Rechtsextreme Parteien tagen gern in Rathäusern -
Rathäuser halten sie lieber draußen. In Berlin operierte man in den letzten zwei Jahren mit einem Mietvertrag mit "Anti-Nazi-Klausel". Der wurde vom Verwaltungsgericht für ungültig erklärt. Ein Sieg für die NPD? Für die Initiatoren der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) lediglich guter Anlass zur Vertiefung der Arbeit.
Von Dana Fuchs
Am 16. Juli 2010 hatte das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass das bisher gewählte Verfahren zur Raumvergabe an rechtsextreme Parteien und Vereine in Berlin nicht rechtmäßig ist. Die inhaltliche Prüfung des gesonderten Raumnutzungsvertrages wurde nun an das Zivilgericht verwiesen.
Ein Muster dieses Raumnutzungsvertrages wurde das erste Mal 2008 verwendet. Damals konnte die NPD eine Veranstaltung im Rathaus Treptow-Köpenick nur durchführen, da sie eine von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) erarbeitete Klausel zur Raumvergabe unterschrieb. Darin heißt es: „Der Mieter ist nicht berechtigt, die Mieträume zur Durchführung von Veranstaltungen zu nutzen, auf denen verfassungs- oder gesetzwidriges Gedankengut dargestellt und/oder verbreitet wird. Der Mieter bekennt mit der Unterschrift, dass auf der Veranstaltung keine rechtsextremen, rassistischen, antisemitischen oder antidemokratischen Inhalte und Symbole“ verwendet werden, weder von Veranstalter noch von Besuchern. Bei Zuwiderhandlung drohte eine Geldstrafe von rund 1000 Euro. Diese Praxis setzte sich in den Berliner Bezirken bis zum Bundesparteitag der NPD Anfang April 2009 durch. Die NPD war nicht mehr bereit, den Mustervertrag zu unterschreiben und klagte gegen die vermeintliche Ungleichbehandlung gegenüber anderen Parteien. Dieser Klage wurde nun stattgegeben: „Eine Vergabepraxis, die darauf abzielt, eine Partei aufgrund politischer Äußerungen auszuschließen, verstößt gegen das im Paragraph 21 des Grundgesetzes verankerte Parteienprivileg“, so Richterin Xalter in der Jungen Welt.
Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) sieht die Urteilsentscheidung gelassen: „Der Mustervertrag ist ein Anfang. Das Urteil bietet uns nun die Möglichkeit, Eckpunkte des Vertrages zu modifizieren.“ Das Interesse von Seiten der kommunalen Politik und Verwaltung, öffentliche Räume vor dem Missbrauch durch Rechtsaußen-Parteien und Initiativen zu schützen, ist groß, so Klose. Daher wird das Urteil als gute Grundlage gesehen, um die bisher geleistete Arbeit nun zu vertiefen. Der Kampf um die Rathäuser, der von den rechten Parteien begonnen wurde, wird nun in den Rathäusern weiter geführt, so Klose. Welche genauen Veränderungen die Entscheidung des Zivilgerichts bringen wird, bleibt abzuwarten. Andreas Gram, verfassungsschutzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, rief die Richter allerdings dazu auf, die NPD nach anderen Maßstäben zu behandeln als andere Parteien. Auch die Justiz muss einen Unterschied zwischen demokratischen und undemokratischen Parteien machen, so Gram.
Aber auch ohne Zivilgerichtsurteil gibt es weiterhin Möglichkeiten gegen die „Veranstaltungsoffensive der NPD“ vorzugehen. Bereits im Vorfeld könnten Rathäuser durch eine Neuverfassung ihrer Widmung genau bestimmen, wer die öffentlichen Räume nutzen darf und wer nicht. Als Beispiele nannte Bianca Klose die Umschreibung der Widmung in den Bezirken Tempelhof und Reinickendorf. Hier dürfen nur noch Parteien Räume mieten, die auch einen Kreisverband im Bezirk haben.
Eine der wichtigsten Methoden um gegen rechtsextreme Parteien und Vereine vorzugehen, bleibt aber immer noch die Stärkung einer couragierten Zivilgesellschaft, so Klose. Die Politik muss mit den Bürgern zusammenarbeiten: Wenn beispielsweise die NPD eine Veranstaltung anmeldet, dann müssen die Bürger informiert werden, damit diese vor den Rathäusern demonstrieren können und deutlich zeigen, dass Nazis hier nicht erwünscht sind.
Mehr im Internet:
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin bietet u.a. zahlreiche Materialien zum Umgang mit Neonazis zum Download: