"Schüler gegen Rechts" in Köln – 2.700 Fotos gegen rassistische Propaganda

Der Raum, in dem die zehn Kölner Schüler gerade sitzen, sieht wenig gemütlich aus. Es ist ein tristes Büro in einem Verwaltungsgebäude. Nur ein paar Postkarten und alte Demo-Plakate erinnern daran, wer sich hier trifft: "Schüler gegen Rechts“. Es ist ein Abend vor einem Feiertag, von draußen dringen Straßenlärm und laute Musik hinein. Während andere feiern, wird hier hart gearbeitet. Jede Woche trifft man sich, um Aktionen gegen rechtsextreme Politik in der Stadt zu planen.

Von Frank Überall

Vor allem geht es den Jugendlichen um "Pro Köln“. Eine extrem rechte Gruppierung, die sich selbst als "Bürgerbewegung“ bezeichnet und mit fünf Vertretern im Kölner Stadtrat sitzt. 4,7 Prozent der Wählerstimmen holte die Gruppierung bei der vergangenen Kommunalwahl. Bundesweit bekannt wurde sie besonders durch ihren Protest gegen den Bau einer repräsentativen Moschee in Köln. Die Bekanntheit reichte so weit, dass nun auch ein Landesverband "Pro NRW“ und ein Bundesverband gegründet wurden.

Biedermänner-Image

Der Verfassungsschutz beobachtet die Kölner Keimzelle der "Pro“-Bewegung seit Jahren unter dem Verdacht des Rechtsextremismus. Die Verantwortlichen versuchen immer wieder, sich dagegen juristisch zu wehren. Sie wollen als demokratische Biedermänner wahrgenommen werden. Dabei kommen die wesentlichen Köpfe der Kölner "Pro-Bewegung“ klar aus dem Rechtsaußen-Milieu: Manche waren schon bei Republikanern oder NPD aktiv.

Jetzt will "Pro Köln“ auch bei Jugendlichen punkten: In einer stadtweit vertriebenen Schülerzeitung werben sie zwischen bunten Artikeln über Freizeitthemen für ihre Ideologie. "Deutsch ist geil“, ist einer der plakativen Sprüche, und zwischen den Zeilen wird oft der Eindruck erweckt, Migranten seien besonders schuld an Gewalt und Kriminalität in der Stadt.

Mit Flugblättern gegen „Pro Köln“-Schülerzeitungen

Ein Mitglied der "Schüler gegen Rechts“ schließt beim Gruppentreffen das Fenster, weil der Lärm von der Straße zu laut wird. "Angebliche Schülerzeitung als Sprachrohr rechter Demagogen“, tippt ein 17-Jähriger in seinen Laptop: Die Vorlage für das nächste Flugblatt entsteht. Zitiert wird auch aus der rechten Schülerzeitung. In einem Text der „Pro Köln“-Postille geht es unter anderem um einen "Ali“, der die 16-jährige Jessica belästige: "Vielleicht hat Mutter ja doch Recht, wenn sie sagt, dass viele Moslems ihren sexuellen Kohldampf auf unseren Straßen vor sich herschieben und keine Grenzen bei Mädchen akzeptieren“. Wenn derartige Sprüche in der extrem rechten Schülerzeitung "Objektiv" mal wieder verteilt werden, beginnt die Arbeit der "Schüler gegen Rechts“ vor Ort. Sie versuchen, mit ihren Freunden ins Gespräch zu kommen.

"Die von 'Pro Köln' sind gefährlich und hinterlistig“, meint Initiativensprecher Lars Repp: "Für einfache, politisch nicht ganz so gebildete Schüler besteht die Gefahr, unbewusst Vorurteile zu übernehmen.“ Auch mit Flugblättern macht die Gruppe gegen "Objektiv“ mobil: "'Pro Köln' behauptet regelmäßig, dass ihre menschenverachtende Propaganda mit großer Begeisterung an den Schulen angenommen wird“, heißt es in einem aktuellen Papier der "Schüler gegen Rechts“: "Wir wollen mit Deiner Hilfe zeigen, dass wir uns dagegen wehren.“

Hass gegen Minderheiten

"Da kommen schon Hilflosigkeit und Wut auf, wenn so was verteilt wird, und man gerade in Geschichte das Thema Nationalsozialismus durchgenommen hat“, beschreibt Charlotte Röhren ihre Gefühle. Die engagierte Schülersprecherin bekommt für ihre Aufklärungsarbeit viel Zuspruch. "Manche wollen aber gar nicht mit uns sprechen“, berichtet die 17-Jährige: "Die Schüler, die Sympathien für 'Pro Köln' haben, zeigen sich uns gegenüber nicht.“ Trotzdem wolle man mit möglichst vielen Gesprächen "einen Prozess anstoßen, um über die Rechten und ihre Positionen nachzudenken“, meint der Abiturient Andreas: "Die schüren Hass gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen.“

Aufrütteln und Aufklären

Die "Schüler gegen Rechts“ waren eine der ersten Gruppen, die im Jahr 2006 öffentlich über "Pro Köln" gesprochen haben. „Es ist erschreckend, wie Rechtspopulismus in Politik und Medien tot geschwiegen wurde“, meint Lars Repp. Nicht nur Schüler, sondern auch Erwachsene drohten deshalb, auf die Scheinargumente reinzufallen. "Beim Protest gegen den Ausbau eines Kölner Hafens sind die Leute von 'Pro Köln' von Haustür zu Haustür gezogen und haben Unterschriften dagegen gesammelt“, erzählt Charlotte Röhren: "Das hat bei vielen Bürgern Eindruck gemacht. Die machen wenigstens was! Wir wollen deshalb aufklären und aufrütteln, mit wem sich die Menschen da einlassen.“

Die Hilflosigkeit im Umgang mit rechten Populisten ist im Kölner Rathaus weit verbreitet. Die "Schüler gegen Rechts“ versuchen, mit möglichst vielen Kontakten für eine intensivere Auseinandersetzung zu sorgen. Jüngstes Projekt ist eine vier mal fünf Meter große Werbe-Plane. 2.700 Schülerinnen und Schüler haben sich von der Initiative ablichten lassen, um mit ihrem Bild gegen "Pro Köln" zu demonstrieren.

"Wir haben Freistunden genutzt, uns professionelle Fotoleuchten geliehen und sind mit der Spiegelreflexkamera an Kölner Schulen gefahren“, berichtet Ralf Pierson. Jetzt wird nach einem Ort gesucht, wo die gigantische PVC-Plane öffentlich ausgehängt werden darf: "Es ist gar nicht so einfach, da was zu finden. Weil es zum Beispiel im Rathaus oder im Opernhaus heißt, man sei zur politischen Neutralität verpflichtet.“

Im September: Proteste gegen den genannten "Islam-Kongress“

So greifen die Mitglieder der "Schüler gegen Rechts“ auch an diesem Abend wieder zu ihren Mobiltelefonen und suchen nach Verbündeten. Der DGB unterstützt einzelne Aktionen, manchmal die Landesschülervertretung. Für jede Aktion wird neu nach Geldquellen und ideeller Hilfe gesucht. Ihr derzeit größtes Projekt ist die Auseinandersetzung mit einem breit angekündigten „Anti-Islamisierungskongress“ von "Pro Köln", der Anfang September 2008 in der Domstadt geplant ist. Führende Rechtsextreme aus Frankreich, Belgien und Österreich werden dazu erwartet. Drei Wochen vorher wollen sich deshalb Schüler aus ganz Nordrhein-Westfalen in einem Workshop mit Rassismus, Rechtextremismus und eben auch der "Pro-Bewegung“ beschäftigen.

"Du musst noch wegen des Referenten beim Dokumentationszentrum für Nationalsozialismus anrufen!“, erinnert ein Teilnehmer der abendlichen Gruppensitzung einen Freund. Der Kampf der "Schüler gegen Rechts“ ist eben nicht nur eine lockere Sponti-Aktion, sondern ein organisiertes Netzwerk. "Wir hoffen, dass es in anderen Städten auch solche Initiativen gegen Rechts geben wird, wenn sich die Pro-Bewegung weiter nach dem Kölner Vorbild ausdehnt“, formuliert ein Jugendlicher: „Man darf deren unterschwellig transportierten Vorurteile doch nicht einfach so stehen lassen!“

Zum Thema

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