Mit einer Allianz unter dem Titel "CLAIM" wollen 35 Organisationen und Projekte das Bewusstsein für Islam- und Muslimfeindlichkeit schärfen.
KA

Allianz gegen den mehrheitsfähigen anti-muslimischen Rassismus

Betroffene von Islamfeindlichkeit merken mittlerweile oft gar nicht mehr, dass sie von Diskriminierung betroffen sind, weil diese Erfahrungen zu ihrem Alltag gehören. Das Netzwerk “CLAIM” will sich jetzt bundesweit gegen  anti-muslimischen Rassismus einsetzen.

 

Von Kira Ayyadi

 

Ein Zusammenschluss aus bundesweit 35 Organisationen will auf islamfeindliche-Diskurse, -Praktiken und antimuslimische Hasskriminalität aufmerksam machen. Unter dem Namen „CLAIM“ spricht sich die Allianz gemeinsam gegen islam- und muslimfeindliche Hetze aus. Die Projektkoordinatorin Nina Mühe erklärte am Dienstag in Berlin, dass außerdem Islamfeindlichkeit in den öffentlichen Fokus gerückt werden soll – und das ist auch bitter nötig.  

2017 gab es in Deutschland mindestens 950 Angriffe auf Muslim*innen und etwa 100 Angriffe auf islamische Einrichtungen. Vergleichszahlen zum Vorjahr gibt es nicht, da die Behörden Daten zu anti-muslimischer Hasskriminalität erst seit 2017 erfassen.  Die Dunkelziffer wird von Expert*innen allerdings deutlich höher geschätzt, auf das Acht- bis Zwölffache.

 

Islamfeindlichkeit bedroht den Zusammenhalt unserer Gesellschaft

Thomas Heppener, Leiter des Referats „Demokratie leben!“ des Bundesfamilienministeriums, das die Allianz unterstützt, meint, Islamfeindlichkeit sei eine „Bedrohung für den Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft“. Doch das Problem liegt nicht nur in tatsächlich physischen Angriffen auf Muslim*innen. Es geht um eine zunehmend vergiftete Stimmung, zu der auch Politiker*innen abseits der AfD beigetragen haben.

 

Offene Islamfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft

Antimuslimischer Rassismus findet seinen Nährboden dabei auch in den Medien. Was hängen bleibt bei deutschen Talkshows sind Titel, die so irreführend wie unverantwortlich sind, wie etwa „Beethoven oder Burka - braucht Deutschland eine Leitkultur?“ (Maischberger vom Mai 2017) oder „Mann, Muslim, Macho: Was hat das mit dem Islam zu tun?“ (Maischberger vom Mai 2016) oder „Schleier und Scharia: Gehört der Islam zu Deutschland?“ (Maischberger von Oktober 2010). Muslim*innen und der Islam werden in den Medien oft als gewalttätig, sexistisch, religiös, fanatisch und in Zusammenhang mit einer generellen sozialen und kulturellen Rückständigkeit dargestellt. Auch diese Diskurse führen zu einer Normalisierung von anti-muslimischen Ressentiments und im schlimmsten Fall zu Gewalt.  Auch sie haben dazu beigetragen, dass Islamfeindlichkeit eine normalisierte Form von Rassismus ist.

 

Anti-muslimischer Rassismus ist für Betroffene Alltag

Auch diese oftmals negative Darstellung von Muslim*innen in den Medien hat dazu beigetragen, dass Islamfeindlichkeit so weit verbreitet ist. Man kann fast sagen, dass es normal geworden ist – auch für Betroffene. Zeynep Ceptin vom „Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“ von Inssan e.V., einer der zentralen Anlaufstellen für Betroffene berichtet davon, dass Opfer von anti-muslimischem Rassismus die Diskriminierung gar nicht wahrnehmen, weil es für sie Alltag sei. In ihrer Arbeit erlebt sie, dass mehr Frauen von solchen Übergriffen betroffen seien als Männer. Was offenbar daran liegt, dass Frauen, die ein Kopftuch tragen, recht einfach als Musliminnen zu identifizieren sind. Die Projektkoordinatorin Nina Mühe verweist allerdings darauf, dass es „CLAIM“ um alle Formen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geht und sie eben auch jene Menschen einschließt, denen lediglich zugeschrieben wird, sie seien Muslim*innen.    

 

Bundesbeauftragter gegen Islamfeindlichkeit

Bei antimuslimischen Übergriffen gebe es kaum Empörung, so  Mühe weiter, und daher sei diese Art des Rassismus auch nicht so sichtbar wie sie eigentlich sein müsste. Nötig wären mehr Beratungs- und Anlaufstellen für Betroffene. Wünschenswert sei ein Bundesbeauftragter gegen Islamfeindlichkeit.   

Doch so richtig und wichtig solche eine Allianz auch ist, sehen wir auch hier wieder, was den Kampf gegen  antimuslimischen Rassismus oft so schwer macht, nämlich die Unterstützer*innen und Initiator*innen. So steht beispielsweise Inssan e.V. unter Verdacht, Verbindungen zur vom Verfassungsschutz beobachteten Islamischen Gemeinde in Deutschland zu haben, die der antisemitischen Muslimbruderschaft zugeordnet wird. Gleichzeitig spricht sich die Allianz ganz klar gegen alle Formen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aus – und darin beinhaltet ist auch Antisemitismus. Kann das zusammenpassen?

 

Bundes­weiter Tag gegen Antimus­li­mi­schen Rassismus am 1. Juli

Am 1. Juli finden am Tag gegen anti-muslimischen Rassismus bundesweit mehrere Veranstaltungen statt, um auf das Thema Islamfeindlichkeit aufmerksam zu machen. 

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