Russische Fans wie von ZSKA Moskau fallen immer wieder mit der Verwendung von rechtsextremer Symbolik oder Handlungen auf. Beobachter*innen zu Folge sind sie damit zwar in der Minderheit, dominieren aber trotzdem das Klima in den russischen Fußballstadien.
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Russland vor der WM 2018: Rassismus auf den Rängen und ein neuer FIFA Aktionsplan

Anfang Dezember stellt die FIFA Task Force gegen Rassismus und Diskriminierung einen neuen Aktionsplan vor, der auch die Verhältnisse im russischen Fußball vor der Weltmeisterschaft 2018 beruhigen soll. Russische Fußballfans und Funktionäre gelangen immer wieder mit rassistischen und rechtsextremen Äußerungen in die Schlagzeilen, nicht immer werden Sanktionen verhängt. Grundlegende Besserungen bleiben aus, in den russischen Stadien herrschen Zustände wie Anfang der 1990er in Deutschland: Bananenwürfe gegen schwarze Spieler, rassistische Affenlaute und ein Fanmanifest gegen nicht-weiße Spieler im Team.

Von Redaktion Fussball-gegen-nazis.de

Weil Fans von ZSK Moskau ihn das ganze Spiel über mit Affenlauten rassistisch beleidigten, zeigte FV Rostov Spieler Guélor Kanga ihnen den Mittelfinger – und muss nun drei Spiele in der russischen Premier League aussetzen. Die skandierenden Fans wurden nicht bestraft, der Schiedsrichter der Partie will nichts bemerkt haben. Kein Einzelfall in der russischen Fußballliga, deren Fans und Funktionäre seit Jahren immer wieder mit rechtsextremen, rassistischen und homophoben Äußerungen und Handlungen bis in die deutschen Schlagzeilen kommen. Zuletzt diffamierten Fans einen schwarzen Spieler von Zenith St. Petersburg mit Affenlauten Ende September, ZSKA Moskau spielte gegen den FC Bayern München gestern ein zweites Spiel unter Ausschluss der Fans als Strafe für die rassistischen Ausfälle einiger unter ihnen und auch beim Moskauer Verein Torpedo fielen die Fans wiederholt durch Rassismus auf.

Russland: umstrittener Austragungsort der nächsten Fußballweltmeisterschaft

Russland ist Austragungsort der FIFA WM der Männer 2018. Diese Entscheidung des internationalen Fußballverbands ist auch im Licht der aktuellen Vorfälle stark umstritten. Gefallen war sie 2010, zwei Wochen nach den rassistischen Ausschreitungen, die von Fans des Hauptstadtclubs Spartak Moskau ausgingen und russlandweit mehrere Menschen aus dem Nordkaukasus und Zentralasien das Leben kosteten. Nachdem auch während der WM 2014 in Brasilien immer wieder rassistische und rechte Vorfälle öffentlich kritisiert und dokumentiert wurden, sah sich die FIFA nun zum Handeln gezwungen.

FIFA Task Force beschloss neue Maßnahmen gegen Diskriminierung und Rassismus

Seit Jahren promotet sie den Slogan "Say no to racism", produziert emotionale TV Spots gegen Diskriminierung und hängt Transparente mit dem Slogan in den Fußballstadien auf. Dass dies nicht nur Lippenbekenntnisse sein sollen, zeigt die Task Force Gegen Rassismus und Diskriminierung, die sich Anfang Dezember in Zürich traf. Sie beschloss einen neuen Maßnahmenkatalog gegen Diskriminierung im Fußball. Zentrale Bestandteile: die verbesserte Erhebung und Bestrafung diskriminierender Vorfälle, die Ausbildung von Anti-Diskriminierungs-Beauftragten; außerdem ist der Versand einer Best-Practice-Broschüre an die 209 FIFA-Mitglieder geplant. Das Handbuch soll über erfolgreiche Strategien zu Weiterbildungsmaßnahmen, sinnvollen Sanktionsmaßnahmen und der Kooperation mit Partner*innen aus der Zivilgesellschaft aufklären und als Handlungsleitfaden dienen.

Jeffrey Webb, Vorsitzender der Task Force und FIFA Vizepräsident, sagte nach der Sitzung: "Die Ausbildung von Antidiskriminierungsbeauftragten und die Veröffentlichung des Handbuchs zu bewährten Methoden sind wichtige Schritte im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Durch die Maßnahmen wird eine konkrete Botschaft ausgesendet." Positiv zu bewerten ist in dem Zusammenhang auch die Beschäftigung des deutschen Fanforschers und Fußballaktivisten Gerd Dembowski als neuem Antidiskriminierungsbeauftragten bei der FIFA. Er hat unter anderem das Bündnis Aktiver Fußballfans BAFF mit begründet, die Ausstellung "Tatort Stadion", in der auch die Vergangenheit des DFB im Nationalsozialismus erstmalig beleuchtet wurde, kuratiert und ist seit vielen Jahren gegen Diskriminierung im Fußball aktiv ist. Zuletzt hatte er den BVB Dortmund zum Umgang mit seinen rechten Fans beraten.

Rechtsradikalismus und Rassismus sind Bestandteil der Fußballfankultur

Auch Alexander Djordjadze, stellvertretender CEO des Lokalen Organisationskommittees der FIFA WM in Russland, äußerte sich positiv nach dem Treffen und betonte die Wichtigkeit des Kampfs gegen Diskriminierung jeglicher Art. Zurück in Russland dürfte er großen Problemen gegenüber stehen. "Rechtsradikale und rassistische Ansichten sind fester Bestandteil der russischen Ultra-Szene", erklärte Pawel Klymenko vom Netzwerk Football Against Racism in Europe (FARE) gegenüber dem Magazin 11Freunde. Und nicht nur dieses europaweite Fußballfannetzwerk kritisierte kürzlich die Bestrafung vom FV Rostov Spieler Kanga, als er sich gegen den Rassismus der Fans gewehrt hatte. "Spieler zu bestrafen, die sich gegen rassistische Beleidigungen wehren, ist eine gängige Praxis des Disziplinarkommittees des Russischen Fußballverbands RFU, während Fans, die Affenlaute oder andere rassistische Gesänge anstimmen, nicht immer verfolgt werden", kritisiert FARE auf seiner Website.

Sanktionen sind diskontinuierlich und kratzen nur an der Oberfläche

Zwar werden nach rassistischen Vorfällen immer wieder Teilausschlüsse des Publikums beschlossen, wie zuletzt gegen den Verein Torpedo Moskau dessen Fans rassistisch skandiert hatten. Diskriminierende Äußerungen gehen dabei nicht nur von den Fans aus. Ende November äußerte Givanildo Vieira de Souza, besser bekannt als Hulk, brasilianischer Nationalspieler und beim St. Petersburger Verein Zenith St. Petersburg unter Vertrag, dass er bei einer Partie in der russischen Premierleague vom Schiedsrichter Alex Matyunin rassistisch beleidigt wurde, Folgen für den Referee sind nicht bekannt. Der Verein selbst verpflichtete bis 2012 keine schwarzen Profispieler. Im selben Jahr veröffentlichte sein größter Fanclub ein Manifest, in dem sich die Fans gegen die Verpflichtung von schwarzen und von homosexuellen Spielern aussprachen. Damals hatte der Ghanaer Haminu Dramani, der bis 2011 für Lok Moskau spielte und besonders die Partien gegen Zenith in dunkler Erinnerung hatte, noch gesagt: "Ich würde niemals einem afrikanischen Spieler empfehlen, nach Russland zu gehen." Heute wirbt der Verein aus St. Petersburg auf seiner Internetseite für Toleranz und im Kader stehen auch schwarze Spieler.

Rassismus als Resultat fehlender Fanarbeit...

Rassismus ist in Russland auch das Resultat fehlender Fanarbeit. Daniel Reimann konstatierte auf Spox.com, dass die bisherigen Aktionen der Vereine sich auf Strafen beschränken und so nur an der Oberfläche des Problems kratzen. Die russische Gesellschaft ist von Homophobie und Rassismus tief geprägt, die Vorgänge in den Stadien sind also zwangsläufig, da Fußballfankultur gesellschaftliche Verhältnisse wie unter einem Brennglas abbildet. Beobachter fordern ein Umdenken in der russischen Fußballfanarbeit, die Einrichtung von sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekten und konkrete Aktionen in den Stadien. Auch darauf zielt der Maßnahmenkatalog der FIFA Task Force ab.

... diese gehört aber zu den Empfehlungen der FIFA

Pavel Brunßen, Chefredakteur vom Transparent-Magazin, schätzt die aktuellen Bemühungen des Verbands, gibt aber auch zu bedenken: "Es bleibt abzuwarten, welche Aufgaben die Antidiskriminierungsbeauftragten genau haben werden. Generell ist es wichtig, sich dem Thema nicht nur mit vereinzelten Maßnahmen anzunehmen." Kontakt sollte auch zu Fangruppen und zivilgesellschaftlichen Akteuren vor Ort gesucht werden, um diese in ihrer Arbeit zu unterstützen. Ähnliche Empfehlungen gab Dembowski in seiner Zeit als "Fananwalt" auch Vereinen in Deutschland. Als Experte für Fansozialarbeit sollte er dem russischen Verband dementsprechende Handlungsleitlinien raten.

Idee des WM Boykotts durch schwarze Fußballprofis

Mit Blick auf die zahlreichen rassistischen und homophoben Äußerungen allein in den letzten zwei Monaten ist klar: der Weg für den russischen Fußball ist noch sehr weit und das Klima in den Stadien wird sich bis 2018 nur minimal verbessern. Vergangenes Jahr äußerte Yaya Touré. Spieler beim FC Manchester United und wiederholt Opfer von rassistischen Beleidigungen bei Spielen gegen russische Vereine, in Hinblick auf 2018 für sich und andere schwarze Fußballprofis: "Wenn wir uns bei der WM nicht sicher fühlen, kommen wir nicht nach Russland." Zu Recht. 

 

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