Beim Halbfinale im Brandenburger Landespokal Babelsberg gegen Cottbus rauchte es häufig.
Sören Kohlhuber

Cottbus mit rechten Ultras beim Halbfinale in Potsdam

Das Halbfinale im Landespokal zwischen dem SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus – 15.04.2015 | 0:2 |  5251 Zuschauer

Licht, Rauch, Provokationen und ansehnlicher Fußball machten dieses Match zu einem echten Leckerbissen, der leider durch antisemitische, antiziganistische und rassistische Vorfälle einen faden Beigeschmack behalten hat.

Von Rainer Fox

SV Babelsberg 03 gegen Energie Cottbus - war da nicht mal was? Nee! Denn die letzte Pflichtspielansetzung der beiden ersten Mannschaften ist fast 30 Jahre her. Doch sollten dem geneigten Fußballfan sofort zwei, drei andere Punkte einfallen, die dieses Spiel durchaus attraktiv erscheinen lassen.

Zu nennen ist hier die finanzielle Notlage der Potsdamer, die über den Einzug ins Finale und die damit verbundene Geldspritze sicherlich dankbar gewesen wären. Es war also zu erwarten, dass sich alle blau-weißen kräftig ins Zeug legen. Weitere Faktoren stellen natürlich die Spielstätte und die Anstoßzeit dar. Das "KarLi" in Babelsberg ist ein Stadion von dem es leider nicht mehr viele in Deutschland gibt und daher immer eine Reise wert. Dazu noch Flutlicht und Derbycharakter, beste Umstände also für einen Abend voller Emotionen und Pyrotechnik.

Politisch brisantes Spiel

Der im Vorfeld am stärksten diskutierte Punkt war aber die politische Selbstdarstellung der beiden Fanszenen. Babelsberg mit dem Filmstadt Inferno bekennt sich offen als antifaschistisch und war bis Ende letzten Jahres außerdem Mitglied im linken Alerta-Network. Es gibt viele Fanfreundschaften, beispielsweise mit Sankt Pauli und den Dissidenti aus Düsseldorf.

Bei den Gästen aus Cottbus finden sich Ultras wie die im Heimstadion verbotenen rechte Gruppe Inferno Cottbus, Collettivo Bianco Rosso oder WK13. Alle sind Ultras / Fans vom FC Energie Cottbus und in der Vergangenheit häufig durch rassistische und antisemitische Vorfälle negativ in Erscheinung getreten. So hat Inferno Cottbus vor 10 Jahren beim Spiel gegen Dynamo Dresden eine Fahne mit der Aufschrift "Juden" inklusive Dynamo-Emblem gezeigt. Rassistische Fangesänge gehören in der brandenburgischen Stadt immer noch zum Standardrepertoire und wenn man tiefer in die Fanszene von Cottbus eintaucht, werden die Überschneidungen zur regionalen Neo-Nazi-Szene in Südbrandenburg ersichtlich. Die engste Verbindung auf Ultra-Ebene besitzt Cottbus mit den NS-Boys (New Society) aus Chemnitz. Diese treten offen neonazistisch auf und sind bundesweit bekannt. Eine weitere Freundschaft pflegen die Rot-Weißen nach Polen zu den Ultras von Beskid Andrychów.

Flutlicht an, Augen auf

Die Gruppen Ultima Raka, Inferno Cottbus und Collettivo Bianco Rosso forderten einige Wochen vor dem Spiel alle Cottbusser Fans zum Boykott auf, da die Ticketpreise mit 15 Euro für einen Stehplatz übertrieben schienen. Als die ersten Gerüchte von einem Schlagabtausch zwischen Inferno Cottbus und Babelsberger Fans ein halbe Stunde vor Spielanpfiff die Runde machten, war jedoch klar, dass das mit dem Boykott wohl nur heiße Luft war. Brenzlig wurde die Luft zu Spielbeginn dann sowohl in der Nordkurve als auch im Gästeblock.

Das Filmstadt Inferno zeigte zu Beginn eine Wende-Choreografie aus Papptafeln sowie zwei Blockfahnen mit Pokal und Vereinsemblem. Untermalt wurde das Ganze mit 14 weißen Bengalen.

Cottbus zündete eine ordentliche Ladung schwarzen Rauch und zeigte ein Spruchband mit der Aufschrift "Filmstadt-Zecken sind widerlich. Euch fressen selbst die Schweine nicht".

Und los ging es! Babelsberg legte auf den Rängen mächtig los. Der Cottbusser Support zeigte sich eher durchwachsen. Ultima Raka bemühte sich, konnte allerdings nur circa 50 -70 Leute zum dauerhaften mitsingen animieren. Nur bei Klassikern zog kurzzeitig auch der komplette Gästeanhang von circa 1000 Leuten mit. Dann wurde es teilweise ziemlich laut. Inferno Cottbus, Collettivo Bianco Rosso und WK13 positionierten sich abseits von Ultima Raka in Richtung Nordkurve und fielen weniger durch Support als eher durch Hitlergrüße, "Asylanten"-Sprechchöre und einer Fahne mit der Aufschrift "ZCKN.ZGNR&JDN" (aka Zecken.Zigeuner & Juden) negativ in Erscheinung. Unterirdisch!

Ganz finster waren die Fanäußerungen im Gästeblock. Hier ein Spruchband mit der Aufschrift "Zckn, Zgnr & Jdn" (Zecken, Zigeuner & Juden) in Bezug auf die Babelsberger Fans. (Quelle: Sören Kohlhuber)

Auf dem Platz fiel in der ersten Halbzeit ein ansehnliches Tor für Cottbus. Sonst spielte Babelsberg gut mit und konnte auch eine Handvoll sehr guter Torchancen für sich verbuchen. Spielerische Unterschiede waren kaum zu sehen.

In der Halbzeit kostenlose Bierdusche und Stadionverweis für Thor Steinar

In der Halbzeitpause überschlugen sich die Ereignisse. Cottbus und Babelsberg zündeten auf beiden Seiten Böller und ab und zu rauchte es im Gästeblock. Hinter der Nordkurve versuchte die Polizei zwei vermeintliche Pyromanen festzunehmen, was aber schwierig war. So kam es zum kurzen Schlagabtausch mit kostenloser Bierdusche. Zwischendurch verwiesen die Ordner einen verirrten Thor-Steinar-Träger aus der Nordkurve und vom Stadiongelände.

In Halbzeit zwei hörte man es wieder knacken und der Geruch von gezündetem Rauchpulver strömte durch die Abendluft. Die Babelsberger Fans sorgten für eine große blaue Wolke gespickt mit Bengalen. Auch die Cottbusser Kurve zündete kurz vor Wiederanpfiff eine großzügige Ladung roten Rauch und Magnesiumfackeln. Babelsberg zeigte einige Spruchbänder, die den Kohleabbau um Cottbus thematisierten und dann auch eine Tapete, auf der in sorbisch zu lesen war "Wer das lesen kann, ist doof". Wie die Babelsberger Kurve dies vor sich selbst rechtfertigen kann, bleibt wohl ihr Geheimnis. In Potsdam gibt es eigentlich keine Akzeptanz für Witze über Randgruppen und Minderheiten, wie die Sorbische Minderheit in Brandenburg und Ostsachsen.

Rassistische Gesänge von Cottbus und Spielunterbrechung

Mit einem weiteren Spruchband forderte die Potsdamer Kurve "Asylrechtsverschärfung stoppen". Das bot den Anlass für den Cottbusser Anhang rassistische Gesänge anzustimmen und Böller Richtung Babelsberger Kurve zu werfen. Kurzzeitig entstand ein reger Austausch von Knallkörpern zwischen den verfeindeten Blöcken. Als ein Bengalo Richtung Nordkurve segelte, sprangen die ersten Babelsberger über den Zaun auf den Platz und das Spiel wurde unterbrochen. Cottbus ließ sich nicht lange bitten und erklomm ebenfalls den Zaun mit dem Ziel die Qualität des heutigen Spieluntergrundes zu testen. Die Polizei reagierte schnell auf diesen unangemeldeten Rasen-Check, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Im Anschluss wurde es wirklich laut, beide Seiten zeigten starken Support in den nächsten Minuten. Nur die Fahnen wurden vorsorglich von den jeweiligen Fanszenen abgenommen und das Spiel konnte nach der Unterbrechung weitergehen. Die Babelsberger Spieler drückten jetzt auf dem Platz und kamen dem Ausgleich ziemlich nahe. Ein wirklich sehenswertes Spiel zu diesem Zeitpunkt. Die Blau-Weißen auf dem Platz warfen alles nach vorne und waren hinten damit offen wie ein Scheunentor. Dadurch konnte Cottbus zur 90. Minute eine gute Freistoßsituation erzwingen, die schlussendlich zum 0:2 Endstand führte. Der Gästeanhang natürlich total am durchdrehen. Kurz danach war Schluss und die Anhänger*innen beider Vereine feierten ihr jeweiliges Team. Cottbus dann relativ schnell aus dem Block und anscheinend auch ohne größere Vorfälle abgereist. Die Babelsberger Fans liefen mit einem ansehnlichen Tifo und einer Menge Rauch in Richtung Kneipe bzw. Bahnhof. Auch hier sollte es keine Probleme mit den Gästen mehr geben.

Gegen Ende zeigten die Babelsberg Fans ein Spruchband, das sich auf die rechtsextreme Ultragruppe "Inferno Cottbus" (IC) bezog. (Quelle: Sören Kohlhuber)

Alles in allem ein attraktives Halbfinale mit zwei ebenbürtigen Mannschaften. Die ganze Atmosphäre war beeindruckend und ziemlich geil. Dass sich bei diesem Spiel politisch unschöne Szenen abspielen könnten, war wohl den meisten bewusst. Und leider hat sich Cottbus so verhalten, wie erwartet. Da passten die Spruchbänder von Babelsberger Seite wie "Nazischweine" mit hervorgehobenen "I" und "C" für Inferno Cottbus oder "Heut' kein Fackelmarsch ihr Fußballfans?" genau.

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