Rechtsextreme Mütter beim Pfingstlager 2007 der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ, 2009 verboten) in Eschede.
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Was tun, wenn rechtsextreme Eltern in Schule, Kita oder Verein agitieren?

Warum engagieren sich rechtsextreme Eltern so gern in Schulen, Kitas und Vereinen? Warum ist das bedenklich? Was können demokratische Eltern, Erzieher, Lehrer, Vereinsmitglieder tun, wenn das passiert? Und wie mit den Kindern umgehen? Experten antworten.

Warum sind rechtsextreme Eltern so engagiert?

Reinhard Koch, Leiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG), Braunschweig.

Es ist eine rechtsextreme Taktik, an die Schnittstellen staatlicher Institutionen oder zivilgesellschaftlicher Organisationen zu kommen, also etwa in Elternvertretungen, Trainerstellen oder Jugendwartsposten. Übrigens scheinen die Fälle zuzunehmen, bei denen es Rechtsextremen auch gelingt, solche Positionen zu erobern.

Dafür gibt es in der Szene auch Verhaltenstipps. Die sagen etwa für ein erstes Treffen wie den erste Elternabend in der Kita: Macht Euch erst einmal persönlich bekannt. Setzt Euch nicht in die letzte Reihe. Macht einen Vorschlag: „Wollen wir eine Tagesordnung schreiben?“ oder „Wollen wir mal kurz das Fenster aufmachen“. Das hebt aus der Masse heraus und macht erkennbar. Bei der Elternvertreterwahl gucken alle auf den Fußboden – nur die Rechtsextremen nicht. Und schon werden sie gefragt. Schulen und Kitas sind in der Regel froh, wenn sie engagierte Eltern finden, die mitarbeiten wollen.

Wenn sie auf eine Posten gewählt sind, versuchen sich die Rechtsextremen erst einmal als „Kümmerer“ zu etablieren – alle sollen sehen: „Ich tue was. Ich leiste gute Arbeit.“ Wenn dann der Kontakt zur rechtsextremen Szene herauskommt, hoffen sie darauf, dass die andere sagen: „Ach, aber für uns ist das der Übungsleiter, der immer gute Arbeit geleistet hat – das nehmen wir in Kauf“. Wenn das geschieht, hat der Rechtsextreme Normalität erreicht und wieder ist rechtsextremes Gedankengut wieder ein bisschen mehr salonfähig geworden.

Was können Institutionen und Privatleute tun, wenn rechtsextreme Eltern in Schule, Kita oder Verein agitieren?

Reinhard Koch, ARUG

Gut ist, wenn sich Kitas und Schulen ein Leitbild geben, dass sie in der pädagogischen Zielsetzung festhalten, etwa, das sie die Kinder zu umfassend gebildeten, weltoffenen Persönlichkeiten erziehen wollen. Wenn dann etwa Eltern ankommen und sagen: „Mein Kind soll aber nicht mit Ausländern spielen“, gibt es ein Argumentationsgerüst. Die einzelne Erzieherin hat damit auch Rückendeckung von der Organisation, die sich positioniert hat. Wer einen Vertrag bei der Organisation unterschrieben hat, muss sich diesem Leitbild entsprechend verhalten – oder muss gehen.

Da Rechtsextremismus in der Regel die Minderheitenposition sein wird, sollte die Erzieherin das Thema offensiv mit den anderen Eltern besprechen – dann ist die Lösung nämlich nicht mehr nur ein Problem des Kindergartens.

Gut ist es, eine konsensfähige Basis zu schaffen. Etwa: Der Vertrag wird aufgelöst, wenn die Mehrheit der Elternschaft dafür abgestimmt hat, weil sie zum Beispiel befürchten, das Alltagsklima in der Kita könnte darunter leiden.

Ist ein solches Leitbild formuliert, muss die Organisation den rechtsextremen Eltern auch keine Straftaten nachweisen können, um die Familie auszuschließen – das ist nämlich oft schwer möglich.

Wenn die Rechtsextremen dann bleiben wollen, ist das schon eine Win-Situation: Die Kita hat sich positioniert und durchgesetzt. Das ist mehr, als heute häufig in Wirklichkeit passiert.

Wichtig ist: Immer klar machen, dass diese rechtsextreme Position keine Normalität ist, sondern völlig fehl am Platz.

Und wenn Eltern die rechtsextreme Einstellung anderer Eltern auffällt: Unbedingt mit der Einrichtung sprechen, auch die andere Eltern informieren, den Umgang gemeinsam in die Hand nehmen. Und: Man muss das nicht öffentlich machen, es reicht völlig, die Eltern, Erzieher und Leitung zu aktivieren – von außen kommt oft nur zusätzlicher Druck, z.B. durch Medienrummel.

Team des Regionalzentrums für demokratische Kultur Südvorpommern, Anklam

Eine gute Gegenmaßnahme ist: Die demokratischen Eltern müssen dafür Sorge tragen, dass die Rechtsextremen diese Positionen nicht übernehmen können – indem sie sich selbst zur Wahl stellen. Das funktioniert nach unserer Erfahrung meist gut.

Oft treten rechtsextreme Eltern nicht offen ideologisch auf – dann müssen die anderen Eltern gemeinsam die Phrasen entschlüsseln. Und immer klar machen: Man kann diese Menschen nicht ohne ihre Ideologie haben, auch wenn es vielleicht so scheint.

Rechtsextreme Eltern werden in den seltensten Fällen im Schulkontext enttarnt, sondern eher durch Medienberichte oder Antifa-Recherchen. Aber diese Enttarnungen bringen etwas: Es kommt viel Unsicherheit hoch, aber damit entsteht auch die Chance, einen bewussten Umgang zu finden.

Was raten Sie den anderen Eltern im Umgang mit den Kindern rechtsextremer Eltern?

Team des Regionalzentrums für demokratische Kultur Südvorpommern, Anklam

Kinder bleiben Kinder, und wir leben den Kindern rechtsextremer Familien den anderen Gesellschaftsentwurf vor. Wenn Eltern gut mit ihren Kindern im Gespräch sind und die Kinder miteinander im Gespräch sind, steht einem Kontakt zwischen den Kindern nichts im Weg.

Allerdings müssen Eltern Grenzen setzen, die jeder für sich selbst abstecken muss, etwa: Auf dem Spielplatz könnt ihr Euch treffen, aber nicht zu Hause. Oder: Ihr könnt Euch hier treffen, aber nicht beim anderen zu Hause. Den Kindern kann man das auch ruhig offensiv erklären, dass das an der Ideologie liegt, die die rechtsextremen Eltern vertreten.

Reinhard Koch, ARUG

Wenn Eltern das Gefühl haben, da kommt mein Kind mit Sachen in Berührung, die ich absolut nicht verantworten kann, dann müssen sie es vor den Einflüssen schützen. Da kann ein Verbot des Umgangs also sinnvoll sein. Allerdings regelt sich der Umgang auch oft auf kindlicher Ebene. Es gibt keine gemeinsamen Interessen, deshalb wird nicht miteinander gespielt.

Mehr zum Thema im neuen Schwerpunkt
"Kampf um die Kinder - Rechtsextreme und Familien"

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Mehr im Internet:

| www.arug.de
| www.mbt-mv.de

Zum Weiterlesen:

Aktuell arbeitet die ARUG - Arbeitsstelle gegen Rechtsextremismus und Gewalt an einer Publikation zum Thema "Erziehung von rechts", die im Sommer erscheinen soll.

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