Berliner NPD: Totgesagte agitieren weiter agil

Die Berliner NPD am Ende? Gerade in den letzten beiden Monaten des Jahres haben die NPD-Fraktionen in Treptow-Köpenick und Lichtenberg wenig Gelegenheiten ausgelassen, um auf sich aufmerksam zu machen. Eine neue Broschüre des „Vereins für Demokratische Kultur“ analysiert den Verlauf der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in den kommunalen Gremien Berlins seit dem Herbst 2008.

Von Mathias Wörsching

In der letzten Sitzung der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) für das Jahr 2009 provozierte die dortige NPD-Fraktion erneut: Sie beantragte die Abwahl der Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Partei DIE LINKE) und begründete dies mit ihrer Teilnahme an friedlichen Protesten gegen den rechtsextremen Aufmarsch vom 6. Dezember 2008.
Die NPD versuchte wie auch schon in der Vergangenheit, den eigenen verfassungsfeindlichen Charakter durch die Thematisierung von vermeintlichen linksextremen Vorkommnissen zu verschleiern und den demokratischen Konsens im Umgang mit Rechtsextremismus aufzuspalten.

Doch trotz unterschiedlicher Bewertung des Handelns von Christina Emmrich verwahrten sich Vertreter/innen mehrerer demokratischer Parteien gegen die rechtsextreme Demagogie der NPD-Verordneten. So stellten sich die demokratischen Verordneten hinter ein im Zuschauerraum von Gästen entrolltes Transparent mit der Aufschrift „No NPD“ und setzt damit ein deutliches Zeichen. Im Januar 2010 wird über den Abwahlantrag gegen Frau Emmrich entschieden.

Einen Monat zuvor, in der November-Sitzung der BVV Treptow-Köpenick, nutzten die NPD-Verordneten die Anwesenheit überdurchschnittlich vieler Zuschauer/innen gezielt für eine populistische Inszenierung. Die Bürger/innen waren gekommen, um gegen einen gemeinsamen Antrag mehrerer demokratischer Parteien zu protestieren, der vorsah, die Möglichkeiten für eine Überführung kommunaler Seniorenfreizeiteinrichtungen in Freie Trägerschaft zu prüfen. Udo Voigt, Bundesvorsitzender der rechtsextremen NPD und NPD-Fraktionsvorsitzender in der Treptow-Köpenick, ergriff im Rahmen der „Bürgerfragestunde“ und der Debatte um den entsprechenden Antrag mehrfach das Wort für die anwesenden Bürger/innen und erntete hierfür lautstarken Applaus. Geschickt nutzte er die Empörung der Bürger/innen, um sich als deren Interessenvertretung darzustellen.

Die Demokrat/innen haben in solchen Situationen die Möglichkeit, die populistische Strategie der NPD frühzeitig zu durchkreuzen und sie als „Trittbrettfahrer“ (Philipp Wohlfeil, Fraktionsvorsitzender Die Linke BVV Treptow-Köpenick) des Unmuts von Bürger/innen über soziale Probleme zu entlarven. Hierzu eignen sich anschauliche Beispiele von deutlich rechtsextremen Initiativen der NPD aus vergangenen BVV-Sitzungen oder aus dem sonstigen Agieren der NPD im Bezirk.

Entgegen anders lautenden Berichten in den Medien, die der Berliner NPD Inaktivität und Bedeutungsverluste attestierten, sind dies nur die jüngsten Beispiele für die kontinuierlichen Versuche der rechtsextremen Verordneten, die kommunalen Gremien für ihre menschenverachtenden und antidemokratischen Bestrebungen zu instrumentalisieren.

Mit Blick auf das vergangene Jahr stellt sich das Auftreten der NPD in den einzelnen Bezirken, je nach Kompetenz und Aktivitätsgrad der rechtsextremen Verordneten, durchaus differenziert dar. Das macht euch die jüngst erschienen Handreichung des Projektes „Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins – Dokumentation und Analyse“ deutlich. Schwerpunkt der Handreichung ist die Darstellung und Analyse des demokratischen Umgangs mit den rechtsextremen Mandatsträger/innen. Hierfür wurden über 20 Verordnete und Stadträte befragt. Die mit zahlreichen Originaltönen von demokratischen Kommunalpolitiker/innen gespickte Publikation beschreibt eine weithin erfolgreiche Praxis in der alltäglichen Arbeit, macht aber auch Spannungsfelder sowie Entwicklungspotenziale deutlich und leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab.

Das Geschehen in den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen wird darüber hinaus in den Kontext bundes- und berlinweiter Entwicklungen im Bereich des Rechtsextremismus, vor allem der NPD, eingeordnet. In einem dokumentarischen Anhang findet sich Zahlenmaterial zur rechtsextremen Aktivität in kommunalen Gremien. Eine Graphik verdeutlicht den sprunghaften Anstieg kommunalpolitischer Mandate für die NPD in den letzten beiden Jahren. Besonders hilfreich für die politische Praxis ist ein Eckpunktepapier, das über 40 demokratische Politiker/innen, Wissenschaftler/innen und Vertreter/innen fachlicher Beratungsprojekte aus mehreren Bundesländern im September diesen Jahres bei einem Werkstattgespräch in Berlin entwickelten. Es fasst die zentralen Handlungsempfehlungen für den demokratischen Umgang mit Rechtsextremen in kommunalen Gremien prägnant zusammen.

Die Handreichung „In der BVV kann der Kampf gegen Rechtsextremismus nicht gewonnen werden, muss dort aber dennoch geführt werden“ kann bestellt werden unter

doku-und-analyse@vdk-berlin.de

Sie steht auch zum Download bereit unter:

| www.mbr-berlin.de

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