In dieser Sporthalle sollten 2015 Geflüchtete untergebracht werden. "Besorgte Bürger" wehrten sich dagegen, zusammen mit AfD, Identitären, der CDU und mutmaßlichen Terroristen.
Till Sorge

Dresden-Übigau: "Gruppe Freital" nutzte Zelt "besorgter Bürger" als Treffpunkt für Gewalttaten

Im Jahr 2015 wollten in Dresden viele Politiker mit "besorgten Bürgern" reden - auch mit einer Gruppe Übigauer, die 22 Tage lang (!) eine Turnhalle blockierten, die Flüchtlingsunterkunft werden sollte. Doch die "besorgten Blockierer" hatten auch anderen Besuch: Dort vernetzten sich Neonazis für Hetze und Gewalttaten - unter anderem Mitglieder der "Gruppe Freital", denen gerade der Prozess wegen Rechtsterrorismus gemacht wird.

 

Von Till Sorge

 

Bei Hochwasser wird Übigau zu einer Insel. Im Osten, Süden und Westen schlängelt sich die Elbe um das Dresdner Viertel. Im Norden: eine Flutrinne, die das Viertel begrenzt. Die Deiche sollen irgendwann vielleicht noch höher werden. Jedenfalls wirkt Übigau etwas verschlafen, es ist mehr ein Dorf, obschon mitten in der Großstadt Dresden. Überquert man die Brücken über die Flutrinne, erreicht man schnell andere Stadtteile wie Pieschen oder Mickten. Unter genau so einer Brücke, unter der Sternstraße, trafen sich am 18. Oktober 2015 Neonazis der "Gruppe Freital" und der "Freien Kameradschaft Dresden", um das dort gelegene linke Wohnprojekt "Mangelwirtschaft" mit Böllern, Pflastersteinen und Buttersäure anzugreifen. Unter anderem deswegen stehen jetzt acht Mitglieder der "Gruppe Freital" wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung in Dresden vor Gericht. Die Attacke war aber nicht der erste Besuch im Ortsteil. Wie sich im Laufe des Prozesses herausstellt, waren die Neonazis auch schon bei der wochenlangen Blockade einer Turnhalle, die zu einer Geflüchtetenunterkunft werden sollte, gern gesehene Gäste.

Übigau ist kein Ort, der einem in den Sinn kommt, wenn man an alternative Wohnprojekte in Dresden denkt. Aber es ist heute auch kein schlechtes Viertel. Nazis im Stadtbild sieht man zwar hin und wieder, sie sind aber nicht prägend. Das war vor 15 Jahren durchaus noch anders. Am Ende der Overbeckstraße war das "Thor", ein rechter Jugendclub gewissermaßen, Treffpunkt für die Szene in Dresden und darüber hinaus. Der Betreiber war Ronny Thomas, der damalige Kreisvorsitzende der NPD. Die Opferberatungsstelle AMAL schrieb 2003 über ihn: "Immer wieder fiel er durch gewalttätige und brutale Übergriffe auf Andersdenkende auf."

Am 22. Oktober 2015 wurde Ronny Thomas fotografiert, wie er von einer Blockade in Dresden-Übigau durch die Polizei weggetragen wurde. Das war das Ende eines 22 Tage dauernden Protestcamps von Anwohner_innen gegen die Nutzung einer Turnhalle als Erstaufnahmeinrichtung für Geflüchtete. Stadträte der CDU ließen sich dort sehen, Markus Ulbig, seit 2009 Innenminister in Sachsen und gescheiterter OBM-Kandidat für Dresden, wollte einen konstruktiven Austausch begleiten und die AfD-Fraktion war zum Fototermin vor Ort. Und eben Ronny Thomas; die Neonazigruppierung "Freie Kameradschaft Dresden" und das von den Ermittlungsbehörden “Gruppe Freital” getaufte Netzwerk von "Terroristen", wie sie sich selbst in ihrem “schwarzen Chat“ nannten. Vernetzt und kennengelernt hatten die Mitglieder sich bei den rassistischen  Demonstrationen gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung in Freital.

Oberflächlich betrachtet eine merkwürdige Vorstellung: Tagsüber inszenierten sich die Übigauer “Asylkritiker” als besorgte blockierende Bürger_innen, boten in einem extra aufgestellten Zelt Tee und Kuchen an, machten Mal- und Kreideaktionen in schwarz-rot-gold und hießen lokale Politprominenz und Verantwortungsträger willkommen. Gegen Abend aber wurde die Blockade offenbar zum Treffpunkt der aktivistischen Neonaziszene der Stadt und ihrer Umgebung. Im sächsischen Verfassungsschutzbericht wird später nur zu lesen sein, dass die "Jungen Nationaldemokraten (JN)", die Jugendorganisation der NPD, auf Facebook das Übigauer Camp lobte. Dass sich dort offenbar, zeitweise allabendlich, Neonazis trafen, die nun in U-Haft sitzen und sich vor Gericht verantworten müssen, erwähnt der VS-Bericht nicht. Skurril. Eine Blockade im als alternativ geltenden Leipziger Stadtteil Connewitz, mit der linke Gruppen verhindern wollten, dass Geflüchtete auf dem Höhepunkt der Krawalle in Heidenau genau dorthin verlegt werden, fand natürlich Eingang in den Bericht. Grund: Es waren Linksextremisten anwesend.

Den Übigauer Blockierern gelang es praktisch bis zum Ende des sogenannten "Anwohnerprotestes", die Mär vom friedlichen Bürgertreff zu erzählen – und zwar so gut, dass Polizei und Stadtverwaltung lange Zeit nicht einmal beim Wort "Blockade" stutzig wurden. Obwohl doch in Sachsen sonst eine eindeutige Haltung zum Thema Blockaden herrscht. Jedenfalls dann, wenn zivilgesellschaftliche oder gar linke Gruppen dazu aufrufen, gegen Neonaziaufmärsche zu protestieren.

Schon am 2.Oktober 2015, kurz nach Beginn der Blockade, besuchte Veit Böhm, CDU-Stadtrat aus dem benachbarten Stadtteil Kaditz, das Übigauer Zelt vor der Turnhalle. Er wollte den "Dialog zwischen Anwohnern und der Stadtverwaltung unterstützen", steht später in einer Pressemitteilung. Brisant: In der Erklärung sekundiert Markus Ulbig (ebenfalls CDU), der sächsische Innenminister: "Es ist wichtig, dass Politik, Verwaltung und die Menschen vor Ort im Gespräch bleiben." Auf Nachfrage erklärte sein Büro übrigens, dass Ulbig das Protestcamp oder den “Protest“ zu keiner Zeit unterstützt hätte. Damit ist er der einzige Politiker, der überhaupt antwortet. Ebenfalls zitiert wird in der Presseerklärung von Veit Böhm ein Übigauer Dachdeckermeister: "Ich und die anderen Übigauer sind weder rechtsradikal noch ausländerfeindlich und möchten keine Zustände wie in Heidenau und Freital."

Dabei waren zu diesem Zeitpunkt die rechtsradikalen Kameraden aus Freital schon vor Ort, die wiederum an den “Zuständen”, also Krawallen in Freital und Heidenau, nicht ganz unbeteiligt waren. Den Politiker-Run auf das "Protestcamp" eröffnete übrigens der erst im September 2015 ins Amt gekommene Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). Der machte wohl ganz andere Erfahrungen als Böhm und die CDU. Hilbert wurde regelrecht niedergebrüllt, konnte keinen Satz zu Ende sprechen und wurde stattdessen mit Fragen konfrontiert, "die eher ein Bundesinnenminister beantworten könnte", wie die Dresdner Morgenpost damals schrieb. Die Fragen kamen dabei unter anderem von Tatjana Festerling, damals noch "Pegida"-Frontfrau. Auch sie war am Anfang der Blockade vor Ort. Und natürlich machte auch die AfD den Übigauern ihre Aufwartung.
 

AfD-Vertreter zu Besuch. Die Facebookkommentatoren liefern Gratis-Modetipps.

Mit mehreren Besuchen und Pressemitteilungen unterstützte der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Thomas Hartung ganz unverhohlen die Blockade. Mehr noch: Als die Stadtverwaltung Mitte Oktober – mehr als zwei Wochen nach Errichtung der Blockade – einen zweiten, praktisch inoffiziellen, Zugang zum Turnhallengelände schuf, indem sie einen Teil des Zauns entfernte, bezeichnete die AfD dies als "undemokratisches Vorgehen", welches "die Blockade der Bürger" umgehe. In ihren eigentlichen Forderungen waren sich die Übigauer offenbar auch nicht ganz einig: Während sie von CDU-Stadtrat Veit Böhm offenbar nur forderten, dass ein Sicherheitskonzept her müsse, die "Nachtruhe" eingehalten werde und die Straßenbeleuchtung wieder komplett einzuschalten sei, wollte die Gruppe laut Hartung einfach nur "verhindern, dass [in der Turnhalle] fast 60 männliche Asylbewerber untergebracht werden".
 

Die Identitären zu Besuch im "Protestcamp". Screenshot der Facebookseite "OrakelDebakel".

Nicht nur für Politiker und "Pegida" waren die Übigauer offen, auch für andere asylfeindliche Protestgruppen und deren Vertreter_innen. Fleißig berichteten sie von jedem noch so ergebnisarmen Beisammensein auf Facebook. Doch schon die Auflistung der Gruppen, für die das Zelt weit offen stand, zeigt geringe Berührungsängste gegenüber Vertreter_innen verschiedener weit rechts stehender Gruppierungen. Darunter die vom Verfassungsschutz beobachteten "Identitären", oder der "Demokratische Aufbruch Sächsische Schweiz (DASS)", eine von NPD-Mitgliedern betriebene Tarnorganisation, die die asylfeindlichen Proteste in der sächsischen Schweiz von Sebnitz aus bestimmte. Selbst der als "Friedensrichter" bekannt gewordene und von "Pegida" und Co. gern hofierte Lothar Hoffmann, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren läuft, verliess DASS schon im Juni 2015, weil er "keine NPD-Mitglieder mehr" in dieser ihm zu rechtslastig gewordenen Initiative wollte. Für Übigau offenbar kein Problem.
 

Sccreenshots der Facebookseiten von "OrakelDebakel" und "Demokratischer Aufbruch Sächsische Schweiz". Einer der Besucher trägt ein Pegida-Shirt.

Für Kommunikation und Austausch nutzten die rechten Kameraden anfänglich die sozialen Medien, vor allem Facebook und Twitter. Später spielten auch persönliche Kontakte, die dann über Telefongespräche und Messenger liefen, eine Rolle. Die "Freien Aktivisten Dresden", Dresdner Neonazis, betrieben und betreiben einen Twitter- und Facebookaccount. Die "Gruppe Freital", damals unter dem Namen "Bürgerwehr FTL/360", schrieb über ihre Facebook-Seite immer wieder über ihre Besuche und Vorhaben in Übigau. Dazu haben sie auch die mehr oder weniger offiziellen Verlautbarungen des Protestcamps geteilt und kommentiert, die von einem "Orakel-Debakel" bemüht prosaisch, oft recht unverständlich, im Netz verbreitet wurden. "Orakel-Debakel" ist eine "Community-Seite" auf Facebook, die schon seit dem Beginn der Turnhallenproteste zu Übigau als Informations- und Werbeplattform fungierte.

Laut Pressemitteilungen der CDU und AfD war einer der Ansprechpartner für die Übigauer Tino Jasef, ein Handwerker aus Dresden. Neben Jasef taucht in den Berichten auch immer wieder Tom Walthersen auf. Walthersen wird im Gerichtsprozess gegen die "Gruppe Freital" von den Angeklagten unter anderem als “Wortführer“ der Blockade bezeichnet - und als Betreiber der Facebook-Seite "Orakel-Debakel" genannt.

Auf schriftliche Nachfragen beim “Orakel-Debakel“ reagiert zunächst niemand. Unter einer Adresse, die die AfD damals als Jasefs Kontakt verbreitete, antwortet dann jemand mit der Unterschrift Walthersen. Kontakt sei nicht gewünscht und ein Herr Jasef nicht bekannt.
 

Sccreenshot der Facebookseite von Tom Walthersen, dem angeblichen Sprecher der Blockade in Übigau. Hier unterwegs mit Pegida-Gründer Lutz Bachmann und Gattin.

Zurück in Übigau: Gerade mal 500 Meter vom Übigauer "Protestcamp" entfernt steht die "Mangelwirtschaft", ein Haus, welches junge, alternative Menschen gemeinsam über einen Verein verwalten und bewohnen. Den Protest beobachteten die Bewohner_innen skeptisch, sie positionierten sich unter anderem mit einem "Refugees Welcome"-Plakat am Haus deutlich anders als die Asylfeinde vor der Turnhalle. Womit sie nicht gerechnet hatten, waren die nun regelmäßig werdenden Besuche vermummter junger Männer. Für die Bewohner_innen der "Mangelwirtschaft" wurde es ab Oktober 2015 zur bedrohlichen Regelmäßigkeit, dass sich eine Gruppe schwarz gekleideter Personen vor ihrem Haus versammelte. Während den Vermummten anfangs das Patrouillelaufen zu reichen schien, gingen sie später immer mehr auf Tuchfühlung. Warfen Böller, rüttelten am Zaun, zerstörten einen Briefkasten. Die Bewohner_innen in der Overbeckstraße fuhren abends nur noch mit dem Auto oder blieben gleich zu Hause. Zu dieser Zeit gab es auch einen besonders absurden – oder vielleicht besonders sächsischen – Polizeieinsatz: Die Neonazis, vermummt auf der Straße versammelt, die die Bewohner des Hauses somit eindeutig bedrohten, riefen ihrerseits die 110: Sie fühlten sich “illegal“ aus dem Haus heraus fotografiert. Und die Polizei kam tatsächlich, wusste aber wohl nicht recht, welcher Straftatsbestand nun vorliegen sollte. Jedenfalls machten sie ihre Arbeit, erkundigten sich geflissentlich, ob fotografiert wurde, schienen zur Präsenz der Nazigruppe aber keinerlei Fragen zu haben, wie Bewohner_innen des Hausprojektes berichten.

Bedroht fühlten sich aber nicht nur die Bewohner_innen der "Mangelwirtschaft". Aus Sicht der Blockierer war es genau anders herum: Sie fühlten sich durch die Bewohner_innen der "Mangelwirtschaft" bedroht. Laut Anklageschrift gegen die "Gruppe Freital" erzählte das jedenfalls einer der Blockadeteilnehmer. Und der wiederum hatte direkten Kontakt zu den organisierten Freitalern und bat diese nun um “Schutz“. Die "Gruppe Freital" war zum ersten Mal am Abend des 30. September in Übigau vor Ort. “Wir sind Übigau“ rief auf Facebook dazu auf, die Blockade vor der Turnhalle mit eigenen Fahrzeugen zu unterstützen. Noch in derselben Nacht, am Morgen des 1. Oktober, schrieben dann die Freitaler: “DD-Übigau War ein voller Erfolg, haben erfolgreich diese Mission erfüllt. Bitte unterstützt die Jungs und Mädels Übernacht. […] Unser Widerstand lässt sich nicht verbieten!!!!! Nur gemeinsam sind wir stark.“
 

Screenshot der Facebookseite "OrakelDebakel"

In der Nacht zum 18. Oktober hatte nun offenbar das Protestcamp vor der Turnhalle ungebetenen Besuch. Die Camper bemerkten, dass in ihrer Nähe Personen um das Zelt schlichen und wollten diese zur Rede stellen. Dabei kam es zu einem tätlichen Angriff, der für einen der Blockierer mit einem Schlüsselbeinbruch endete. Am nächsten Mittag veröffentlichten die Übigauer auf dem "Orakel-Debakel" ein Bild der Camper vor der Turnhalle, mit dem polizeilichen Aktenzeichen des nächtlichen Vorfalls. Einer der Fotografierten, Jasef, hält ein Blatt in der Hand, auf dem steht: "Das war ein Fehler!" Und das klingt nun eher wie eine Drohung. So kommt es dann auch bei den Freitalern an. Rico K. sagte später vor der Polizei aus, dass “er auf Facebook bei ‘Übigau wehrt sich’ einen Aufruf gelesen habe, dem er gefolgt sei.“ Das entspricht auch der Aussage von Justin S. im Prozess gegen die Gruppe Freital, dessen Aussagen dazu so berichtet werden:

“Von Blockadeteilnehmenden seien sie [die Gruppe Freital] auf das Hausprojekt Mangelwirtschaft in der Overbeckstraße hingewiesen worden, verbunden mit dem Hinweis, dass da Linke wohnen würden. Insgesamt waren sie etwa sieben bis zehn Mal am Camp, ein bis zwei Wochen vor dem Angriff habe man mit ‘Streifenfahrten’ begonnen, um den Umkreis nach ‘Unbekannten’ abzusuchen.“

Wenige Minuten später dann tauschte sich die "Gruppe Freital" schon über diese Nachricht aus und plante ihrerseits “Rache“. Die Verantwortlichen des Schlüsselbeinbruchs vermuteten sie unter den Bewohner_innen der "Mangelwirtschaft" in der Overbeckstraße, freilich ohne jeden Beweis. Der ersehnte sogenannte "Erstschlag von links" war aus ihrer Sicht erfolgt und nun sollte "die Hütte fallen". Ein “Racheakt“ für einen Übergriff auf die Übigauer Turnhallenwächter.

Im "Schwarzen Chat" wurde dann aufgelistet, was für die abendliche Aktion zur Verfügung stünde: La Bombas, Super Cobras, Böllerteppiche, Zündschnur und natürlich Buttersäure. Das erklärte Ziel: Das Haus unbewohnbar machen. Ebenso vereinbarte man einen ersten Treffpunkt für den Abend, in Dresden-Übigau. Genauer: Am Protestcamp von "Übigau wehrt sich". Die Freitaler trafen sich vorher 19 Uhr an der üblichen Stelle, der ARAL-Tankstelle gegenüber des Freitaler Polizeipostens. Eine Viertelstunde später starteten sie nach Dresden, wo sie schließlich am Protestcamp an der Übigauer Turnhalle eintrafen. Erst vor Ort an der Turnhalle hätte man, so die Aussage von Rico K., Kontakt mit der "Freien Kameradschaft Dresden" aufgenommen, die die Anwesenden mit zwei PKW verstärkte. Das eigentliche Aktionstreffen verlegte man in die Übigauer Flutrinne, unter die Sternstraße, um Mitternacht. Vorher wurden noch Zuständigkeiten geklärt: Sprengkörper aus Freital und Steine aus Dresden. 

Trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit in dieser Nacht wurden die Angreifer wohl von Licht und Schatten und der offenkundigen Anwesenheit der Bewohner im Haus der "Mangelwirtschaft" erschreckt, so dass sie ihren Angriff nicht wie geplant zu Ende führen konnten. Die Buttersäureflaschen wurden von entfernter Stelle im Garten geworfen, zerbrachen an einer Außenwand oder fielen gleich ohne Bruch zu Boden. Auch Steine oder Pyrotechnik führten nicht zum geplanten Erfolg. Kurz danach flüchteten alle Beteiligten. Dabei hielt sich einer der Freitaler offenbar nicht an die Abmachungen und lief zurück ins Protestcamp an der Turnhalle und verschwand erst nach kurzer Wartezeit nach Hause.

Allerdings: Einige der Freitaler scheinen in der selben Nacht noch einmal nach Übigau zurückgekommen zu sein. So sagte Justin S. vor Gericht aus, dass “sie nochmal zum ‘Protestcamp’ zurückgekehrt [seien] und sich [dort] umgehört [hätten], was denn passiert sei.“ Und:: “dass sich bei dieser Begegnung ‘alle Seiten’ gefreut hätten und die Aktion als ‘Erfolg’ gewertet worden sei.“ 

Am nächsten Tag zeigte sich dann wieder das eigentümliche Kommunikationsverhalten der "Gruppe Freital". Auf Facebook teilen sie ein Posting des Übigauer “Orakels“ mit den Worten: "Was bezwecken die Vasallen aus dem Linken Spektrum damit? Übigau bleibt standhaft, haltet durch und alles gute euren Mitstreiter." Die Übigauer erwähnten in ihrem Beitrag den nächtlichen Anschlag auf das Hausprojekt implizit und lieferten sogleich mehrere Theorien dafür: "Racheakt", "False-Flag" oder "Provokation". Gleich das Erste stimmte natürlich. Wenige Tage nach dem Angriff auf die "Mangelwirtschaft" wurde das Protestcamp schließlich durch die Polizei geräumt.

Das "Orakel" übrigens bedankte sich mit einem der letzten Posts, das Protestcamp betreffend, im Oktober 2015 bei “unseren Freitalern, Trachauern und andere Besuchern“.

Am 19. Mai 2017 unterstellte der sächsische Generalsekretär der CDU, Michael Kretschmer, der “Ost-Studie”, die befand, dass es im Osten der Republik ein großes Problem in Sachen Rechtsextremismus gibt, “eine ganz bewusste Vermischung [...]  von Straftätern, Extremisten auf der einen Seite und auf der anderen Seite Menschen, die sich Sorgen machen, die Fragen stellen, die sich über Werte, Leitkultur, Patriotismus, Heimat unterhalten wollen, und denen wird pauschal Rechtsextremismus unterstellt, und so geht das doch nicht.”

In Übigau ist genau das passiert.

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