Die Situation: Eines morgens stehen plötzlich Rechtsextremisten am Schultor und verteilen Flugblätter oder eine "Schulhof-CD" mit Nazi-Musik. Die Schule ist meist überrascht. Dabei ist die gründliche Vorbereitung auf solche Propagandaversuche gar nicht schwer.
Von Heike Kleffner
Landauf landab haben Schulen bereits die Situation erlebt - und das Gefühl von Ratlosigkeit, wenn in aller Frühe NPD-Kader Ihre Flugblätter an Schüler verteilen. Hausverbote nützen oft wenig, dann stellen sich die Rechtsextremisten eben vor die Schule. Die Polizei, die unangemeldete Nutzungen des öffentlichen Raumes einschränken könnte, ist oft nicht schnell genug zur Stelle. Und Schüler oder Lehrer, die sich gegen die Propaganda wehren wollen, werden auch schon mal von den Rechtsextremisten bedroht.
Schablonen zum Selbermachen
Die AG Schule ohne Rassismus des Anne-Frank-Gymnasiums in München-Erding hatte irgendwann die Idee zu einem "Notfallkoffer". Er enthält, was als "Erste Hilfe" gegen einen Propagandauftritt von Rechtsextremisten hilfreich sein kann - und ist am besagten Morgen schnell zur Hand. Kai Jahns, Koordinator für Demokratie und gegen Fremdenfeindlichkeit im brandenburgischen Eberswalde, hat das Konzept weiterentwickelt und erklärt, wie ein "Notfallkoffer" aussehen kann: "Trillerpfeifen, Transparente, Flugblätter und braune Mülltüten sind die wesentlichen Bestandteile".
Kai Jahns: Der erste Schritt der Vorbereitung ist einfach. Ein paar Schüler finden sich zusammen und kaufen einen roten Plastik-Koffer, kostet im Baumarkt circa 5,50 Euro. Dann bastelt man eine Anti-Nazi-Schablone, indem man sich beispielsweise im Internet ein Motiv aussucht. Dafür bietet sich das bekannte Männchen an, das ein Hakenkreuz in die Mülltonne schmeißt. Wenn sich alle auf ein Motiv geeinigt haben, druckt man die Grafik aus, kauft eine dicke Plastikfolie, kauft noch ein kleines Skalpell oder eine Rasierklinge, mit der man die Grafik aus der Folie ausschneidet – und schon hat man eine wunderbare Sprühschablone. Und diese Grafik sprüht man dann mit Farbspray auf den Notfallkoffer, damit ihn niemand mit einem Rot-Kreuz-Koffer verwechseln kann.
Die Grafik lässt sich übrigens auch für Transparente oder Plakate weiterverwenden. Für Transparente eignen sich Bettlaken oder weißer Leinenstoff. Bei den entsprechenden Texten sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, zum Beispiel Slogans wie "Wir wollen keine Nazipropaganda an unserer Schule" oder "Weg mit dem braunen Dreck". Um die Transparente aufzuhängen ist es übrigens fast immer besser, vorher mit den Lehrern und der Schulleitung zu sprechen.
Braune Mülltüten
Ein wichtiger Bestandteil des Notfallkoffers sind braune Mülltüten, die mit der gleichen Schablone besprüht sind wie der Notfallkoffer, damit die Schüler die Neonazi-Zeitungen, Flyer und CDs direkt entsorgen können. Auch hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: Die NPD will ihre Zeitungen ja loswerden, das heißt eine Gruppe von Schülern geht raus, holt sich die Sachen ab und entsorgt sie dann. Direkt entreißen darf man den Rechtsextremisten ihr Material nicht, das könnte juristische Probleme geben.
Auf gar keinen Fall vergessen sollte man die Trillerpfeifen. Die kann man meistens kostenlos beim DGB oder bei den örtlichen Gewerkschaften wie ver.di oder IG Metall bekommen. Mit denen kann man sich auch gleich noch unterhalten, weil die oft auch eigene Kampagnen gegen Rechtsextremismus haben.
Und schlussendlich ist es sinnvoll, den Koffer mit eigenen Materialien zu bestücken, beispielsweise mit Flyern, Buttons oder eigenen CDs, aktuell zum Beispiel die „Laut gegen Nazis“-CDs.
Argumentationshilfen für Lehrer
Jetzt kann man den Koffer zumachen und gut sichtbar an die Wand hängen – am besten in die Nähe des Lehrerzimmers oder eines großen Aufenthaltsraums. Um die Lehrer einzubeziehen, nimmt man sich einen roten Aktenordner, indem die Argumentationshilfe gegen die Schulhof-CD abgeheftet ist und anderes aktuelles Informationsmaterial. Initiativen vor Ort helfen sicherlich gern, den Ordner zu füllen. Der Ordner für die Lehrer darf nicht nur im Internet existieren, sondern muss Ausdrucke enthalten. Denn mancherorts sind Lehrer immer noch ungeschickt im Umgang mit dem Netz.
Am besten ist es, wenn Ihr eine kleine AG gründet oder Euch zu zweit oder dritt zusammenschließt, um den Notfallkoffer und den Lehrer-Ordner zu betreuen. Und der große Vorzug: Selbst wenn niemals ein Rechtsextremist vor der Schule auftaucht, hat man durch die Beschäftigung mit deren Propaganda garantiert eine Menge gelernt.
Kai Jahns steht für Anregungen und Rückfragen zur Verfügung unter der mail-Adresse: tolerantes_eberswalde(et)web.de.
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Weblinks
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