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Monatsüberblick Januar 2018 – NetzDG, Hate Speech, Counter Speech, Europa

Verurteilungen aufgrund von Volksverhetzung Online: Rechtsextreme Aktivisten vor Gericht +++ Das NetzDG tritt im vollen Umfang in Kraft und stößt auf heftige Kritik +++ Auch auf EU-Ebene wird sich mit dem Thema Hate Speech und Fake News sowie möglichen Regelungen auseinandergesetzt +++ Bei den „Goldenen Bloggern“ werden die besten Blogs, aber auch Instagram- und Twitter-Auftritte gekürt. +++Facebook-Gründer Mark Zuckerberg will in diesem Jahr stärker gegen Hasskommentare, Beleidigungen oder Wahlmanipulationen vorgehen

Von Civic.net – Aktiv gegen Hass im Netz

…Urteile

Wegen Volksverhetzung muss ein 61-Jähriger eine Geldstrafe von 1500 Euro in 75 Tagessätze zu jeweils 20 Euro bezahlen. Der Mann hatte in einem sozialen Netzwerk gefordert, straffällige Ausländer sollten „gleich unter die Dusche. Das kostet den Steuerzahler am wenigsten“. Beim Gerichtsverfahren zeigte sich der Angeklagte uneinsichtig. (Fuldaer Zeitung)

Ein sächsischer Neonazi baut das Konzentrationslager Auschwitz als weihnachtliches Räucherhäuschen nach und stellt ein Foto davon samt zynischem Kommentar ins Internet. Über dem Eingangstor des Mini-KZ stand mit LED-Leuchten der Originalschriftzug „Arbeit macht frei“. Der 32-Jährige, mehrfach vorbestrafte Neonazi hatte sein Werk dann auf Facebook hochgeladen, versehen mit dem Satz: “ So, da werden wir mal das Räucherhaus anfeuern.“ Das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal hat den Mann nun zu einer Haftstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung verurteilt. (Frankfurter Rundschau)

Wegen seiner Aktivitäten auf Facebook wurde der rechtsextreme Aktivist und Greizer Stadtrat David Köckert (parteilos, ursprünglich für die NPD in den Stadtrat gewählt) vom Amtsgericht Greiz zu einer Geldstrafe verurteilt. Unter anderem hat er Flüchtlinge in einem Video als „Pack“ und Invasoren“ bezeichnet. Trotz mehrmaliger vorheriger Verurteilungen wegen dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erhielt Köckert nur eine Geldstrafe – ein Geständnis und „gewisse Reue“ wurden ihm positiv angerechnet. (Thüringer Allgemeine)

Yvonne W., die Anmelderin der "Sügida"-Demonstrationen in Suhl ist wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Das Amtsgericht Suhl befand die 42-Jährige in acht Fällen für schuldig. Es verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt ist. Die Organisatorin flüchtlingsfeindlicher Demos soll unter anderem unter ein Video auf der Facebook-Seite „Coburg – FREI statt bunt“ geschrieben haben: „Kann da nicht mal jemand eiskalt durchladen...ich begreife das nicht: in Schulen werden Massaker verübt usw.usf. warum findet sich denn kein Abtrünniger, der das an der richtigen Stelle macht“. W. hatte vor etwa drei Jahren die ersten Kundgebungen des selbsternannten Pegida Ablegers „Sügida“ angemeldet. Die Bewegung – wie auch ihre Nachfolge-Bewegung Thügida – war beziehungsweise wird maßgeblich von Rechtsextremisten gesteuert. (Südthüringen.de)

Das Amtsgericht Hof hat 15. Januar eine Frau aus Helmbrechts wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die Frau hatte einen Internet-Blog betrieben, in dem gezielt gegen Juden gehetzt wurde. Sollte die Frau in den nächsten fünf Jahren erneut auffällig werden, landet sie im Gefängnis. Zudem muss sie 300 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. (Radio Galaxy)

Das Amtsgericht Traunstein hat das Verfahren wegen Volksverhetzung gegen einen 43-Jährigen aus der Region gegen Zahlung einer Geldauflage von 2.400 Euro eingestellt. Der Mann hatte sich im Internet über die Vorgänge in Köln zum Jahreswechsel 2015/16 unterhalten. Damals kam es zu sexuellen Übergriffen auf Frauen durch junge Männer, unter anderem aus dem nordafrikanischen Raum. Dazu schrieb er, AK-47 sei die einzige Sprache, die sie verstehen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm deshalb vorgeworfen, den Einsatz von Kalaschnikows, also sowjet-russischen Sturmgewehren, gegen Asylbewerber zu befürworten. Es sei nach Ansicht des Gerichts unklar, ob es sich dabei um Volksverhetzung handelt. (br)

 

…das NetzDG - Eine erste Evaluation

Schon am 1. Oktober 2017 ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft getreten. Aber: Erst am 1. Januar 2018 ist die Übergangsfrist, innerhalb derer Unternehmen sich auf die Forderungen des NetzDG einstellen mussten, abgelaufen, sodass das neue Gesetz nun wirksam wird. Die Anbieter sozialer Netzwerke, darunter Twitter, Facebook und YouTube, sind seitdem verpflichtet, "offensichtlich rechtswidrige Inhalte" innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde zu entfernen oder zu sperren. Für nicht offensichtlich rechtswidrige Inhalte haben sie sieben Tage Zeit. Kommen die Betreiber ihren Pflichten nicht nach, drohen Bußgelder in Millionenhöhe. (Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Neue Zürcher Zeitung)

Das Gesetz ist umstritten. Fachleute sehen die Gefahr einer Intransparenz von Löschvorgängen, die gegen die Meinungsfreiheit (Art.5 GG) verstoßen können. (Deutschlandfunk, wired)

Außerdem sehen sie die Rechtsstaatlichkeit ausgehebelt, indem Soziale Netze zu Richtern über "Hate Speech" gemacht würden. Deshalb stößt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz auf heftige Kritik. (heise, Spektrum.de, Dresdener Neuste Nachrichten, mdr)

Sascha Lobo meint: „Selten ist in Deutschland ein dämlicheres Gesetz in Kraft getreten als das NetzDG: juristisch schlampig, technisch uninformiert und wahlkämpferisch schnellgeschossen. Gegen Hass im Netz hilft es auch nicht - im Gegenteil.“ (Spiegel)

 

Auch Julia Krüger kritisiert in ihrem Kommentar: Die öffentliche Meinungsbildung wird für Facebook zum Experimentierfeld, das NetzDG und betrachtet dabei das Grundproblem mangelnder Transparenz bei Facebook. (Netzpolitik)

Die Kritik am NetzDG gewinnt an Fahrt als Anfang des Jahres bei Twitter Kommentare der Satire Zeitschrift Titanic und der Streetart-Ikone „Barbara“ gelöscht werden. (Netzpolitik, Titanic, Rp-online, Der Tagesspiegel, Meedia)

Trotz der vielen Kritik, erfährt das NetzDG auch Zustimmung. Zum Beispiel von ZDF-Moderatorin Dunja Hayali, die die „groß angelegte Empörungswelle”, die gerade durch Deutschland rolle, falsch findet. (Süddeutsche Zeitung)

 

…die AfD und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Auch von der AfD wird das NetzDG kritisiert. Beatrix von Storchs Twitter-Kommentar über eine "muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden" wurde von der Kölner Polizei AfD-Vize Beatrix von Storch wegen Volksverhetzung angezeigt und von Twitter gelöscht. Alice Weidel, die den Kommentar von Beatrix von Storch in einem eigenen Kommentar aufnahm, wurde ebenso angezeigt und der Kommentar gelöscht. (mdr, Zeit, BR, mdr)

Heiko Maas weist darauf hin, dass solche Hass-Tweets von AfD-Politikern auch ohne NetzDG nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, denn „Volksverhetzung ist kein Ausdruck von Meinungsfreiheit“. (Frankfurter Rundschau, Wirtschaftswoche)

 

…Hate Speech – Posts

Nach dem rassistischen Tweet von AfD-Politiker Jens Maier gegen den Sohn von Boris Becker, will Familie Becker juristisch vorgehen. Noah Becker hatte in einem Interview gesagt, dass Berlin im Vergleich zu London oder Paris eine „weiße Stadt“ sei. Jens Maier twitterte daraufhin: „Dem kleinen Halbneger scheint einfach zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären.“ Twitter löschte den Tweet und führende Politiker_innen aus SPD, Linke, Grüne und CSU reagieren entsetzt über die rassistische Äußerung. (Dresdener Neuste Nachrichten, Frankfurter Allgemeine)

Als „Volkslehrer“ verbreitet Nikolai N. im Internet Verschwörungstheorien und hetzt gegen Juden. Tagsüber unterrichtet er Englisch, Musik und Sport. Nach Presse-Berichten ist der Mann von seiner Grundschule vorerst freigestellt worden. Zudem wurde Strafanzeige wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gestellt. (Tagesspiegel, Belltower.News)

Am 11. Juli 2015 soll der Potsdamer Simon K. in der öffentlichen Facebook-Gruppe „Suche Elias“ einen Volksverhetzenden Beitragen gegen Angehörigen der Sinti und Roma gepostet haben, indem er der Minderheit pauschalisiert Straftaten unterstellt habe. – Ein Akt, der laut Staatsanwaltschaft geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Simon K. – er soll den Post unter seinem Klarnamen verfasst haben – Anklage wegen Volksverhetzung erhoben. Ein aufmerksamer Leser hatte den 37-Jährigen und die fünf Personen, die den Post geliked hatten, angezeigt. Der Prozess ist im Gange. (Berliner Zeitung, Märkische Allgemeine)

Die Geburt des Wiener Neujahrsbabys 2018 wurde von zahlreichen Hasskommentaren begleitet. Das alleine deshalb, weil die Mutter des Kindes auf Fotos ein Kopftuch trägt. (futurezone)

Das wurde von der Zivilgesellschaft nicht hingenommen. Der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner trat dem Rassismus entgegen, indem er Tausende Unterstützer für seine Facebook-Initiative suchte und fand. Dem Hass wurden zahlreiche Glückwunschbotschaften entgegengestellt. (ots)

 

…Gegenrede und Zivilgesellschaft

Bei den „Goldenen Bloggern“ werden die besten Blogs, aber auch Instagram- und Twitter-Auftritte gekürt. In knapp 20 Kategorien wurde per Saal-, Online- und Jury-Voting abgestimmt. Ein Jury-Sonderpreis ging an den Journalisten Richard Gutjahr für seinen Kampf gegen Hass im Netz. Verschwörungstheoretiker hetzen gegen ihn, seitdem er 2016 Zeuge des Terrorattentats in Nizza und des Amoklaufs am Olympia-Einkaufszentrum München geworden war. Laut Jury ist sein Engagement beispiellos und zeigt die Abgründe im Internet. (Handelsblatt)

Der Journalist Richard Gutjahr, Reporter des Bayerischen Rundfunks, wurde unfreiwillig Zeuge zweier Terroranschläge. Seither ist er der Gegenstand von Verschwörungstheorien, die ihm unterstellen, er sei von Geheimdienstquellen vorab informiert worden. Er und seine Familie sind wüsten Anfeindungen im Netz ausgesetzt. Seine Erfahrung ist: Wer sich zur Wehr setze, finde wenig Unterstützung bei Politik und Gesellschaft. Auch die Justiz unterschätze, dass Beschimpfungen im Internet länger Auswirkungen hätten als im realen Alltag. (deutschlandfunk)

Hassrede ist im Netz ein fast alltägliches Phänomen. Die Initiative #ichbinhier setzt sich schon lange gegen Hassrede im Netz ein. Ein Interview mit dem Gründer Hannes Ley zeigt, wie mit Hate Speech umgegangen werden kann. (unicum)

Facebook

Jedes Jahr setzt sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg ein persönliches Ziel. Sein guter Vorsatz für 2018 ist anders als in den Jahren zuvor. Er will in diesem Jahr stärker gegen Hasskommentare, Beleidigungen oder Wahlmanipulationen vorgehen.

Dazu will das soziale Netzwerk 10.000 neue Mitarbeiter einstellen. Diese sollen sich künftig um die Löschung von hasserfüllten Inhalten auf der Plattform kümmern. Das teilte die Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg mit. (Handelsblatt, Berliner Zeitung)

Burcu Gültekin-Punsmann hat im Berliner Lösch-Team von Facebook Beiträge gearbeitet: "Ich habe gelernt, Ekel zu überwinden". Gewalt und Hass im Sekundentakt: Sie spricht nun über das, was Facebook lieber verschweigt. (T-Online)

 

…Europa

Auch auf EU-Ebene wird sich mit dem Thema Hate Speech und Fake News sowie möglichen Regelungen auseinandergesetzt. Dabei setzt die EU weiterhin auf Freiwilligkeit und will kein EU-Gesetz einführen, das Online-Plattformen zum Löschen von Hate-Speech verpflichtet. Aber es wird auch nicht ausgeschlossen, dass ein solches Gesetz notwendig werde, wenn weitere Mitgliedstaaten eigene Gesetze dieser Art erlassen und eine zu große Fragmentierung des EU-Marktes droht. (Deutschlandfunk, euractiv, Radio Praha)

Twitter und Facebook sperrten den Account der rechtsextremen »Goldenen Morgenröte« und löschten Auftritte der griechischen Neonazis Partei, die die drittstärkste im Athener Parlament ist. (nd)

 

MEHR MENSCHENFEINDLICHKEIT AKTUELL, Januar 2018:

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Überblick aller Berichte zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aktuell

 

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