Am 28. November 2017 wird zum zweiten Mal der Amadeu Antonio Preis verliehen. Mit ihm werden Projekte ausgezeichnet, die sich kreativ für Menschenrechte und gegen Rassismus und Diskriminierung engagieren. Der Preis, der von der Amadeu Antonio Stiftung und der Stadt Eberswalde vergeben wird, erinnert zugleich an den gewaltsamen Tod von Amadeu Antonio Kiowa vor 27 Jahren und an die vielen weiteren Opfer rassistischer Gewalt in Deutschland.
Sechzig Projekte haben sich für den Preis beworben, sieben sind nun nominiert - die stellt Belltower.News vor. Heute: Grips-Theater mit “Nasser #7Leben”
Mit 15 outete sich Nasser El-Ahmad als schwul. Seine muslimisch geprägte Familie konnte das nicht akzeptieren und so lief er von zu Hause weg. Er entkam einer versuchten Entführung und einer versuchten Zwangsheirat. Diese Erfahrungen wurden im Theaterstück “Nasser #7Leben” vom Grips-Theater verarbeitet. Das Jugendtheater arbeitet mit Schulen in Berlin und im Brandenburger Umland zusammen und bietet über das Stück hinaus unter anderem Publikumsgespräche und Nachbereitungen mit Theaterpädagog_innen an, um die Stückinhalte zu vertiefen. Bei den verschiedenen Projekten des Grips-Theaters stehen immer die Jugendlichen im Vordergrund. Sie sollen ermutigt werden, sich treu zu bleiben und ihren eigenen Weg zu gehen. Nassers Geschichte, der Weg einer Emanzipation, ist genau das, wofür das GRIPS steht: für emanzipatorisches Kinder- und Jugendtheater.
Fiona Katharina Flieder sprach mit Nasser El-Ahmad über seine Geschichte und das Theater-Projekt.
Wie ist es zu dem Projekt gekommen?
Es hat damit begonnen, dass ich eine Demo organisiert habe. Circa zwei Jahre, nachdem ich von zuhause weggelaufen war, also mit 17, wollte ich mit einigen Freunden auf die Straße gehen und für meine Rechte kämpfen. Die Demo war wirklich sehr laut. Klein, aber laut. Das war so erfolgreich, dass ganz viele Medien darauf aufmerksam wurden und ich viele Anfragen bekommen habe für Bücher, Filme, Theaterstücke und so weiter. Weil ich Angst hatte, dadurch meine Privatsphäre zu verlieren, habe ich aber immer abgelehnt. Bis das Grips-Theater mich angeschrieben hat. Ich mochte das Grips schon immer gern, war als Kind häufiger dort. Und die Chemie zwischen mir und der Autorin, Susanne Lipp, hat gepasst. Aus mehreren Interviews, die Susanne mit mir geführt hat wurde dann das Meisterwerk “Nasser #7Leben”.
Ist das Stück also eine autobiographische Erzählung?
Nein, das Stück ist keine Autobiographie. Der Nasser im Stück ist zum Beispiel ein bekannter YouTuber, das bin ich nicht. Er spielt mit drei Freunden verschiedene Szenen für seine YouTube-Videos nach. Da geht es um Begegnungen mit der Familie oder in Behörden. Im Theaterstück werden auch Snapchat-Filter, Hashtags und sowas mit einbezogen, um das Ganze an die Lebensrealität von Jugendlichen anzupassen. Aber von den Inhalten her ist es an meine persönliche Geschichte angelehnt.
Wie ist das Theaterstück beim Publikum angekommen?
Natürlich bekomme ich auch immer wieder negative Nachrichten, Drohungen und so weiter, aber die Reaktionen auf das Stück waren überwiegend positiv.. Manchmal fanden im Anschluss Publikumsgespräche statt, da waren alle immer sehr interessiert.
Ich habe damals so große Hilfe von meinen Freunden, von meinem Umfeld, von der LGBT-Community bekommen, dass ich heute selbstbewusst so leben kann, wie ich will. Dass ich meine Erfahrungen in diesem Theaterstück verarbeitet habe, hat mir geholfen. Und ich hoffe, dass es auch anderen hilft und dass es die Jugend von heute, die Erwachsenen von heute erreicht. Schließlich gibt es muslimische Schwule, Lesben oder Trans-Menschen genauso, wie es nicht-muslimische Schwule, Lesben oder Trans-Menschen gibt, die offen damit leben. Die muslimischen werden nur häufig unterdrückt und leben ihre Sexualität beziehungsweise Identität im Geheimen aus. Und genau das versuche ich, zu verändern. Ich will, dass die Gesellschaft sich irgendwann so weit entwickelt hat, dass man sagen kann: “Hey, ich bin der und der, ich bin schwul und - jetzt kommt’s - ich bin Moslem!”
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