Rassisten im Fußballkrieg

Seit Tagen schon hatten Neonazis und Hooligan-Gruppen in einschlägigen Internet-Foren dazu aufgerufen, zum Halbfinale auf Fanmeilen gewalttätige Auseinandersetzungen mit türkischen Fans zu provozieren. „Mich kotzt das alles an, Türken mit BRD-Fähnchen, liebes Multikulti-Toleranz-Herumgeheule“, hieß es zum Beispiel auf einer Szene-Seite.

Von Johannes Radke

Der von den Rechtsextremen erhoffte „Bürgerkrieg mit Massenschlägereien und Türken-Klatsche“ fand gestern Abend freilich nicht statt. Zu einzelnen Übergriffen kam es dennoch – obwohl die deutsche Nationalelf gewonnen hat. Während in den meisten deutschen Städten türkische und deutsche Fans gemeinsam feierten, gab es in Dresden, Leipzig und Chemnitz rassistische Ausschreitungen – in Sachsen also, dem Stammland der NPD.

In der Dresdner Neustadt verwüstete eine Gruppe von rund 30 vermummten Randalierern einen türkischen Imbiss und zerstörte bei zwei weiteren Döner-Läden die Fensterscheiben. Die beiden türkischen Betreiber eines Geschäfts erlitten Verletzungen und mussten medizinisch versorgt werden. Wie die Polizei berichtete, warf die Menge mit Flaschen, Steinen und Böllern auf die Imbissbuden und verbrannte eine türkische Fahne. Szene-Kenner vermuten, dass es sich bei den Angreifern um Hooligans aus dem Umfeld von Dynamo Dresden handeln könnte. Der Verein ist für seine rechtsextremen Problemfans bekannt.

„Wir hatten mit Gewalt gerechnet“, sagt Kati Lang von Opferberatungsstelle RAA-Dresden, „dass es aber zu gut geplanten Angriffen durch organisierte Neonazis kommen würde, hätten wir nicht gedacht“ Lang musste mit ansehen, wie die als Rechtsextremisten erkennbaren Täter sich sammelten, auf Kommando vermummten und dann auf den ersten Döner-Laden losstürmten. Kati Lang war es auch, die per Handy die Polizei rief. „Es waren chaotische Szenen, ein deutscher Fan, der sich den Neonazis in den Weg stellte wurde einfach niedergeschlagen“, erzählt Lang. Am meisten hat sie verwundert, dass die ersten Polizisten erst rund 30 Minuten nach ihrem Notruf aufgetaucht sind. Bis dahin sei kein einziger Beamter zu sehen gewesen. „Ich kann einfach nicht verstehen, dass die Polizei überhaupt nicht auf die Situation vorbereitet war, die kennen doch die örtliche Nazi-Szene.“

Die Polizei wurde von dem Angriff offenbar überrascht. Mit insgesamt 200 Beamten ging sie schließlich gegen Randalierer in der Dresdener Innenstadt vor. Elf Personen wurden in Gewahrsam genommen. Den Festgenommenen wirft die Polizei unter anderem Körperverletzungen und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. Die Täter, die die Imbissbuden attackiert haben, sollen sich aber nicht unter ihnen befinden. Die Polizei bittet jetzt Zeugen sich zu melden.

Auch in Leipzig kam es nach dem Abpfiff zu Schlägereien zwischen deutschen und türkischen Fans. Rund 30 Personen haben sich laut Polizei an den Auseinandersetzungen beteiligt. Mehrere Personen hätten Schnitt- oder Platzwunden davon getragen. In Chemnitz gingen Hooligans auf Polizisten los. Sechs Beamte wurden verletzt und mehrere Polizeiautos beschädigt.

Der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Sächsischen Landtag, Johannes Lichdi, zeigt sich schockiert über die Gewalttaten. "Diese unappetitliche Mixtur aus Hooliganismus und Fremdenhass schadet Sachsen genauso wie die Erfolge rechtsradikaler Parteien oder der Alltagsrassismus“, so Lichdi. Die Angriffe auf türkische Mitbürger seien eine Schande für Sachsen.

drucken