Coverausschnitt von "Dieses Spiel dauert länger als 90 Minuten"

Antidiskriminierung im Amateurfußball

Nicht nur das Runde muss ins Eckige beim Fußball, sondern manchmal auch vorurteilsfreies Denken in intolerante Köpfe. Wie das gelingt, zeigt die Broschüre "Dieses Spiel dauert länger als 90 Minuten" des Berliner Fußball-Verbandes und des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin.

Von Philipp Wagner

Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika ist längst vorbei und die deutsche Nationalmannschaft gilt im eigenen Land als Beispiel für Integration und Toleranz. Auf den Sportplätzen der deutschen Amateurligen sieht die Situation oft anders aus. Der Berliner Fußball-Verband e.V. und der Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. haben deshalb eine Broschüre unter dem Titel "Dieses Spiel dauert länger als 90 Minuten" herausgegeben, die sich mit Antidiskriminierungsmaßnahmen im Amateurfußball auseinandersetzt. Thema sind dabei nicht die immer wieder in den Medien auftauchenden Fälle unsportlicher Gewalt bei sogenannten "dritten Halbzeiten", sondern Alltagsrassismen und verbale Attacken auf und neben dem Platz.

Gegen alle Formen von Rassismus, Antisemitismus und Sexismus

Die Broschüre richtet sich gegen alle Formen von Rassismus, Antisemitismus und Sexismus. Pöbeleien dieser Art von Spieler- oder Fanseite bleiben oft ungeahndet und werden teilweise als normal empfunden bzw. nicht als diskriminierend erkannt. Als ausschlaggebend für diese Situation wird vor allem das fehlende Problembewusstsein oder die Unsicherheit im Umgang mit entsprechenden Situationen bei Schieds- und Sportrichterinnen und –richtern sowie den Übungsleiterinnen und –leitern benannt. Diese Wissenslücke zu schließen, ist das Anliegen der Broschüre. Vorausgegangen ist die Entwicklung und Erprobung eines Konzepts für Fortbildungen der genannten Zielgruppen.

Vorgestellt werden, nach dem einleitenden Umreißen der Problematik und Erklärung einzelner Diskriminierungsformen, die einzelnen Fortbildungsangebote. Dabei wird jeweils auf die Ausgangslage und Rolle der einzelnen Akteure eingegangen. Inhalte der Fortbildungen sind unter anderem Erkennungszeichen rechtsextremen Lifestyles, Bewusstseinsschaffung für diskriminierende Inhalte und selbstreflektierende Diskussionen anhand konkreter Fallbeispiele. An eine Beschreibung der Fortbildung folgt jeweils die Vorstellung und Auswertung der Ergebnisse.

Richtig reagieren auf Stammtischsprüche

Abgerundet wird die Broschüre durch zwei Interviews. Zuerst kommt der Schiedsrichter Robert Wessel zu Wort der von seinen eigenen Erfahrungen und der Teilnahme an der Fortbildung berichtet. "Vor allem wenn Mannschaften aus unterschiedlichen Regionen und mit Spielern mit Migrationshintergrund aufeinandertreffen, hört man oft diese Stammtischsprüche wie 'Was will denn der hier' oder 'Fahr doch wieder nach Hause’. Hier dann rechtzeitig und richtig zu reagieren – das ist, glaube ich, für uns das größte Problem", beschreibt Wessel die Situation der Schiedsrichter.

Mehmet Matur, Präsidialmitglied für besondere Aufgaben des Berliner-Fußball-Verbands, ist der zweite Interviewte und beantwortet Fragen zum Thema Integration im Fußball. Er sieht vor allem Chancen, die Integration zu verbessern, indem "Vereinsmitglieder mit Migrationshintergrund stärker in die Vereinsarbeit miteinbezogen werden."

Als Handreichung für Interessierte umfasst der Anhang einen Serviceteil mit den erarbeiteten Handlungsempfehlungen des Berliner Fußball-Verbandes gegen Rassismus und Musterstadionordnungen mit Blick auf Antidiskriminierung sowie eine Material- und Adressenliste. Insgesamt bietet die Broschüre einen guten Einstieg und Überblick zur Thematik Antidiskriminierungsmaßnahmen, der sich auch auf andere Sportarten übertragen lässt, sodass in Zukunft weder Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus ein Heimspiel hat.

Zum  Download der Broschüre bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) geht es hier.

Dieser Text erschien zuerst auf Mut gegen rechte Gewalt.

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