Die Demonstration in Cottbus am 03.02.18.

“Zukunft Heimat” in Cottbus: Die neue Pegida?

Laute Rufe nach „Widerstand!“ und „Macht die Grenzen dicht!“ hallen am 3. Februar über den Oberkirchplatz in Cottbus. Die Stadt ist hermetisch abgeriegelt, während  zahlreiche Menschen auf den Platz strömen. Grund dafür ist die Demonstration des Vereins Zukunft Heimat e.V., die durch zwei Gegendemonstrationen begleitet wird. Man sieht Kinder auf den Schultern ihrer Väter, viele Jugendliche, Frauen und Männer jeden Alters. Sie sind dem Aufruf des Spreewälder Vereins Zukunft Heimat e.V. gefolgt, um gemeinsam gegen Merkels Politik der offenen Grenzen zu protestieren. In vielen Medienberichten wird nun die Frage laut, ob Cottbus das neue Dresden sei, ob Cottbus ein neues Symbol für eine rechtsradikale Protestbewegung wird.

Von der Belltower.News-Redaktion

Nachdem es in Cottbus zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Geflüchteten kam, ist die Stimmung in der Stadt sehr angespannt. Zukunft Heimat e.V. nutzt die aufgeladene Stimmung und mobilisierte bereits am 20.01.18 zahlreiche Menschen aus Cottbus und Umgebung. Sie warnen vor der Zerstörung der eigenen Heimat, sie sprechen von einer Bedrohung durch gewalttätige Fremde „…weil niemand versteht, warum Schutzsuchende bewaffnet durch die Straßen ziehen“. Der Cottbusser Oberbürgermeister, Holger Kelch (CDU), reagierte darauf prompt mit einem Zuzugsstopp von Geflüchteten aus Erstaufnahmeeinrichtungen nach Cottbus. Das bremste den asylfeindlichen Protest jedoch nicht.

Etwa 3.000 bis 3.500 Menschen stehen auf dem Oberkirchplatz in Cottbus. Sieht man sich um, entdeckt man Mützen in Deutschlandfarben, Mützen in Farben des Deutschen Reiches, eine Preußenflagge. Guckt man genauer hin, sieht man rechtsextreme Szenekleidung der Marke Thor Steinar oder des Cottbusser Labels 23, Jacken mit dem Logo der AntiAntifa, Logos der rechtsradikalen “Identitären Bewegung”. Nach der Eröffnung der Demonstration durch die Vereinsvorsitzende Anne Haberstroh spricht Sigfried Däbritz von PEGIDA. Dann folgen kurze Beiträge einer Frau, die am Protest in Kandel beteiligt war, sowie eines Cottbusser Bürgers, der auch an diesem Tag als Ordner auftritt. Anschließend folgt ein kurzer Spaziergang durch die Stadt – ein Demonstrationszug, der unter anderem „Multikulti Endstation!“ skandiert. Unter den Demonstrationsteilnehmenden sind Aktivist_innen der Identitären Bewegung, der EinProzent-Bewegung, rechtsextreme Hooligans von Energie Cottbus, die Brandenburger AfD und sogar der Brite Tommy Robinson, der die English Defence League gründete und auch bei PEGIDA in Dresden auftritt. Später treten als Redner noch Lutz Bachmann und Wolfgang Taufkirch von PEGIDA auf. Bachmann, der u.a. wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, dankt allen Demoteilnehmer_innen für ihr Kommen und wirbt für die Zusammenarbeit aller “mutigen Patrioten” in Deutschland. Es entsteht aber auch der Eindruck, dass nicht alle Teilnehmer_innen den Schulterschluss von Zukunft Heimat e.V. und PEGIDA begrüßen. Ein Raunen und Kopfschütteln ist bei manchen zu vernehmen. Einige - wenige -  verlassen sogar die Demonstration, vermutlich, weil ihnen klar wird, dass Zukunft Heimat e.V. mit eindeutig rechtsextremen Akteuren koaliert. Die meisten bleiben allerdings. In der Menge zeigt ein Mannden Hitlergruß.  Er wird später in polizeilichen Gewahrsam genommen. Auf der Bühne wehrt sich Hans-Christoph Berndt, Vereinsvorsitzender von Zukunft Heimat, indessen  gegen die Bezeichnung seiner Protestbewegung als rechtsextrem oder rechtspopulistisch durch die Medien. „Wir sind nicht fremdenfeindlich. Wir sind patriotische Deutsche, patriotische Europäer.“ Das Publikum stimmt zu. Zum Ende der Demo singen alle Teilnehmenden noch gemeinsam das „Lied der Deutschen“, die Nationalhymne. Die Demonstration ist um 16 Uhr vorbei.

 

Wird Cottbus das neue Dresden? Zukunft Heimat die neue PEGIDA-Bewegung?

In Brandenburg gründeten sich nach dem Vorbild PEGIDAs ab 2015 beispielsweise PoGIDA in Potsdam oder CoGIDA in Cottbus. Dazu kamen einige asylfeindliche Bürgerinitiativen, wie BraMM in Brandenburg a. d. Havel (Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung), das Bürgerbündnis Havelland aus Rathenow oder das Bürgerforum Südbrandenburg. Und Zukunft Heimat. Während sich CoGIDA nach Bekanntwerden von personellen Verbindungen in die rechtsextreme Szene und starkem Gegenprotest in Cottbus nach dem ersten Abendspaziergang auflöste, schafft Zukunft Heimat es seit 2015 durch inszenierte Bürgerlichkeit und Heimatliebe zahlreiche Menschen für ihre Protestkundgebungen zu mobilisieren.

Zukunft Heimat e.V. kommt aus dem Spreewald und gründete sich, um  2015/16 gegen die Aufnahme von Geflüchteten in Lübben, Lübbenau und Vetschau zu demonstrieren. Unterstützt von der Brandenburger AfD, waren damals schon Aktivisten von EinProzent oder Autoren des rechtspopulistischen Compact-Magazins dabei. Erst im Frühjahr 2017 trat Zukunft Heimat e.V. wieder mit asylfeindlichem Protest in Erscheinung. Der Verein nutzte die aufgeheizte Stimmung in Cottbus gegenüber Geflüchteten, als eine Rentnerin mutmaßlich durch einen 18-jährigen Syrer getötet worden war. Neben den asylfeindlichen Protesten inszeniert sich der Verein seinem Namen entsprechend als Heimatverein, der mal Spenden für das Tierheim oder die Sanierung eines alten Feuerwehrturms sammelt, Erntedankfeste feiert und sich für örtliche Fahrradwege engagiert.

Die Zahlen asylfeindlicher Protestaktionen sind seit dem Frühjahr 2016 in Brandenburg stetig rückläufig. Entgegen diesem Trend mobilisierte Zukunft Heimat e.V. jedoch bereits im Sommer 2017 alle zwei Wochen bis zu 450 Demonstrierende in Cottbus. Die Demonstrationen unter dem Motto „Grenzen ziehen!“ folgten dabei immer einem ähnlichem Ablauf: Zuerst ein bis zwei Redebeiträge, dann ein gemeinsamer ”Spaziergang” durch die Altstadt und abschließend noch einmal Redebeiträge. Auch wenn dieser Abendspaziergang an das Format der PEGIDA-Demonstrationen in Dresden angelehnt ist, ist Zukunft Heimat e.V. kein Ableger von PEGIDA.

Wie Gideon Botsch, Leiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus (EJGF) in Potsdam, bestätigt, ist Zukunft Heimat e.V. mittlerweile eine Vernetzungsplattform für rechtsextreme Akteure, die auf vorhandene Strukturen der rechtsextremen Szene vor Ort und des fremdenfeindlichen Protestmilieus aufbaut. Die Zahlen rassistischer Übergriffe in Cottbus sind weitaus höher als im restlichen Brandenburg. Hinzu kommt eine aktive rechtsextreme Szene in Südbrandenburg, die von neonazistischen Kameradschaften, der NPD, gewaltbereiten Hooligans aus dem Umfeld von Energie Cottbus über die Identitäre Bewegung hin zur AfD führt, die in Brandenburg rechtsextrem dominiert ist.

Cottbus ist nicht Dresden, nicht Sachsen. Zukunft Heimat wird nicht die neue PEGIDA-Bewegung, auch wenn es eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Organisationen gibt, was sich im personellen Austausch ihrer Redner und der wechselseitige Mobilisierung zu den Demonstrationen zeigt. Zukunft Heimat e.V. tritt in der Öffentlichkeit derzeit viel bürgerlicher und demokratischer auf, hält sich mit krassen rassistischen Äußerungen zurück und inszeniert seine Legitimität auch über die Zusammenarbeit mit der AfD Brandenburg. Es geht also nicht um ein Ablösen einer Bewegung durch eine neue. Es geht beiden Organisationen viel mehr darum, sich als Impulsgeber für eine breite Protestbewegung gegen die angeblichen politischen Eliten zu inszenieren und an vielen unterschiedlichen Orten in Deutschland neue Anhänger zu mobilisieren.

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