Brandanschlag am 25.08.2015 auf geplante Geflüchteten-Unterkunft in Nauen
dpa/pa

Brandanschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte: Was erwartet Täter/innen?

Viele Täter, die Anschläge auf Flüchtlingsheime verüben, werden weiterhin nicht gefasst. Aber was erwartet diejenigen, die vor Gericht kommen? Ist es abschreckend genug? Belltower.News hat recherchiert.
 

Von Alina Darmstadt

 

Im Februar 2017 wurde der NPD-Politiker Maik Schneider wegen des Brandanschlags auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen zu acht Jahren Haft verurteilt . Zusätzlich erhielt er für andere rechtsextrem motivierte Delikte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Einen weiteren Neonazi verurteilte die Staatsschutzkammer als Mittäter zu sieben Jahren Gefängnis.

Brandanschläge, Molotowcocktails, Hakenkreuz-Schmierereien, Aufmärsche mit Beleidigungen. Bewohner_innen von Geflüchtetenunterkünfte sind nicht nur in Gefahr, sondern müssen auch immer mehr erdulden. Immer mal wieder gibt es Prozesse und Urteile die auf ein großes mediales Interesse stoßen. Oft bleiben die Täter_innen aber unbekannt.

Dem Bundesjustizministerium selbst ist nicht bekannt, wie die Verfahren wegen rassistischer Straftaten ausgehen, denn es führt keine eigene Statistik. Vor allem Brandanschläge werden vor Gericht verhandelt und die Täter_innen verurteilt. Für 2016 listet die Chronik flüchtlingsfeindlicher Vorfälle  insgesamt 3767 Angriffe auf Asylsuchende und ihre Unterkünfte. Darunter allein 116 Brandanschläge. Mit den für 2015 gelisteten 125 ergeben sich für beide Jahre 241 Brandanschläge. 

Aber wie sieht die Bilanz der Verurteilung in anderen Fällen aus? Kommt es überhaupt zur Anklage und wie fällt das Strafmaß aus?

Eine Recherchegruppe der ZEIT zeigt 2015, in wie vielen Fällen der 222 gelisteten schweren Attacken gegen Geflüchteten-Unterkünfte, Urteile gefällt wurden. Traurige Bilanz: lediglich 4 Verurteilungen und 8 weitere Fälle, in denen es zur Anklage kam. Das heißt, in 5% der Angriffe kam es überhaupt erst zum Prozess.

 

Warum kommt es so selten zur Anklage und Verurteilung?

Oft liegen die Gründe einfach in der Natur der Taten. Sie passieren nachts und Molotowcocktails und Stahlkugeln werden aus Autos gefeuert, sodass die Täter_innen schnell fliehen können. Brände zerstören alle Beweise und damit die Ermittlungserfolge. Ein weiterer Grund: Viele Geflüchtetenunterkünfte liegen abseits und niemand kann die Attacke bezeugen. Häufig scheinen auch Nachbarn die Attacken zu billigen, solange die Gebäude unbewohnt sind und niemand gefährdet wurde.

Amnesty International kritisiert weiterhin, dass ein einheitliches Schutzkonzept für Geflüchtetenunterkünfte fehlt und es immer wieder vorkommt, dass einschlägig vorbestrafte Rechtsextreme als private Sicherheitsmitarbeiter_innen für den Schutz der Einrichtungen beauftragt werden. Auch und vor allem in Ostdeutschland sinken die personellen Verfügbarkeiten der Polizei und die Ermittlungen werden erschwert. 

 

241 Attacken – 26 Urteile nach Recherche

Im Fall des Brandanschlags mit einem Molotowcocktail in Hirschau  äußerte der Angeklagte im Prozess:  „Ich wollte die Asylbewerber nur erschrecken, wollte, dass es richtig bumm macht, ihnen zeigen, dass es so nicht geht“. Es scheint, als würden solche Fälle als legitimes Mittel des Protests gebilligt. Tatsächlich billigen hier die Täter_innen auch mögliche Verletzte oder Tote. So sehen es auch die Gerichte und Staatsanwaltschaften. Häufig lautete die Anklage “Brandstiftung“ oder versuchte Brandstiftung. Spätestens aber mit dem Prozess um die Gruppe „Freital“, die mehrere Sprengstoffanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte geplant hat, ist in den Anklageschriften vor Gericht eine deutliche Verschärfung erkennbar. Anklagen wegen versuchtem Mord und schwerer Körperverletzung dominieren die Schuldsprüche und die mehrjährigen Gefängnisstrafen. In der medialen Berichterstattung finden sich für den Zeitraum 2015/2016 Berichte über insgesamt  26 solcher Verurteilungen. Die Aufklärungs- und Urteilungsquote steigt damit zumindest auf 10% an.

 

Was kommt zur Anklage, wie wird verurteilt und bestraft? Gerichtsprozesse Sammlung 2015-2017

+++2015+++

  • Escheburg - 09.02.2015 - Brandanschlag mit Farbverdünner, keine Verletzten

Urteil: Brandstiftung - Bewährungsstrafe zwei Jahre                                                          

Quelle: Spiegel

 

  • Hofheim - 11.04.2015-Gaspistolenschüsse auf Flüchtlingsunterkunft

Urteil: stationäre Entwöhnung und Suchttherapie wegen Alkoholeinfluss

Quelle:  FR

 

  • 01.05.2015 - Vorbereitungen zur Begehung eines Sprengstoffanschlags auf eine bewohnte Asylbewerberunterkunft

Urteil: Anklage Mitglieder der rechtsextremen Vereinigung „Oldschool Society“; Bildung terroristischer Vereinigung, 2 Rädelsführer der Gruppe: fünf Jahre Haft; und viereinhalb Jahre Haft; 3. Angeklagte: Haftstrafe drei Jahre und zehn Monate, der 4. Angeklagter: drei Jahre Haft.

Quelle: TagesspiegelSüddeutsche

 

  • Hoyerswerda - 03.06.2015 - Brandstiftung mit Molotowcocktail auf Flüchtlingsunterkunft

Urteil: Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und Verstoß gegen das Waffengesetz – 1. Täter: Freiheitsstrafe neun Monate; 2. Täter: ein Jahr und vier Monate Haft; trotz zahlreicher Vorstrafen rechtsmotivierter Straftaten, wurden die Freiheitsstrafen für einen Zeitraum von drei bzw. fünf Jahren auf Bewährung ausgesetzt; 3. Täter: Verwarnung 150 Stunden gemeinnützige Arbeit; 4. Täter: Strafe 100 Euro.

Quelle: Zeit

 

  • Meißen - 28.06.2015 - Anschlag auf unbewohnte geplante Flüchtlingsunterkunft mit Feuer und Wasser aus rassistischen Motiven

Urteil: Vorsätzliche Brandstiftung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch mit eindeutigem flüchtlingsfeindlichem Tatmotiv -1. Täter: drei Jahre und acht Monaten Haft; 2. Täter : drei Jahre acht Monate Haft

Quelle: Zeit

 

  • Gruppe “Freital“ – Juli 2015 – Planung Sprengstoffanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte

Anklage: 7 Männer, 1 Frau angeklagt; Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung, versuchter Mord, gefährliche Köperverletzung und Sachbeschädigung, sowie Herbeiführung Sprengstoffexplosion. Bei den Ermittlungen gerieten auch die sächsischen Sicherheitsbehörden in den Fokus.

Quelle: Belltower NewsMDR

 

  • Remchingen - 17.07.2015 - Brandstiftung geplante Flüchtlingsunterkunft

Urteil: Brandstiftung drei Jahre Haft – keine Beziehungen zur rechtsextremen Szene; Staatsanwalt vermutet Auftragstat

Quelle: SWRMühlacker Tagblatt

 

  • Nauen – 25.08.2015 - Brandanschlag „Nauener Zelle“ auf geplante Flüchtlingsunterkunft

Urteil: 5 Angeklagte: Bildung kriminelle Vereinigung; NPD-Politiker: acht Jahre Haft; 2. Täterin: Freiheitsstrafe ein Jahr und sechs Monate für andere rechtsextreme Delikte; 3. Täter: Mittäterschaft sieben Jahre Haft

Quelle: Tagesspiegel

 

  • Salzhemmendorf 28.08.2015- Brandanschlag auf Asylbewerberheim

Urteil: Versuchter Mord und nachgewiesene rechtsextreme Gesinnung im Prozess -3 Täter: Freiheitsstrafen 8 Jahre; 7 Jahre; 4,5 Jahre

Quelle: Süddeutsche

 

  • Porta Westfalica – 15.09.2015 - Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkunft mit Molotowcocktails

Urteil: Versuchter Mord - drei Männer zu je 4 Jahren Haft, eine Frau Bewährungsstrafe 18 Monate

Quelle WDR GeneralAnzeigerBonn

 

  • Altena - 03.10.2015 - Brandstiftung bewohnte Unterkunft mit sieben Bewohner_innen

Urteil: Schwere aber nicht menschengefährdende  Brandstiftung. Haupttäter: sechs Jahre Haft; Nebentäter fünf Jahre.

Quelle: WDR

 

  • Dresden-Prohlis – 07.10.2015 – Brandstiftung Benzingefüllte Falschen auf unbewohnte Unterkunft

Urteil: Brandanstiftung und Beihilfe zur Brandstiftung – 1. Täter: Haftstrafe 3 Jahre; 2. Täter: 3 Jahre Bewährung wegen Beihilfe; Drei weitere Männer und eine Frau unter Verdacht und in Untersuchtungshaft

Quelle: Tag24 MDR

 

  • Crimmitschau - 12.11.2015 - Molotowcocktails auf Flüchtlingsunterkunft

Urteil: Versuchte schwere Brandstiftung und versuchter Mord – 1. Täter: fünf Jahre Haft; 2. Täter: viereinhalb Jahre Haft;  3. Täter: drei Jahre und neun Monate Haft

Quelle: Zeit

 

  • Altenburg – 08.12.2015 - Brandanschlag auf bewohnte Geflüchtetenunterkunft

Urteil: Versuchte Brandstiftung– 1. Täter: dreieinviertel Jahre Haft und Alkoholentzug, 2. Täter: Geldstrafe von 1.200 Euro

Quelle: MDR

 

  • Schlettau - 26.12.2015 - Brandanschlag auf geplante Fluchtunterkunft mit Molotowcocktails

Anklage: 4 Personen wegen schwere Brandstiftung sowie Herstellung und Führens verbotener Waffen

Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1023930.rechte-gestehen-brandanschlag-auf-asylheim-im-erzgebirge.html

 

+++2016+++

  • Mühlheim - 02.01.2016 -  Bengalos gegen Fenster einer bewohnten Flüchtlingsunterkunft

Prozess vertagt

Quelle: MDR Rundschau

 

  • Dreieich – 04.01.2016 - Schüsse auf Unterkunft – ein Verletzter

Urteil: Fahrlässige Körperverletzung und unerlaubter Waffenbesitz – 1. Täter: Haftstrafe dreieinhalb Jahre; 2. Täter: drei Jahre und neun Monate; 3. Täter: ein Jahr Bewährung

Quelle: Focus Hessenschau

 

  • Reute - 10.01.2016 - Brandanschlag auf Geflüchteten -Unterkunft

Urteil: Schwere versuchte Brandstiftung, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Volksverhetzung mit rassistischer Gesinnung – 1. Täter: zwei Jahre und drei Monate Haft; 2. Täter: ein Jahr und zehn Monate

Quelle: Bildschirmzeitung

 

  • Hirschau - 07.02.2016 - Molotowcocktail auf bewohnte Unterkunft mit 9 Bewohner_innen

Urteil: Versuchter Mord und versuchte schwere Brandstiftung - 4 Jahre und 6 Monate Haft

Quelle: Zeit

 

  • Löbau - 18.02.2016 – Anschlag mit Molotowcocktails auf Asylbewerberheim

Urteil: Versuchte schwere Brandstiftung- 1. Täter: zwei Jahre und vier Monate Haft; 2. Täter: zwei Jahre und zwei Monate Freiheitsstrafe; 3. Täter: Verfahren noch nicht gestartet

Quelle: Bild

 

  • Ahaus – Februar 2016 - Schüsse mit Schreckschusspistole auf Geflüchteten-Unterkunft

Urteil: Zwei Täter je sieben Monate Bewährungsstrafe; 1. Täter: Geldbuße 2000 Euro; 2. Täter: 150 Stunden gemeinnützige

Quelle: (WDRRuhrnachrichten)

 

  • Bautzen 21.02.2016 & 13.12.2016 – Brandanschlag mit vier Brandsätzen auf Geflüchtetenunterkunft und Beleidigung/Behinderung der Löscharbeiten durch Schaulustige

21.02.2016 – Urteil Schaulustige: Behinderung Löscharbeiten, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung – Haft für 2 Täter: zweieinhalb beziehungsweise drei Jahre. Eine Verurteilung zu einem Jahr Bewährungsstrafe

Quelle: lvz Focus

13.12.2016 – Molotowcocktails auf Nebengelände Fluchtunterkunft 

Untersuchungshaft für 3 Verdächtige und Ermittlung wegen Brandanschlag im Februar – Verfahren wegen mangelnder Beweise eingestellt

Quelle: MDR

 

  • Eibenstock – 15.04. 2016 - Steinwurf Asylbewerberunterkunft

Urteil: Sachbeschädigung 1.200 Euro Strafe

Quelle: SZ

 

  • Münster 27.04.2016 und 04.06.2016 - Brandanschläge auf unbewohnte Flüchtlingsunterkunft

Urteil: 1. Täter: fünf Jahre Haft; 2. Täter: zwei Jahre und neun Monate Haft, mit klar rassistischem Hintergrund

Quelle: Zeit

 

  • Zwickau - 22.05.2016 – Brandanschlag mit Molowcocktails auf bewohnte Geflüchtetenunterkunft

Urteil: Versuchter Mord in 15 Fällen und versuchte schwere Brandstiftung (rechtsextreme Gesinnung deutlich) - 4 Jahre und 3 Monate Haft

Quelle: MDR

 

  • Erbach - 17.09.2016 - Brandstiftung bewohnte Unterkunft

Anklage: versuchte schwere Brandstiftung sowie vorsätzliche Brandstiftung vorgeworfen

Quelle: SWR

 

  • Herxheim - 04.12.2016 - Brandanschlag auf unbewohnte Flüchtlingsunterkunft

Urteil: Anklage gegen zwei Männer wegen Brandstiftung

Quelle: SWR

 

Die aufgeführte Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie basiert auf eigenen Recherchen und Presseberichten. Stand 14.06.2017

 

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