welche Themen für rechtspopulistische Parteien besonders wichtig sind.
Von pro aktiv gegen rechts- Mobile Beratung in Bremen und Bremerhaven
Woran erkennt man Rechtspopulismus?
Preuß / Von de Wetering: Rechtspopulismus ist eine strukturierte Perspektive zur Deutung und Konstruktion gesellschaftlicher Realitäten. Diese Sichtweise auf die Gesellschaft ruht auf einer spezifischen Identitätskonstruktion des deutschen Volkes. Die Identität darf hier als Resultat einer doppelten Abgrenzung verstanden werden: Auf einer Vertikalen Ebene wird das sogenannte einfache Volk von einer mächtigen und korrupten politischen Elite abgegrenzt. Ergänzt wird dieser Antagonismus Volks vs. Elite durch die Ab- und Ausgrenzung der „Anderen“ auf der horizontalen Ebene. Diese „Anderen“ werden zuvorderst durch Migrant/innen bzw. Asylbewerber/innen repräsentiert, deren ethnischer, kultureller oder auch religiöser Hintergrund einer Passung in das „deutsche Volk“ bzw. der „eigenen Nation“ entgegensteht. Rechtspopulistische Gruppierungen stilisieren sich auf Basis dieser Abgrenzungen als Sprachrohr einer durch das politische Establishment unterdruckten, jedoch ehrlichen und fleißigen Mehrheit. Zugleich inszenieren sie sich als Kämpfer für das deutsche Volk, dessen Identität durch Zuwanderung sowie pluralisierte Werte und Lebensstile ethnisch und kulturell bedroht ist. Das Zusammenspiel der Anti-haltung gegenüber den etablierten Parteien sowie einer pluralistisch verfassten Gesellschaft gilt als wesentliches Merkmal rechtspopulistischer Perspektiven und Realitäten.
Wie sieht es mit den Themen aus? Welche Politikfelder und Positionen werden klassischerweise von Rechtspopulist/innen besetzt?
Die Themenbesetzung von Rechtspopulist/innen kann nicht ohne bestimmte gesellschaftliche Diskurse und Problemfelder gedacht werden. So versuchen rechtspopulistische Gruppierungen, sich an die Diskurse der Sicherheit, Kriminalität sowie des politischen Extremismus, aber auch an der Integrationsdebatte anzuschließen und teilzunehmen. Weiterhin gelten der demografische Wandel und die Stabilität der Sozialsysteme als erfolgsversprechende Themenfelder. Sozusagen als Gewinnerthema für rechtspopulistische Argumentationen und Kommunikationen entpuppt sich neben dem Thema Islam auch die Eurokrise. Von wesentlicher Bedeutung ist, dass sich die rechtspopulistische Teilnahme an aktuellen gesellschaftlichen Diskursen durch eine starke Simplifizierung der jeweilige Problemlagen und ihrer Lösungsangebote auszeichnet.
Inwiefern ist die Abwertung bestimmter Menschengruppen ein Wesensmerkmal des Rechtspopulismus?
Die Abwertung und Ausgrenzung bestimmter Menschengruppen ist ein wesentliches Merkmal des Rechtspopulismus. Die Herstellung der Volksidentität fußt sozusagen auf der Abwertung von „Anderen“. Die „Anderen“ sind zum Beispiel Langzeitarbeitslose und Asylsuchende, die auf Kosten des „ehrlichen und rechtschaffenen Mannes“ ohne Berechtigung von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen profitieren und die nationale Wirtschaft schädigen. Die „Anderen“ sind aber auch muslimische Migrant/innen, die aufgrund kultureller und religiöser Unterschiede die Identität des deutschen Volkes bedrohen . Ebenso können homosexuelle Menschen eine Gefahr für das deutsche Volk darstellen, da sie, so die Argumentation, nicht zur Erhöhung der Geburtenrate beitragen. Die Abwertung bestimmter Menschengruppen ist im Kontext der Konstruktion von gesellschaftlichen Feindbildern zu sehen, die wiederum als Sündenböcke für reale gesellschaftliche Problemlagen in Stellung gebracht werden.
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Welche Rückschlüsse konnten Sie aus den Daten der Studie „Rechtspopulismus in Niedersachsen und Bremen“ in Bezug auf das Wähler/innenpotenzial von rechtspopulistischen Parteien ziehen?
In der Studie zum Rechtspopulismus in Niedersachsen und Bremen konnten wir ein recht scharfes Personenprofil ermitteln, das für rechtspopulistische Agitation anfällig scheint. Das wären vor allem ältere Personen und niedrig Gebildete. Erstaunlicherweise lässt sich das auch bei den Frauen feststellen. In späteren Analysen bestätigte sich dies auch für Gesamtdeutschland. Darüber hinaus zeigt sich, dass je rechter sich eine Person politisch verortet – im Vergleich zu „links / eher links“ oder „genau in der Mitte“ , desto eher werden auch rechtspopulistische Einstellungen geäußert. Geht es allerdings um die bekannte Sonntagsfrage „Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, welche Partei würden Sie dann wählen?“, wird die Identifizierung mit einer klaren Parteipräferenz von rechtspopulistische eingestellten Personen schon deutlich schwieriger. Anhand der Daten lässt sich festhalten, dass rechtspopulistische Potenziale beinahe in jeder Wählerschaft zu finden sind – besonders stark sind rechtspopulistische Einstellungen bei Personen mit Wahlintention CDU/CSU und FDP vertreten, aber auch unter Nichtwähler/innen. Geringfügig niedriger fällt dies für Die Linke und die Piratenpartei aus, während die potentielle Wählerschaft von SPD und B90 / Die Grünen im Vergleich am seltensten rechtspopulistische Einstellungen vertreten.
Die hohen Zustimmungsraten zu den Thesen der Langzeitstudie zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit deuten darauf hin, dass rechtspopulistische Positionen nicht nur am gesellschaftlichen Rand geteilt werden, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft präsent sind. Können Sie diese Beobachtung bestätigen?
Moderne Gesellschaften zeichnen sich durch ein Spannungsverhältnis zwischen Dominanz-Ansprüchen und Gleichheits-Konzepten aus. Einerseits existieren Strukturen, die tagtäglich real erlebbar zwischen ethnischer Herkunft, Geschlecht, Leistungsfähigkeit oder sexueller Orientierung (diskriminierend) unterscheiden und sich auch reproduzieren. Andererseits versteht sich die Gesellschaft als modern, pluralistisch und demokratisch. Rechtspopulistische Parteien schließen an diesem gesellschaftlichen Selbstverständnis an, indem sie sich zwar als demokratisch inszenieren und bspw. für eine direkte Demokratie eintreten. Gleichzeitig schaffen sie Feindbilder, die sowohl vorhandene gesellschaftliche Ressentiments als auch Abstiegsängste der Bürger/innen bündeln. Der Erfolg rechtspopulistischer Sichtweisen , Gruppierungen und Parteien beruht gerade darauf, dass sie es verstehen, nicht demokratische Einstellungsmuster, die auch in der Mitte aufgehoben sind, unter dem Vorzeichen eines „gesunden Menschenverstandes“ und „endlich klaren Positionierungen“ zu aktivieren. Insofern kann unsere Studie die hohen Zustimmungsraten zu den Thesen der GMF-Langzeitstudie in der Mitte der Gesellschaft ebenfalls bestätigen.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre „Hinter der Fassade. Rechtspopulistische Strategien und Argumentationsmuster“ von pro aktiv gegen rechts- Mobile Beratung in Bremen und Bremerhaven. Sie kann auf deren Internetseite www.pro-aktiv-gegen-rechts.bremen.de als PDF heruntergeladen werden und beschäftigt sich u.a. sehr lesenswert mit den Themen Anti-Establishment, Familien- und Gleichstellungspolitik, Migrations- und Asylpolitik, Feindbilder und Vorurteile, Innere Sicherheit und Abwertung von Arbeitslosen unter dem Aspekt, wie die rechtspopulistische Szene diese Themen zu nutzen versucht. Mit freundlicher Genehmigung.
Protest gegen den AfD-Bundesparteitag:
Ein breites Bündnis ruft zu Protest gegen den Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) in Bremen auf. Die Rechtspopulisten wollen am 31. Januar im Bremer Maritim Hotel tagen. Dagegen verbünden sich nun das gewerkschaftliche „Bündnis gegen Rassismus und Rechtspopulismus“ und das linksradikale „Bündnis gegen Nationalismus“, dem etwa ein Dutzend außerparlamentarische, feministische, antifaschistische, kommunistische oder autonome Gruppierungen angehören. Auch die Studierendenvertretungen und die Jugendorganisation der Grünen und der SPD werden zu der Demonstration mit aufrufen, die am 31. Januar um 13 Uhr am Ansgarikirchhof startet. Infos gibt es hier: