Gerd Liesegang ist Vizepräsident im BFV für Qualifizierung und Soziales und als solcher auch aktiv gegen Homophobie im Berliner Fußball und für die Gleichheit vorm Ball.
Redaktion FgN

Berliner Fußball-Verband gegen Homophobie: "Das muss von unten kommen!"

Der Berliner Fußball Verband kümmert sich um die Organisation des Spielbetriebs im Amateur- und Jugendsport. Hier arbeiten Viele mit Enthusiasmus im Ehrenamt für die schönste Nebensache der Welt. Neben der Organisierung von 1600 Spielen pro Woche, die auf Berliner Rasenplätzen und in Halle stattfinden, setzt sich der Verband aber auch für Vielfalt am Ball und gegen Homophobie ein. Dazu hat Fussball-gegen-Nazis.de Gerd Liesegang, den BFV-Vizepräsidenten für Qualifizierung und Soziales, befragt.

FgN: Welche Aktivitäten gegen Homophobie unternimmt der BFV denn genau?

GL: Wir sehen unsere Aufgabe besonders in der Sensibilisierung und Aufklärungsarbeit, richten uns dabei auf die Spieler und Schiedsrichter. Mit "Rote Karte für Homophobie" haben wir einen Leitfaden herausgegeben, der sich primär an die Unparteiischen richtet, aber auch für Trainer, Spieler, Eltern, Fans und Vereine gültig ist. Um genauer auf die Vereine einzugehen, gibt es für diese eine zweite Version der Broschüre. Der Fokus ist auf den Jugendmannschaften, gerade da gibt es noch viel zu entwickeln.
Dabei arbeiten wir immer eng mit dem Lesben- und Schwulenverband Berlin (LSVD) zusammen. Wenn sich Spieler oder auch Schiedsrichter bei uns mit Fragen zum Coming out melden, vermitteln wir sie zum LSVD, die eine Begleitung und Ratschläge geben können. Einige Schiedsrichter und auch Spieler konnten sie schon begleiten. Sonst versuchen wir zur Sensibilisierung besonders in Jugendmannschaften mit dem LSVD das Thema zu platzieren und Gespräche zu führen. Wir geben dem Verein auch bei unseren Veranstaltungen immer eine Plattform, sich da als Partner zu präsentieren. Im Ausschuss Ehrenamt ist der LSVD mit einer beratenden Stimme fest vertreten.

Es gibt ja einige Aktionen vom BFV, wie das "Anonyme Postfach" oder "Soccer Sound"?

Insgesamt sehen wir uns mehr in der Beratung und Unterstützung für junge Menschen ihre Sexualität auch in den Vereinen offen zu leben. Aber der Kampf gegen Homophobie ist immer ein Querschnittsthema.

"Soccer Sound" ist aber ein Flyer vom LSVD, den wir mit herausgegeben haben, auch hier ist wieder das Ziel zu sensibilisieren. Der Fokus liegt auf Sprache, da auch aufzuklären, wie verletzend sie gerade auf dem Fußballplatz sein kann. 

Gehört die Aktion "Sprachfoul" da dazu?

Das ist neu. Dazu haben wir gerade einen Flyer aufgelegt, der eine Aktion vom Verein Viktoria Mitte vorstellt. Die finden wir gut, weil es darum geht, im Jugendfußball das Bewusstsein für Sprache zu verändern. Spieler, die ein Schimpfwort benutzen, müssen sich umgehend entschuldigen und sechzig Sekunden pausieren, das verändert die Wahrnehmung auf die eigene Sprache während dem Spiel, die eben gerade auf dem Platz stark verletzend sein kann. In den letzten Jahren hat die körperliche Gewalt abgenommen, aber verbale Gewalt ist weiterhin da und kann tief treffen.

Was wären Beispiele für Sprachfouls?

Na so "schwuler Pass" oder "Du spielst wie eine Tunte". Das sind alles Sachen, die akzeptieren wir nicht. Wir haben in Gesprächen mit Jugendlichen festgestellt, wie selbstverständlich solche Begriffe sind und da müssen wir Älteren aufmerksam werden und dürfen das nicht weiter hinnehmen. Wenn Trainer und Jugendleiter das so stehen lassen, dann kann sich wenig verändern.

Dieses "Anonyme Postfach", da hatte ich einen Flyer in den Hand, was kann ich mir darunter vorstellen?

Es gibt immer wieder Vorfälle, zu allen Themen. Ursprünglich hatten wir das angedacht, um Coming-Outs zu erleichtern, also wenn Menschen bei uns dazu lieber anonym Hilfe suchen wollen. Wir garantieren, dass wir innerhalb von 5 Tagen antworten und Unterstützung, wie durch den LSVD, vermitteln. Jetzt ist das Postfach aber offen für alle Themen, auch wenn es um Kinderschutz, sexuelle Belästigung oder andere Gewalttaten geht. Darüber können sich auch Eltern an uns wenden, die etwas im Verein beobachtet haben, sich aber nicht an den Verein selbst wenden wollen.

Wenn Sie sagen, es gab Coming-Outs, wie oft kommt das so vor? Es scheint ja hier offener, als im Profi-Fußball zu sein!

Also es gab vor allem Schiedsrichter, die sich geoutet haben, auch ein oder zwei junge Spieler. Die Resonanzen sind da sehr positiv. In einigen Jahren denke ich, dass das ein ganz normales Thema sein wird. Ich bin da auch kein Freund von, dass sich ein Großer outen muss. Ich denke das muss von unten wachsen. Für uns ist das wichtig, dass wir Trainer sensibilisieren, dass diese Jugendliche kompetent und vorurteilsfrei begleiten, wenn Kinder ihre sexuelle Richtung suchen und Erfahrungen machen.

Welche Partner gibt es noch im Kampf gegen Homophobie?

Einerseits Vereine, wie Discover Football Kreuzberg, die sich für Frauenfußball stark machen. Dann den SV Seitenwechsel, der sich speziell an Frauen, Lesben und Transsexuelle richtet. Da ist Tanja Walther-Ahrens aktiv, die uns auch immer wieder im Verband auf Schwächen und Möglichkeiten zur Veränderung aufmerksam macht. Außerdem arbeiten wir mit der Berliner Polizei zusammen, wenn es um Gewaltprävention geht. Und auch mit der Initiative "Berlin gegen Gewalt", das aber mehr im Bereich des Kinderschutzes. Da geht es auch darum, die Kinder zu stärken, ihnen zu zeigen, wie sie Grenzen setzen und sich selbst schützen. Aktuell gibt es dazu die Aktion "Hier endet Spiel".
Das sind alles Aktivitäten, die wir mit Hilfe von professionellen Partnern anschieben. Wir sind selbst keine Fachleute, aber wir können mit deren Unterstützung so einiges auf die Beine stellen.

Was unternimmt der BFV zum Thema Sexismus?

Wahrscheinlich aus Sicht der Frauen viel zu wenig! Ich denke, wir sind da dank vieler Frauen im Verband schon stärker sensibilisiert, müssen aber noch aktiver werden. Gerade Tanja hält uns da einen Spiegel vor, es ist ja doch noch ein sehr männerdominierter Sport. Und es gibt immer wieder personelle Wechsel, weil wir hier und auch in den Vereinen alle ehrenamtlich arbeiten. Manchmal denkt man auch einfach nicht daran, wie im Schriftverkehr und bei Veröffentlichungen, die weibliche Form mit zu nutzen. Da müssen wir noch viel lernen und verändern.

Gibt es eine konkrete Förderung von Frauen- oder Mädchenfußball?

Ja schon. Also wir haben eine eigene Kommission, da bereitet Tanja Walther-Ahrens vor bis 2017 einen richtigen Ausschuss für den Frauensport bei uns einzurichten. Wir haben auch in allen Ausschüssen, egal ob es um Jugend- oder Erwachsenenfußball geht, starke Frauen, die sich um die Themen kümmern. Wir haben ein Mädchenprojekt, das in den Schulen aktiv ist, um den Fußball nach vorn zu bringen und mehr Mädchen in die Vereine zu holen. Aber manchmal gibt es einfach organisatorische Schwierigkeiten, wie dass nicht alle Sportanlagen darauf ausgelegt sind, weil es zum Beispiel zu wenige Kabinen gibt. Im Verhältnis von 3300 Teams sind aber nur ca. 330 Frauenmannschaften, davon aber zunehmend Mädchenmannschaften. Die Überzahl der Herren ist noch da.

Um noch mal auf die Schiedsrichter zurück zu kommen: ich habe gehört, dass es im Amateurfußball und nicht nur in Berlin, zunehmende Gewalt gegen die Unparteiischen gibt. Wie stellt sich das in Berlin dar?

Da kommen wir genau wieder auf das Thema Sprache. Wir machen uns schon Sorgen, wie Schiedsrichter behandelt werden. Körperliche Gewalt ist rückläufig. In erster Linie geht es verbal zu, Beleidigungen und Drohungen häufen sich. Gerade auf den Fußballplätzen denken ja viele, dass sie ihr Benehmen am Eingang lassen können, manche Menschen erkennt man gar nicht wieder, wenn sie auf dem Platz sind. Wir sind da auf jeden Fall feinfühliger geworden und sanktionieren das auch. Früher hätte man eher geschwiegen, das hat sich geändert. Wir stehen dahinter, dass wir das Problem erkannt haben, fordern aber auch mehr Zivilcourage und dass man auch mal Flagge zeigt.  

Das Interview führte Laura Piotrowski.

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