Rechtsextreme Musik: Gefährliche Alltagskultur

Um ihre Ideologie zu verbreiten und gegen Migranten, Andersdenkende und die Demokratie zu hetzen, verwenden rechtsextreme Bands längst mehr als Drei-Akkorde-Rumpelrock oder langweilige Gitarrenballaden. Doch erreichen die Musikstücke wirklich die anvisierte jugendliche Zielgruppe? Und was bewirkt ihr Konsum? Das versuchte die Veranstaltung "Die Gefährlichkeit rechtsextremer Musik" der Friedrich Naumann Stiftung in Berlin zu klären.

Von Simone Rafael

Die Musik, die lautstark das Jugendkulturzentrum „Pumpe“ in Berlin-Tiergarten beschallt, ist ganz unterschiedlich: Mal lautstark mit drei Akkorden und wütendem Stakkato-Gesang, mal mit putzigen Keyboards und Augenzwinkern, mal getragener Schlager zur Gitarre – oder einfach getragener Wave-Pop. Referent Hans-Joachim Stockschläger hat ein großes Repertoire an Songs dabei, die nur eines eint: Rassismus, Hass und Antisemitismus zu verbreiten und die Demokratie zu bekämpfen. Denn ihre Autorinnen und Autoren sind rechtsextrem.
Hans-Joachim Stockschläger ist seit über dreißig Jahren Referent der politischen Bildungsarbeit und tourt seit rund zehn Jahren mit seinen Aufklärungsvorträgen zur „Gefährlichkeit rechtsextremer Musik“ im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung durch Schulen in ganz Deutschland. Während normalerweise Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 8 bis 12 seine Zielgruppe sind, spricht er heute vor interessierten Erwachsenen vom Studenten- bis ins Rentenalter.

Stockschläger steht am Rande der Bühne und vermittelt seine Erkenntnisse mit Vehemenz und Standfestigkeit. Nicht die pure Existenz rechtsextremer Musik sei gefährlich, sagt er. Gefährlich wird es, wenn die Texte und Lebenseinstellung, die rechtsextreme Musik vermittelt, in die Sozialisierung der Menschen eingreift, also Auswirkungen auf ihr Leben oder ihre Einstellung bekommt. „Musik begleitet praktisch jede Minute unserer Freizeit – deshalb kann man damit arbeiten, natürlich auch politisch“, sagt Stockschläger.

Er spielt einen Song ein, es ist getragener Pop mit englischem Text, und entsprechend wollen hinterher auch einige Zuhörer wissen, was denn da gesungen worden sei? Die Infragestellung des Holocaust der Gothic-Band „Death in June“ kommt gefällig-unauffällig daher, und wer nicht aufmerksam hinhört, kann den Textinhalt leicht überhören – was innerhalb der Szene nicht der Fall ist, wohl aber bei Lehrern und Eltern.

Dann kommt Stockschläger zu offensichtlicheren Beispielen. Weil der musikalischen Rassismus als bekannt voraussetzt, zeigt er an Texten, die sich gegen das „Scheiß-System“ wenden, wie geschickt Neonazis sozial relevante Themen mit Propaganda mischen, zum Kampf gegen die Demokratie aufrufen und sich dabei zugleich noch als Opfer einer ungenügenden Meinungsfreiheit stilisieren. Zielgruppe der Songs, auch oft so benannt, ist die „Jugend Deutschlands“: „Nicht nur die rechtsextreme Jugend – sie wollen gleich so tun, als sprächen sie für alle.“ Auch Antisemitismus, getarnt als „Kritik am Kapital“, ist ein gängiger Topos in den Texten. Wenn bekannte Schlager mit rechtsextremen Texten umgedichtet werden, sieht man schon Mundwinkel zucken, ebenso bei einer zuerst unterschwellig, dann offen rassistischen Ballade von Frank Rennicke, den die rechtsextremen Parteien NPD und DVU unlängst als Bundespräsidentschaftskandidaten nominierten: Zu absurd und lächerlich erscheinen rechtsextreme Musikproduktionen bisweilen.

Doch Stockschläger warnt: Es ist die Beständigkeit, die schadet. Wer wieder und wieder dieselben Inhalte, Begrifflichkeiten, Abwertungen zu hören bekommt, bei dem können sie sich im Kopf festsetzen und das Verhalten beeinflussen. Deshalb müssten auch Lehrer, Eltern und Sozialarbeiter wachsam sein, wenn Jugendliche mit rechtsextremer Musik in Kontakt kommen: „Selbst wenn ein Schüler so eine rechtsextreme Schulhof-CD in die Finger bekommt und denkt: ‚Was für ein Unsinn, das muss ich mal meinen Freunden erzählen!‘ entsteht ein Schneeball-Effekt, der für eine enorme Verbreitung der Inhalte und Begrifflichkeiten sorgt – selbst wenn die Idee nur war, mal reinhören zu wollen, um mitreden zu können.“

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