"Das Wichtigste ist eine glasklare Abgrenzung"

Wolfgang Bosbach (55) ist Vize-Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Innen- und Rechtspolitiker wird zum konservativen Flügel der Union gezählt

Herr Bosbach, das Bundesamt für Verfassungsschutz hat gestern seinen Bericht für 2007 vorgelegt. Es warnt vor einem Vordringen von Neonazis in die Mitte der Gesellschaft. Wie gefährlich ist der Rechtsextremismus derzeit?

Wir haben zwei besorgniserregende Entwicklungen. Zum einen die zunehmende Gewaltbereitschaft – mittlerweile haben wir es in der Szene nicht mehr nur mit Ewiggestrigen zu tun, sondern auch mit jungen, militanten Neonazis. Zum anderen das gegenseitige Aufschaukeln von Linksextremismus und Rechtsextremismus, wie wir das am 1. Mai in Hamburg erleben konnten.

Die dortige Polizei hat hinterher betont, die Gewalt ging eindeutig von den Rechtsextremisten aus, die gezielt Journalisten, Gegendemonstranten und auch Polizisten angegriffen haben.

Ja.

Ist das eine neue Sicherheitslage?

Die Sicherheitslage ist nicht grundlegend verändert, aber es setzt sich ein Trend fort, den wir schon seit Jahren beobachten. Während das NPD-Verbotsverfahren lief, hat sich die Partei betont zurückgehalten. Nachdem es aber krachend gescheitert ist, tritt die NPD dreister auf als je zuvor.

Sicherheitsbehörden und der Verfassungsschutz allein können das Problem des Rechtsextremismus sicherlich nicht lösen – das geht die gesamte Gesellschaft an und damit auch konservative Demokraten. Welche Rolle können rechte Demokraten in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus spielen?

Das Wichtigste ist eine glasklare Abgrenzung, es darf da überhaupt keine Grauzone geben. Ein Konservativer hat mit Rechtsextremisten nichts, aber auch überhaupt nichts am Hut. Den Unterschied kann man sehr schön deutlich machen beim Thema Zuwanderung und Integration. Der Rechtsextremist sagt: „Ausländer raus!“ Der Konservative aber sagt: „Bemüht Euch um Integration!“ Aber natürlich dürfen die Demokraten auch nicht das Nationale den extremen Rechten überlassen.
Klar ist: Wer Springerstiefel trägt und ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ausländer raus!“, der glaubt, er handele patriotisch – dabei benimmt er sich nur idiotisch. Ein Konservativer würde niemals das Ansehen seines Landes beschädigen, im Gegenteil. Dem Konservativen liegt ja gerade sein Land am Herzen. Wer sich aber in genannter Weise positioniert, der schädigt das Ansehen seines Landes in der ganzen Welt.

Ressentiments gegen Juden …

… würde ein Konservativer auch niemals verbreiten. Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit – das hat alles nichts mit Konservativismus zu tun!

Die Unions-Fraktion im Bundestag hat vor ein paar Jahren den Abgeordneten Martin Hohmann ausgeschlossen, nachdem er in einer Rede antisemitische Stereotypen verwendete und sich davon nie distanziert hatte. Ist die Grenze zum Rechtsextremismus klar zu ziehen?

Dort wo es Grauzonen oder fließende Übergänge gibt, dürfen wir sie nicht tolerieren – so wie von links zu linksextrem auch. Aber eine solche Frage kann nicht abstrakt beantwortet werden, sondern immer nur anhand des konkreten Falles. Die jungen, militanten Rechtsextremisten jedenfalls knüpfen an die Sprache und des Gedankenguts der Nazis im Dritten Reich an. Die Union jedoch ist entstanden aus den Katakomben des Widerstandes heraus! Es war ja eine ganz maßgebliche Strömung bei der Gründung von CDU und CSU, dass es keinen Totalitarismus mehr geben darf. Wer glaubt, es gäbe so etwas wie eine Nähe, weil die Union auch einen konservativen Flügel hat, dem sage ich: ganz im Gegenteil! Gerade WEIL wir einen konservativen Flügel haben, werden wir auch immer Aufstehen gegen jede Form von Extremismus.

In dieser Grauzone bewegt sich auch ein Blatt wie die „Junge Freiheit“. Sie haben mal kategorisch gesagt, sie würden dieser Zeitung nie ein Interview geben…

… und dabei bleibt es auch! Die „Junge Freiheit“ hat sich einige Zeit redlich darum bemüht, mich für ihre Zwecke einzuspannen, was ich immer abgelehnt habe. Anschließend erschien dann ein wüster Artikel, der mich in die Nähe von Kommunisten gerückt hat. Seitdem weiß ich, dass es richtig war, um diese Publikation einen Bogen zu schlagen.

Die Fußball-Europameisterschaft steht bevor. Vor zwei Jahren während der WM gab es hierzulande eine neue Art von Patriotismus und einen neuen Umgang mit Nationalsymbolen. Hat das dauerhaft etwas in Deutschland geändert?

Das war erstmalig, aber hoffentlich nicht einmalig. Das war ein unverkrampfter, fröhlicher Patriotismus, der nichts mit Nationalismus zu tun hat. Patriotismus ist Vaterlandsliebe; der Nationalist aber erhebt sich über andere Völker und Länder, denn er glaubt, er sei etwas besseres, nur weil er einer bestimmten Nation angehört. Und das ist abzulehnen.
Wir waren vor zwei Jahren nicht nur fröhliche Patrioten, sondern auch gute Gastgeber. Und das hat man weltweit wahrgenommen. Das Schönste ist doch: Neunzig Minuten lang wie eine Wand hinter der eigenen Mannschaft stehen – und anschließend dem Gegner für seine Leistung stehend applaudieren.

Das Interview führte Toralf Staud

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