Informationen gegen Hate Speech gibt es jetzt auch beim "No Hate Speech Movement"
no-hate-speech.de

Monatsüberblick Juli 2016: Internet

Verurteilungen für Hassrede +++ Studie zu Hate Speech: Netzhetzer_innen kommentieren lieber unter vollem Namen +++ Yahoo-Algorithmus soll  Hate Speech mit 90-prozentiger Sicherheit erkennen +++ Erste bundesweite Hausdurchsuchungen gegen Hate Speech +++ „No Hate Speech“-Bewegung startet +++ Verschwörungstheorien als Teil rechter Propaganda im Internet +++ Hate Speech: Unterschiede zwischen verschiedenen Rechtsaußen-Parolen +++ München: Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung und findet Waffenarsenal +++ Interview mit Dresdner Oberbürgermeister: „Pöbeleien werde ich nicht dulden“ +++ Osakas Anti-Hassreden-Methode.
 

Zusammengestellt von Carina Schulz
 

Verurteilungen

Was? Kommentierte auf der Facebook-Seite der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" in einer Diskussion über die Flüchtlingspolitik: „Adolf her!!!! Und Merkel mit in die Kammer!!!“
Wer? Junge Frau aus Hannover
Kostet? 60 Tagessätze à 10 Euro
QuelleHannoversche Allgemeine Zeitung

 

Was? Gründete eine Gruppe bei Facebook mit dem Titel "Afb" (Anti-Flüchtlings-Bewegung), die zu Spitzenzeiten 900 Mitglieder hatte. In der Gruppenbeschreibung hetzte er gegen Geflüchtete: sie würden sich an einheimischen Frauen vergehen und "Krieg, Terror und Leid" über das Land bringen, zusätzlich den Staat Millionen an Steuergeldern kosten. Hetzte schließlich auf: "Setzt dem ein Ende".
Wer? 27-jähriger Sicherheitsdienstangestellter und Familienvater
Kostet? Zehn Monaten Haft, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung; 25-jährige Frau des Angeklagten wegen Mittäterschaft (Administratorin der Seite) verurteilt: Geldstrafe von 1200 Euro
QuelleSüddeutsche Zeitung

 

Was? 18 Fälle der Volksverhetzung auf Facebook, darunter neun in Tateinheit mit dem Aufruf zu Straftaten und einem Fall des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole.  Schrieb über Asylbewerber_innen unter anderem: „Asylantenpack raus“ und  „rausjagen, abschießen“. Er rief außerdem dazu auf, Waffengewalt gegen Asylbewerber_innen und Muslim_innen einzusetzen. Seinen letzten Eintrag beendete er mit „Sieg Heil!“.
Wer? 62-jähriger Frührentner
Motivation? "Nichts gegen Ausländer, kenne sogar viele", "Frust und Geldnot", "teilweise betrunken"; betonte mehrfach, dass ihm die Taten leid täten und er Facebook-Profil gelöscht habe: „So was soll nicht mehr vorkommen.“
Kostet? Bewährungszeit von drei Jahren und 80 Stunden gemeinnützige Arbeit
QuelleHeidenheimer Zeitung

 

Was? Veröffentlichte anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz ein volksverhetzendes Video und ein volksverhetzendes kommentiertes Foto. Hatte zuvor während einer Demo in Heidenau antisemitische Parolen gerufen.
Wer? 36-jähriger Mann
Kostet? Neun Monaten auf Bewährung
QuelleMDR

 

Was? Kommentierte ein Video, auf dem Jugendliche einen älteren Mann schlagen: "Die sollte man alle nach Dachau schicken."
Wer? 57-jähriger Mann aus Papenburg
Kostet? 850 Euro an eine Gedenkstätte in Osnabrück
QuelleOsnabrücker Zeitung
 

Studie zu Hate Speech: Netzhetzer_innen kommentieren lieber unter vollem Namen

Dass im Netz auf eine Art diskutiert wird, die sich im echten Leben kaum jemand leisten würde, wird oft mit der Anonymität erklärt. Eine Studie der Universität Zürich fand jetzt allerdings heraus, dass Hetze und Beleidigung gegen andere eher unter Klarnamen gepostet werden als anonym. Für die Studie, die gerade im Online-Journal PLOS One erschienen ist, haben die Wissenschaftler_innen Datenmaterial der Petitions-Website Open Petition ausgewertet: 532.197 Kommentare aus einem Zeitraum von 2010 bis 2013, zu allen möglichen Themen von der Gema-Reform bis zum geforderten Rücktritt des Bayrischen Justizministers. Mit einer Software identifizierten sie Hasskommentator_innen über die Zahl der Beleidigungen und Schimpfwörter in den Kommentaren. Anschließend überprüften sie, ob die Hater eher zur Anonymität neigten als freundliche Kommentator_innen. Das Ergebnis überrascht: Aggressive Sprache kam in den anonymen Kommentaren mit geringerer Wahrscheinlichkeit vor als in jenen, bei denen unter vollständigem Namen geschrieben wurde. Die Erklärung von Mitautorin Leah Stachel: Die meisten hielten es gar nicht für nötig, anonym zu sein. Sie sähen sich als Verfechter_in eines Anliegens. Und „wieso sollte man sich im Einsatz für eine gerechte Sache hinter Anonymität verstecken?“ (wired.de).
 

Yahoo-Algorithmus soll  Hate Speech mit 90-prozentiger Sicherheit erkennen

Im Auftrag von Yahoo wurde ein Algorithmus entwickelt, der verbale Gewalt mit hoher Treffsicherheit erkennt -  angeblich mit einer Wahrscheinlichkeit von 90%. Die Genauigkeit des Algorithmus basiert auf maschinellem Lernen. Das Forschungsteam hat ihn mithilfe von Kommentaren trainiert, die von anderen Nutzer_innen als Hassrede gemeldet worden waren. Noch stößt der Algorithmus aber vor allem an einem Punkt an Grenzen: Bei der Beurteilung von Äußerungen in ihrem Kontext. Eine der Aufgaben für die Zukunft sei es daher, die vorhergehenden Äußerungen mitzuanalysieren und so den Kontext für die Beurteilung nutzen zu können (taz).
 

Erste bundesweite Hausdurchsuchungen gegen Hate Speech

Das Bundeskriminalamt hat in Kooperation mit den Länderpolizeien eine bundesweite Razzia gegen Hass-Poster gemacht. Nach eigenen Angaben hat das BKA 25 Dienststellen in 14 Bundesländern koordiniert, die dann die Wohnräume von etwa 60 Menschen durchsuchten. Als Beispiele für Vergehen nennt die Polizeibehörde Bedrohung, Nötigung, Erpressung, Verunglimpfung, extremistische Inhalte, die Androhung von Gewalttaten oder öffentlichen Aufruf zu Straftaten. Im Zentrum der Ermittlungen steht laut BKA eine geschlossene bayrische Facebook-Gruppe, die rassistische und antisemitische Inhalte verfasst haben soll. In diesem Zusammenhang richteten sich die Ermittlungen dem bayrischen Innenministerium zufolge gegen insgesamt 36 Beschuldigte, die vor allem den Nationalsozialismus verherrlicht haben sollen (MDR).
 

„No Hate Speech“-Bewegung startet

Aktuell verlieren  in sozialen Netzwerken etliche Nutzer_innen Respekt und Vernunft vor allen, die sie als „anders“ sehen: In Kommentaren werden andere Menschen beleidigt, verunglimpft, bedroht. Ein Phänomen, das leider immer stärker wird. Die „No Hate Speech“-Bewegung startet darum eine große Kampagne gegen solche Tendenzen. Die Aktion steht unter der Schirmherrschaft des Europäischen Rates. Auf der Internetseite der „No Hate Speech“-Bewegung finden sich konkrete Beispiele dafür, wie auf solche Hass-Kommentare gekontert werden kann. Außerdem kann man auf der Seite von eigenen Erfahrungen berichten. Die Informationen werden unterhaltsam dargeboten, in witzig-ironischer Sprache. Die Initiative will Internet-Nutzer_innen so zeigen, wie sie sich auf humorvolle Art gegen Hasskommentare im Netz wehren können (WAZngn).

Verschwörungstheorien als Teil rechter Propaganda im Internet

Die Bundesrepublik ist gar kein Staat, sondern eine Firma – das meinen zumindest Anhänger_innen einer beliebten Verschwörungsideologie. Theorien wie diese werden von Rechtsextremen verbreitet und bekommen durch die sozialen Medien enormen Zulauf. Die Amadeu Antonio Stiftung warnt, dass Verschwörungstheorien im Internet zunehmend auf Interesse stoßen und so als Teil rechter Propaganda an Bedeutung gewinnen: „Ein neueres Phänomen im national-rechtsextremistischen Komplex ist in diesem Zusammenhang die Rolle von Verschwörungen, die rechtsextremen Strukturen dank des Internets eine völlig neue Zielgruppe erschlossen haben“, heißt es in dem aktuellen Monitoringbericht (Frankfurter Rundschau).
 

Hate Speech: Unterschiede zwischen verschiedenen rechtsradikalen Parolen

Klar, Neonazis sind immer rechtsextrem, aber nicht alle diskriminierenden Aussagen sind es automatisch auch. Wo liegen die Unterschiede zwischen verschiedenen rechtsradikalen Positionen? Wie lassen sich rechtspopulistische Haltungen identifizieren? Bei Facebook und in Foren verschiedener publizistischer Angebote hat der Spiegel Kommentare gesammelt. Historiker Ralf Melzer schlüsselt deren politische Argumentationsmuster auf und erklärt, wo die Trennlinien verlaufen.
 

München: Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung und findet Waffenarsenal

Wegen Volksverhetzung in sozialen Netzwerken hat die Polizei München die Wohnung eines 58-Jährigen in Obergiesing durchsucht. Dabei wurden neben Beweisen für den Vorwurf der Volksverhetzung ein erschreckend großes Waffenarsenal gefunden: Messer, Samurai-Schwerter, Dolche, Elektroschockgeräte, Schlagringe, Schlagstöcke, eine Armbrust, Pfeil und Bogen, verschiedene Vorderlader-Gewehre und Pistolen, mehrere Druckluft- und Schreckschusspistolen, zwei vermutlich funktionsfähige Langwaffen und entsprechende Munition. Gegen den Mann wird nun nicht nur wegen Volksverhetzung und Beleidigung, sondern auch wegen zahlreichen Verstößen gegen das Waffengesetz ermittelt (tz).
 

Interview mit Dresdner Oberbürgermeister: „Pöbeleien werde ich nicht dulden“

Dirk Hilbert ist vor einem Jahr zum Dresdner Oberbürgermeister gewählt worden. Im Interview mit dem MDR blickt er kurz vor der Sommerpause auf seine ersten Monate im Amt zurück – eine Zeit, die vor allem vom Thema Asyl und Flüchtlinge geprägt war. Er äußert sich auch zu Beschimpfungen und Bedrohungen, die er bei Facebook erlebt hat: "Was in den letzten zwei Jahren vonstattengegangen ist, an Enthemmung in der Gesellschaft, macht einem schon Angst. Es ist in den sozialen Medien eine Unart, dass jeder denkt, er kann loslassen ohne nachzudenken, was ihm durch den Kopf saust." Noch mehr erschrecke ihn aber, "dass Menschen die einen anderen kulturellen Background haben, ganz offen angepöbelt werden." Das werde er nicht dulden mit aller Entschiedenheit gegen solche Pöbeleien vorgehen.
 

Osakas Anti-Hassreden-Methode

Ende Mai hat das japanische Parlament das erste Gesetz gegen Hassreden in Kraft gesetzt. Darin heißt es, dass rassistische Taten und Worte gegen Ausländer und deren Kinder nicht toleriert würden. Nun konkretisiert die Stadt die Verordnung. Die Behörden haben jetzt die Möglichkeit, die Namen von Individuen und Gruppen zu veröffentlichen, die Hassreden halten oder aktiv zu ihrer Weiterverbreitung beitragen. Die Verordnung gibt der Stadt außerdem auch andere Möglichkeiten, direkt gegen rassistische Propaganda vorzugehen. So kann sie beispielsweise Internetanbieter auffordern, entsprechende Videos oder Websites zu löschen. Osaka ist die erste Stadt in Japan, die mit einer Verordnung das Gesetz gegen Hassrede konkretisiert und aktiv gegen rassistische Propaganda vorgeht. In der Großstadt ist seit Jahrzehnten die größte koreanische Minderheit des Landes zuhause, gegen die antikoreanische Gruppen immer wieder mobilisieren und Hetze verbreiten (asienspiegel.ch).

 

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