Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen

Wie sieht die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen im Alltag aus? Ein Referent des Behindertenverbandes Interessenvertretung "Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL)" berichtet.

Von Ottmar Miles-Paul

Aktivitäten, die für viele nichtbehinderte Menschen selbstverständlich sind und meist ohne größere Probleme bewältigt werden können, stellen für behinderte Menschen häufig eine große Herausforderung dar. Während einerseits natürliche oder von Menschenhand geschaffene Barrieren zum Beispiel das Leben von Rollstuhlnutzern und -nutzerinnen erschweren, kommen immer wieder auch offene Diskriminierungen hinzu, mit denen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen zu kämpfen haben.

»An Rollstuhlfahrer vermieten wir nicht«. Diese Antwort bekam zum Beispiel der Rollstuhlnutzer Dr. Andreas Jürgens aus Kassel, als er sich an ein Unternehmen wandte, das bundesweit eine Vielzahl von Ferienwohnungen vermietet. Bei diesem Unternehmen konnte er keine Ferienwohnung für seinen Urlaub mieten.

Eine kleine Gruppe von Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung aus Ludwigsburg musste erleben, dass sich ein Pilot der Air France weigerte, sie ohne ärztliches Attest mit ihrer Unterstützerin mitzunehmen, obwohl sie bereits im Flugzeug Platz genommen hatten. Sie mussten wieder aussteigen und bekamen nur mit viel Glück noch einen anderen Flug, um ihre Heimreise aus dem Urlaub antreten zu können.

Die blinde Münchnerin Susanne Römer erlebte Benachteiligung beim Kinobesuch: »Mir wurde letztes Jahr der Zutritt mit meinem Führhund zu einem Kino nicht gestattet, obwohl ich dem Kartenverkäufer erklärte, dass ich den Hund für meine Mobilität brauche. Er ließ sich trotz mehrerer Erklärungsversuche nicht umstimmen. Ich musste mir den Film an einem anderen Tag in einem anderen Kino ansehen, zu dem ich trotz Führhund ohne Probleme Zutritt bekam.«

»Nebenan gibt es ein Altenheim«. Mit dieser Argumentation wurde Erika Michels aus Illerich abgespeist, als sie auf der Suche nach einem barrierefreien Hotelzimmer an der Mosel für eine Besucherin war, die einen Rollstuhl nutzt. Sie traute ihren Ohren kaum, als ein Hotelbetreiber, der nach eigenen Angaben über einen barrierefreien Zugang verfügt und auch Zimmer anbietet, die für RollstuhlnutzerInnen geeignet sind, ihr mitteilte, dass er nicht gerne Zimmer an Rollstuhlfahrer vermiete. Nebenan gäbe es ein Altenheim, sie solle doch dort mal schauen, ob ein Zimmer zur Anmietung frei sei.

Diese Beispiele ließen sich lange fortsetzen. Dabei ist anzumerken, dass sich viele behinderte Menschen, die diskriminierende Erfahrungen gemacht haben, oft aus Scham nicht trauen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Bleibt zu hoffen, dass sich nach der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, in dem auch behinderte Menschen in weiten Bereichen des Zivilrechts vor Diskriminierungen geschützt werden, die Situation verändert, beziehungsweise dass behinderte Menschen ihre Rechte wirksamer wahrnehmen können.

Weitere Informationen zur Gleichstellung behinderter Menschen im Internet:

www.nw3.de.

Eine Dokumentation von Diskriminierungsfällen behinderter Menschen gibt es unter:

www.netzwerk-artikel-3.de/zag/009.php.

Der Autor Ottmar Miles-Paul ist sehbehindert und arbeitet als freier Publizist in Kassel. Als Referent des Behindertenverbandes Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in
Deutschland (ISL) und als Pressesprecher des
Behindertenverbandes NETZWERK ARTIKEL 3 engagiert sich der 42-Jährige seit vielen Jahren für die Gleichstellung und Selbstbestimmung behinderter
Menschen.

| www.miles-paul.de.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre "Reflektieren. Erkennnen. Verändern. Was tun gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit?" der Amadeu Antonio Stiftung. Die Broschüre kann hier heruntergeladen werden.

Mehr zur Arbeit gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit:

| www.amadeu-antonio-stiftung.de/die-stiftung-aktiv/gegen-gmf/

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