In Polen sind deutliche Statements gegen Nazis in den Stadien leider nicht selbstverständlich
Screenshot Website Transparent Magazin

Die "Black Rebels"

Die antirassistische Fangruppe "Black Rebels" aus Warschau wurde in den vergangenen Wochen Opfer rechter Gewalt. Fakten und Hintergrundinformationen zur Situation in Warschau fasst Transparent-Redakteur Peter Römer zusammen, der sich mit der dortigen Lage intensiv beschäftigt hat.

Von Peter Römer

Fußball ist immer auch Politik. Dies gilt und galt für Deutschland, wie wir in der aktuellen Ausgabe des Transparent Magazins nachgewiesen haben und gilt ebenso in besonderer Weise für das zweitgrößte deutsche Nachbarland – Polen. Wenn Fußballfans an dieses Land und die Verhältnisse in der obersten polnischen Spielklasse, der Ekstraklasa denken, haben sie neben beeindruckenden und lautstarken Support in der Regel Hooliganismus und Nationalismus im Kopf. In der Tat sind organisierte Neonazis in den Fanszenen vieler Vereine präsent. So sind fremdenfeindliche und rassistische Auswüchse keine Seltenheit, oft aus einem falsch verstandenen Stolz zum Heimatland. Nicht zufällig werden nationalistische Demonstrationen – etwa jene am 11.November, dem polnischen Unabhängigkeitstag – von organisierten Hooligans und Ultras aus verschiedenen Fanszenen angeführt.

Es gibt aber auch eine andere, wenn auch kleine Strömung. Kulturelle Vielfalt, Ablehnung von Diskriminierung, progressive Subkultur - was in den Großstädten des Landes bereits Realität ist, keimt in einigen polnischen Stadien in einem sehr überschaubaren Rahmen. Es gab bereits in der Vergangenheit immer mal wieder kleinere Bewegungen, die sich gegen einen rechten Mainstream auf den Tribünen aussprachen. Eine Fanszene, die in dieser Hinsicht eine lange Tradition hat, ist jene von Polonia Warszawa, dem zweitgrößten Club der Hauptstadt. Zwar gab es auch hier seit den 90er Jahren Zaunfahnen mit faschistischer Symbolik, hier gehen seit vielen Jahren aber auch antifaschistische Punks und Red Skins ein und aus, die sich bereits früh mit Schals und Zaunfahnen bemerkbar machten. Lange Jahre über koexistierten diese politischen Strömungen auf "Kamienna"-Tribüne, der Fankurve. Polonia-Fans galten gemeinhin als weniger beleidigend als andere Fanszenen, teils wurde ihnen ein eher intellektueller Ruf angedichtet. Was auch immer von solcherlei Zuschreibungen zu halten ist – Fakt ist, dass es im Polonia-Stadion seltener zu fremdenfeindlichen Vorfällen kam als in anderen polnischen Stadien. Dies mag auch mit der Vereinsgeschichte zu tun haben. Der Warschauer Stadtteil, in dem Polonia beheimatet ist, ist Muranów. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten hier viele jüdische Polen, was einer der Gründe war, dass hier von den deutschen Besatzern das Warschauer Ghetto errichtet worden ist. Von hier wurden Hunderttausende in den Tod geschickt.

Hitler-Grüße, Keltenkreuze und rassistische Pöbeleien

Dies blieb für den Verein nicht folgenlos. Spieler und Mitglieder widersetzten sich den deutschen Besatzern und waren sowohl am Ghetto-Aufstand 1943 wie auch am Warschauer Aufstand 1944 beteiligt. Verein und Fans berufen sich bis heute auf diese Traditionslinie. Seit wenigen Jahren gibt es jedoch einen Rechtsruck in der Fankurve. Vorfälle wie die Enthüllung eines Keltenkreuzes bei Auswärtsspielen, fotographisch festgehaltene Hitler-Grüße auf dem Vereinsgelände und der rassistisch motivierte Versuch, einen schwarzen Fan aus der Kurve zu jagen veranlasste einige langjährige Polonia-Fans, diesem Treiben nicht länger zuzuschauen: Die "Black Rebels" wurden im Winter 2012/2013 gegründet. In der Tradition von Verein und Fanszene wurde als einer der ersten Maßnahmen ein Schal mit antifaschistischer Symbolik und einem durchgestrichenen Hakenkreuz gedruckt, der regen Absatz fand. Zudem stellten sich die "Black Rebels" nun bei Heimspielen in einem Block zusammen. Eine so deutliche öffentliche, antifaschistische Positionierung stellte in Polen ein Novum dar. Einige Wochen ging diese Entwicklung gut.

Dies änderte sich beim Heim-Derby gegen Legia Warszawa am 30.03.2013: Die »Black Rebels« wurden hier von faschistischen Polonia-Hooligans, die gemeinsam mit ihren Freunden von Sandecja Nowy Sacz agierten, von der Tribüne vertrieben. Einer Stellungnahme der "Black Rebels" zufolge kamen bei dem Spiel erstmals nationalistische Parolen aus den Reihen der faschistischen Polonia-Fans, was einen Tabubruch darstellte. Gegen diese Parolen versuchten die »Black Rebels« zu intervenieren. Die faschistischen Hooligans nahmen, den "Black Rebels" zu Folge, dann eine durchgestrichene Fahne mit Hammer und Sichel ab und behaupteten im Nachgang, sie wäre von den "Black Rebels" gestohlen worden, bevor die Auseinandersetzung begann. Dies wird von den "Black Rebels" in einer Stellungnahme entschieden zurückgewiesen. Während des Vorfalls skandierte die eine Seite "Nationales Polonia", die "Black Rebels" hingegen "Antifa, Antifa". Hintergrund für dieses Vorgehen ist den Bekundungen der "Black Rebels" zufolge eine Absprache der Polonia-Faschos mit ihren Konkurrenten von Legia. Letztere sind in Warschau federführend bei nationalistischen Demonstrationen tätig. In der Vergangenheit gab es bei ebensolchen Demonstrationen Auseinandersetzungen zwischen Legia- und Polonia-Fans. Nun aber sollte laut Infos der "Black Rebels" den nationalistischen Polonia-Fans der Zugang zu nationalistischen Demos erlaubt werden, wenn diese die Linken auf ihrer Tribüne verjagen würden.

Zum ersten Mal gab es so etwas wie eine antifaschistische Fankurve

Beim darauf folgenden Heimspiel von Polonia gegen Slask Wroclaw fuhren die "Black Rebels" einen deeskalierenden Kurs und gingen von sich aus statt in die Fankurve auf die Haupttribüne des Stadions, um den normalen Fans zu signalisieren, dass ihnen nicht an einer Fortsetzung der Auseinandersetzungen gelegen ist und sie sich vor allem für Polonia interessieren. Sie ignorierten Provokationen der "Kamienna"- Tribüne und sangen ausschließlich Polonia-Lieder. Zum ersten Mal gab es im polnischen Fußball so etwas wie eine antifaschistische Fankurve. Die Gruppe versucht nun auf der Haupttribüne ihren antifaschistischen Weg konsequent weiter zu gehen. Es ist von Deutschland aus nur äußerst schwer nachzuempfinden, wie schwierig ein solches Bekenntnis im polnischen Fußball ist. Entsprechend kann der Respekt für diesen Schritt gar nicht groß genug sein. Für die Zukunft einer alternativen Fankultur in Polen ist es ein symbolisches und wichtiges Zeichen, dass die "Black Rebels" versuchen, ihren Weg unbeirrt weiter zu gehen.

Textübernahme mit freundlicher Genehmigung von

transparent-magazin

In seinem Online-Shop verkauft das Transparent-Magazin aktuell Schals der "Black Rebels", um die Gruppe finanziell zu unterstützen.

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