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Monatsüberblick Oktober 2017 – Hate Speech, Social Media, Internet

Das NetzDG +++ Fake News +++ Facebook +++ Twitter +++ YouTube +++ Digitaler Tribalismus +++  Rechtsextreme Onlineangebote +++ Bildung gegen Hass im Netz +++ Hasskommentare, schlechte Rechtfertigungen und ihre Kosten

 

… das NetzDG

·         Im Juni 2017 verabschiedete der Bundestag das von der Regierungskoalition eingebrachte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Das NetzDG soll die Betreiber sozialer Netzwerke zwingen, sogenannte Fake News und Hassrede umgehend zu löschen. Wird den Netzwerkbetreibern ein „offensichtlich rechtswidriger“ Inhalt gemeldet, haben sie 24 Stunden Zeit, diesen zu löschen. Bei Inhalten, die nicht eindeutig rechtswidrig sind, räumt das Gesetz eine Frist von sieben Tagen ein. Nur in Ausnahmefällen darf diese Frist überschritten werden. Bei systematischen Verstößen droht den verantwortlichen Mitarbeitern ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5 Millionen Euro; die Unternehmen können – wenn auch eher theoretisch – mit bis zu 50 Millionen Euro belangt werden. Das Gesetz war trotz einiger Änderungen bis zur Abstimmung Ende Juni im Bundestag hoch umstritten, weil es nach Ansicht der Kritiker eine Gefahr für das Grundrecht auf Meinungsfreiheit darstellt und europarechtswidrig ist. (Netzpolitik , Inforadio )

·         Justizminister Heiko Maas hat nach Informationen des Spiegel währenddessen ungefähr 50 Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums zur Durchsetzung dieses Gesetzes abgestellt. Dem Nachrichtenmagazin zufolge trifft das Gesetz "mehr Plattformen als erwartet": Nicht nur bei Facebook, YouTube und Twitter, sondern auch bei Reddit, Tumblr, Flickr, Vimeo, VKontakte und Gab soll kontrolliert werden, "ob sie die gesetzlichen Vorgaben einhalten" (vgl. Nach dem NetzDG). FDP-Generalsekretärin Nicola Beer verlautbarte dazu auf Twitter im 140-Zeichen-Telegrammstil: "Werden darum kämpfen, dass es Gesetz mit kürzester Gültigkeitsdauer wird." (Heise,  Netzpolitik)

·         Der offene und organisierte Rechtsextremismus wandert als Reaktion zunehmend ins sogenannte Runet ab – vor allem zu VK.com, berichtet der Sächsische Verfassungsschutz. VK.com kommt wie ein Facebook-Klon daher und wurde im Oktober 2006 von den Brüdern Pawel und Nikolai Durow unter dem Namen „vKontakte“ gegründet. Es hat über 400 Millionen russischsprachige Nutzer, ist die populärste Website Russlands und die fünftgrößte Website weltweit. Knapp 70 Prozent der Zugriffe kommen aus dem russischen Raum. Etwa zwei Prozent der Zugriffe erfolgen von Deutchland, das entspricht rund 14 Millionen Visits im Jahr. Nazis, Antisemiten und Rassisten können auf VK.com ungehindert den Holocaust leugnen, die Opfer der Shoah verhöhnen, nicht-weiße Menschen sowie Jüdinnen und Juden beleidigen – auch für deutsches Publikum. Zwar verfügt auch VK.com über Nutzungsbestimmungen, die unter anderem das Veröffentlichen rassistischer Inhalte verbieten. Doch nur in den seltensten Fällen werden Einträge gelöscht. ( Netzpolitik)

 

….Fake News

·         Für die Glaubwürdigkeit einer Meldung ist von enormer Bedeutung, ob sie ins Weltbild passt. Eine Studie der Stiftung Neue Verantwortung zeigt, dass die rechten Wähler besonders gern die rechten Falschmeldungen glauben. Fast die Hälfte der AfD-Anhänger glaubt, dass Geflüchtete in Deutschland den Führerschein kostenlos und vom Staat finanziert bekommen. Während dies 41 Prozent der AfD-Fans glauben, sind es nur 14 Prozent aller Wähler und nur vier Prozent der Grünen-Wähler. Für die Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut Kantar Public 1.037 Wähler telefonisch in der Woche nach der Bundestagswahl, welche Medien sie im Wahlkampf genutzt haben, wie sie die Glaubwürdigkeit dieser einschätzen und ob sie ausgewählte „Fake News“ glauben oder nicht. Fast zwei Drittel aller Befragten sagt, dass es im Wahlkampf „viele Fake-News“ gegeben habe – eine Einschätzung, die sich mit den Beobachtungen von Fact-Checkern, Studien und Journalisten nicht deckt. Hier könnte der Hype um das Thema zu der Fehleinschätzung beigetragen haben.

(Netzpolitik , FAZWelt

 

·         Kurz nach der Massenschießerei in Las Vegas kursieren Verschwörungstheorien und Gerüchte im Netz. Sie verbreiten sich rasanter als seriöse Berichte. Ein Bericht des Softwareunternehmens Trend Micro deckt zahlreiche Seiten im Darknet auf, die Fake News als Dienstleistung anbieten. 200.000 Dollar kostet beispielsweise eine Kampagne, die provozieren und öffentliche Proteste auslösen soll. Die Diskreditierung eines Journalisten gibt es für 55.000 Dollar. In dem Paket enthalten sind üblicherweise gefälschte Profile und Gruppen in sozialen Netzwerken, die gefälschten Inhalte selbst, sowie genügend Likes und Retweets für eine zügige Verbreitung. DW

 

·         Laut eigenen Angaben Facebooks verlieren Fake News 80 Prozent ihrer Reichweite, wenn sie ein externer Kooperationspartner als solche kennzeichnet. Das teilte der Chef der Facebook-Abteilung News Partnerships Jason White in einer Email an die Kooperationspartner der Fact-Checking Initiative mit. Die Kooperation sollte schnell Falschmeldungen als solche kennzeichnen und ihre Verbreitung eindämmen. Für Deutschland ist das Recherchekollektiv Correctiv seit April 2017 der einzige deutsche Partner in der Initiative. (Correctiv) Während Facebook stets von einer erfolgreichen Strategie spricht - ohne konkrete Zahlen zu nennen - verweist Correctiv auf eine Studie der Yale Universität, die nur eine geringe Auswirkung auf die Wahrnehmung von Falschnachrichten festgestellt hatte. Eine als falsch markierte Nachricht führt der Studie zufolge nur bei sehr wenigen Lesern dazu, dass diese Nachricht auch tatsächlich als falsch beurteilt wird. Die von Facebook eingegangenen Kooperationen seien deshalb bei Weitem nicht ausreichend, so das Fazit der Forscher, um dem Problem von Falschmeldungen im Internet erfolgreich etwas entgegen zu setzen.( Faktenfinder Tagesschau)

 

… Twitter

·         Nach der Messerattacke mit acht Verletzten in München waren sich viele im Internet über die Herkunft des Täters schnell sicher. Am Abend – Stunden nach der Festnahme – reichte es der Polizei. Sie stellte mit Nachdruck klar: „Nachdem viele Hetzer ihre Frage wieder löschen, weil die Antwort offenbar nicht in ihre Schublade passt: Geburtsland des Tatverdächtigen -> Deutschland.“ (Welt) Bei mehr als 8000 Beiträgen werde nun überprüft, ob sie strafrechtlich relevant seien, hieß es seitens der Polizei. Im Raum stehen Volksverhetzung, Beleidigung oder falsche Verdächtigung. Focus

·         Twitter kündigt an, in den nächsten Wochen schärfere Regeln im Hinblick auf Hassrede, Belästigungen und Sexismus zu veröffentlichen und durchzusetzen. Die neuen Regeln hatte Twitter-Chef Jack Dorsey kürzlich angekündigt. Auf die Tweets des Chefs folgte eine interne Mail des Unternehmens, die das US-Magazin Wired öffentlich machte. Laut dieser Mail sollen zum Beispiel Nacktbilder, die ohne Einverständnis entstanden sind, von der Plattform verschwinden. Auch will Twitter die Schraube in Sachen Pornografie anziehen. Außerdem sollen bestimmte mit Hassrede verbundene Symbole in Zukunft als „sensible Inhalte“ eingestuft werden. Der Terminus war bislang für Pornografie und Bilder von Gewalt vorbehalten. Verschwinden sollen mit der neuen Policy nicht nur wie bislang Morddrohungen, sondern auch Tweets, die Gewalt verherrlichen. Netzpolitik

 

… Facebook

·         Werbestar Verona Pooth hat sich von ihrem Facebook-Auftritt verabschiedet. Ihr Manager Alain Midzic begründete den Schritt mit den vielen hasserfüllten Kommentaren: „Facebook macht unfassbar viel Arbeit. Was da teilweise ankommt, ist der blanke Horror. Da sind so viele Verrückte unterwegs, Hater und Pädophile. Wir können und wollen das nicht alles stehenlassen“, sagte Midzic auf Anfrage. Man habe eine Zeit lang Anwälte eingeschaltet und Strafanzeigen erstattet - ohne spürbaren Erfolg. (shz)  

… YouTube

·         Ein Video der Berliner Rapperin Sookee, das Youtube vor wenigen Tagen offline genommen hatte, ist wieder im Netz abrufbar. Der Vorwurf: Hassrede. Sookee ist dabei eigentlich dafür bekannt, genau dagegen anzukämpfen. Die Musikerin teilt aus gegen Rechts, gegen Sexismus, gegen Homophobie und die Leistungsgesellschaft. YouTube hatte das Video zum Lied mit der Begründung, es liege ein Verstoß gegen die "YouTube-Richtlinie zum Verbot von Hassrede" vor. Vermutlich seien es "rechte Trolle" gewesen, die das Video gemeldet haben, schreibt die taz. Rbb24Taz

·         Zwei Kommunikationswissenschaftler haben den politischen Teil der deutschen Youtube-Szene untersucht. Ergebnis ist, dass Youtubes Algorithmen rechtsextreme Nutzer_innen isolieren. AfD-Sympathisanten, Verschwörungstheoretiker und Anhänger der „Identitären Bewegung“ kommen kaum in Kontakt mit anderen Meinungen.  (Süddeutsche) Für ihre Studie wählten die Autoren 94 Kanäle aus, die sie dem rechtsextremen Spektrum zurechnen. Hinzu kamen 193 Parteikanäle und die hundert erfolgreichsten deutschen Kanäle. Entstanden ist eine Karte des deutschen Youtube-Netzwerks. Sie zeigt, wie isoliert der rechte Rand auf der Plattform ist. Fast 700 Kanalempfehlungen im rechten Kosmos beziehen sich auf andere Kanäle innerhalb der rechten Blase. Nur 30 Vorschläge verweisen auf Quellen außerhalb dieses Milieus. (Weser-Kurier)

… Digitaler Tribalismus

·         Statt mit Filterblasen haben wir es in rechten Communities mit "digitalem Tribalismus" zu tun - also dem Gefühl von Zugehörigkeit zu "Stämmen", was auch die Abwehr von Gegeninformation so lebenswichtig für die Mitglieder erscheinen lässt. Die Mitglieder eines solchen „digitalen Stammes“ kennen sich selten persönlich, wohnen nicht in derselben Stadt, wissen oft sogar nicht einmal die Namen der anderen. Und doch sind sie online eng vernetzt, kommunizieren stetig untereinander und haben sich gegenüber der Restöffentlichkeit ideologisch wie auch vernetzungstechnisch abgespalten. Verbunden fühlen sie sich vor allem durch ein gemeinsames Thema und die Ablehnung der von ihnen als falsch empfundenen Debatte darüber im „Mainstream“. Die Verfasser_innen des Textes haben ausgehend von Twitterdaten über Fake News auf das Phänomen des digitalen Tribalismus gestoßen. In dieser Untersuchung zeigen sie, wie soziale Strukturbildung im Netz zu hermetischen Gruppen führen kann und was die Theorie der „Filterbubble“ erklären kann und was nicht. (ctrl-verlust.net)

 

… rechtsextreme Onlineangebote

·         Rechte Hetze im Radio: Ein 31-Jähriger aus Brausbedra ist in Halle angeklagt. Er soll mit neun anderen Männern und Frauen über mehrere Jahre hinweg ein Radioprogramm für die rechtsextreme Szene betrieben haben. Dem Online-Stream „Rockt das Reich“ soll Fahndern des Landeskriminalamtes bereits im Jahr 2012 auf die Schliche gekommen sein. „Der Angeklagte soll als Administrator und Ansprechpartner für alle Bereiche des Radios fungiert haben und darüber hinaus nach einem festgelegten Dienstplan als Moderator von Sendungen aufgetreten sein“, so der Sprecher des Landgerichts Halle, Wolfgang Ehm. Bis zu 65.000 Hörer hatte das Angebot. MZ , Vice

 

·         Die Vernehmung des Hauptangeklagten im Prozess gegen vier Neonazis die die rechtsextreme Internetplattform „Altermedia“ betrieben haben soll,  ist nun abgeschlossen. Ziel der nach Auffassung des Generalbundesanwaltes kriminellen Vereinigung sei es gewesen, Volksverhetzung zu betreiben, den Holocaust zu leugnen und andere Straftaten zu begehen. Der Neonazi-Aktivist aus St. Georgen im Schwarzwald verlas eine kurze schriftlich vorbereitete Stellungnahme und wurde anschließend über mehrere Stunden vom Gericht und den Vertretern des Generalbundesanwaltes befragt. Zu eigenen inhaltlichen Tatbeiträgen verließ ihn grundsätzlich die Erinnerung, bei Fragen zu Mittätern verweigerte Ralph-Thomas K. jede Auskunft, soweit es nicht um aktenkundige Informationen zu seinen Mitangeklagten ging. (Junge WeltBNR)

…Bildung gegen Hass im Netz

·         Sieben Tipps zum Umgang mit Hate Speech in Redaktionen: Ellen Wesemüller, Redaktionsleiterin der Neuen Deutschen Medienmacher, gab Redaktionen im Rahmen des „Herbstforums der Initiative Qualität im Journalismus“ Tipps, wie man die Auswüchse in den Nutzerkommentaren bekämpfen und ihnen vielleicht sogar vorbeugen kann. Hier die Kurzzusammenfassung:

1. Tauscht euch aus!

2. Legt einen Ablaufplan fest!

3. Meldet justiziable Inhalte!

4. Stellt Kommunikationsregeln auf!

5. Moderiert die Debatte!

6. Reagiert zeitnah!

7. Überprüft Eure Auftritte (kress.de )

Schon eine erste Dokumentenanalyse auf der obersten Ebene, der Kultusministerkonferenz (KMK), ergab, dass Medienkompetenz zwar als Zielvorgabe in verschiedenen KMK-Papieren „umfassend verankert“ sei, aber die Förderung von Nachrichtenkompetenz „nur eine untergeordnete Rolle“ spiele. Meist gehe es um den vermehrten Einsatz digitaler Technologie im Unterricht statt um die Vermittlung von mehr Kompetenz im Umgang mit Nachrichten und Fake News. Vergleichsweise stark thematisiert wird das Thema in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Saarland, vergleichsweise wenig dagegen in Bayern, Bremen und Baden Württemberg. Spannend und verstörend ist nicht zuletzt, dass nur drei Prozent der Lehrpläne Aussagen zu den sozialen Netzwerken enthalten: Facebook und Twitter sind also als Nachrichtenmedien in den Unterrichtsvorgaben derzeit inexistent. Tagesspiegel  

 

... Hasskommentare, schlechte Rechtfertigungen und ihre Kosten

  • "Falls ich den Ausdruck tatsächlich gebraucht haben sollte, so ist damit die ganze Diskussion und der ganze Hass gemeint."; 3.600 Euro Schwarzwälder BoteSZ-onlineBaden Online
  • Man möge Immigranten aufs Auto binden und damit ins Haus von Politikern fahren auf Facebook gepostet. Fünf Monate Haft. Mainpost
  • „Brennt alle Asylstellen nieder, am besten, wenn ihr unter 16 Jahre alt seid.“ 3000 Euro. Die Angeklagte will sich über bestimmte Nachrichten über Flüchtlinge geärgert haben. Die Nachricht auf Twitter habe sie aus einem Zorn heraus verfasst. Sie habe auch keine Diskussion anheizen wollen. „So eine“ sei sie nicht. nwzonline
  • Saarländische AfD-Politikerin Jeanette Ihme beschimpft Geflüchtete auf Facebook als „Primaten“.  2700 Euro. Berliner Kurier , Allgemeine ZeitungBild
  • „Gesochs“ und „Affen“ – Ex-Bundeswehrsoldat wegen Volksverhetzung verurteilt. 3750 Euro. wbs
  • Postet "Stürzt Angela Merkel" – erklärt "Ich bin halt emotional". Kostet: 3.600 Euro – Volksverhetzung. Merkur
  • „Der Dreck muss weg – Aufknüpfen unter dem Brandenburger Tor!“ – 6300 Euro kn-online

 

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Überblick aller Berichte zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aktuell

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