Pegida, die "Patriotischen Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes", sind zuallerst ein Social Media-Erfolg. Inhaltlich steht die Bewegung in einer online schon lange gepflegten traurigen Tradition von Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Was aber hat Pegida richtig gemacht, dass sie so erfolgreich für die alte Hetze werben? Warum hat die Bewegung in Sozialen Netzwerken so viele Fans wie CDU und SPD zusammen? Und wie sehen die verbindenden Themen, Medien und Kampagnen aus, die die ganze Rechtsaußen-Szene zu Pegida-Fans macht?
Von no-nazi.net
Wer demonstriert da eigentlich? Zur Beschaffenheit der Pegida-Bewegung
Pegida ist inhaltlich ein Schmelztiegel verschiedener rechter Ansichten. Die Ablehnung einer Islamisierung ist hierbei der Aufhänger und der Verbindungspunkt. Die von den Pegida vorgetragenen Forderungen spiegeln die verschiedenen rechtspopulistischen Ausprägungen deutlich wider.
- Ein neues Zuwanderungsgesetz mit "qualitativen" Kriterien à la Kanada oder Schweiz.
- Integrationspflicht
- Ausweisung, Einreise- und Aufenthaltsverbot für "Islamisten".
- Volksentscheide
- Ende der "Kriegstreiberei" mit Russland
- Mehr Mittel für die Polizei.
Eine detaillierte und kritische Auseinandersetzung mit den Programmpunkten von Pegida findet ihr hier. Diese Mischung mag auf den ersten Blick krude erscheinen entspricht aber dem bekannten rechtspopulistischen Meinungsgemisch. Hinzu kommt die Ablehnung des Establishments (Stichwort: „Lügenpresse“ „Gekaufte Wissenschaft“ „Korrupte Politiker_innen“), das Gefühl abgehängt zu werden, Frust über die bürokratische Trägheit der repräsentativen Demokratie und die Unübersichtlichkeit der Mediendemokratie. Und nicht zuletzt ein diffuses Unbehagen mit dem zivilisatorischen Fortschritt, der unter dem Begriff „Politische Korrektheit“ geführt wird. Grundsätzlich lassen sich grob drei Gruppen identifizieren, die Pegida und die Ableger tragen. Jedoch tauchen sie in unterschiedlicher Verteilung auf.
Die Wutbürger_innen
Meist männlich, mittleren Alters (30-64 Jahre), solide Ausbildung und entsprechender Beruf, nicht selten schon Pensionär_innen. Stehen dem Staat und der Politik eher fordernd gegenüber, empfinden sich als Steuerzahler_innen im Recht und haben latente bis offen rassistische Einstellungen.
Die Dekomplexitären
Internetaffin, meist männlich, unterschiedliche Bildungsgrade, vertreten und verbreiten - teils sehr aggressiv - dekomplexisierende Welterklärungsmodelle. Das Spektrum reicht von Zinskritik über Reichsbürgerschaft bis zu Chemtrails. Verbindend sind, neben der offensiven Reduzierung realer Vorgänge, antisemitische und libertäre Tendenzen, sowie eine politische Paranoia. Der aktuelle Staat wird eher abgelehnt. Ideologisch ist diese Gruppe die vielfältigste und unübersichtlichste.
(Organisierte) Rechtsextreme
Kameradschaften und andere Organisationen, die einer nationalsozialistischen Ideologie anhängen. Auch die Neue Rechte (Identitäre, Defence League) und rechte Hooligans finden sich in diesem Spektrum. Tendenziell ist davon auszugehen, dass die Masse eher der ersten Gruppe zuzuordnen ist, auch wenn die anderen Gruppen innerhalb der Bewegung stark dominieren. Während auf der Straße durchaus die Nazis dominieren (Ordner, Parolen), sind im Netz die Dekomplexitären und die damit verbundene spielerische Sprache des Netzes die Wortführer_innen. Die Wutbürger_innen geben dem Ganzen einen legitimen Anstrich und sind in Dresden wohl auch die Mehrheit.
In den bisher erschienenen Studien der TU Dresden, des Göttinger Instituts für Demokratieforschung und des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung wird festgestellt, dass die Pegida-Bewegung von mittelalten Männern getragen wird, die weitestgehend der Mitte der Gesellschaft zugerechnet werden. Kritik an den Studien bezieht sich vor allem auf die Tatsache, dass nur 1/3 der Befragten bereit war zu antworten. Jedoch lässt sich vermuten, dass die Antwortenden dem wutbürgerlichen Teil zuzurechnen sind. Die Menschen, die nicht bereit waren in der Öffentlichkeit mit der Wissenschaft zu sprechen, sind zumindest im Grundsatz den beiden anderen Gruppen verpflichtet. Deswegen liegt die Vermutung nahe, dass die Pegida-Proteste bürgerlich starteten (und auch eine solche Patina haben), jedoch mittlerweile von rechtsoffenen und klar rechten Gruppen dominiert werden. Die Aussage der PegidaOrganisator_innen, diese Kräfte seien in der deutlichen Unterzahl, gilt es also stark zu bezweifeln.
Unterfüttert werden diese Beobachtungen der angeführten Studien von pegida-mag-dich.de, die eine Auswertung der Profile vornehmen, welche die Pegida-Seite auf Facebook verfolgen. Zum einen bestätigen sich die Erkenntnisse von den oben genannten Studien zur Bewegung – männlich dominiert, der so genannten Mitte zugehörend, aus den östlichen Bundesländern stammend – zum anderen sind die Verbindungen zum rechtsextremen und dekomplexitären Lager nachvollziehbar. Unter den Top 30 findet sich eine deutsche Anonymous-Seite wieder, die von einem rechten Admin gekapert wurde und entsprechende Nachrichten verbreitet: Hetze gegen die Presse und Rassismus. Aber auch die NPD wird oft von Pegida-Anhänger_innen gelikt. Ebenso die Seite „Germanische Götterwelt“, Russia Today Deutschland und die beliebte rechtspopulistische Facebookseite „Ich bin Patriot, aber kein Nazi.“. Auch der Postillon und Mario Barth haben bei den Pegida-Anhänger_innen eine hohe Beliebtheit, ebenso wie Seiten, die eine klare Geschlechtertrennung propagieren und queere und feministische Ansätze ablehnen. Diese Auswertung deckt sich mit den Beobachtungen der Wissenschaftler_innen und den Beobachtungen von no-nazi.net.
Social Media: Facebook
Seit den ersten Pegida-Demonstrationen in Dresden und der gleichzeitigen Mobilisierung auf Facebook interessierten sich verschiedene rechtsextreme und rechtspopulistische Akteur_innen und Organisationen für die neue Bewegung. Im Rahmen des Monitorings von no-nazi.net fiel auf, dass bereits ab November 2014 durch alle Facetten der rechtspopulistischen bis rechten Facebook-Welt dazu aufgerufen wurde, die Seite zu liken und sich ihren Zielen anzuschließen. Tonangebend waren dabei unter anderem Seiten aus dem rechtspopulistischen „Patrioten - Spektrum“, wie „Ich bin Patriot, aber kein Nazi“ – was sich anhand der oben genannten Überschneidungen als erfolgreich herausgestellt hat. Es waren diese viralen Effekte aus dem rechten Spektrum, die Pegida zu dem rasanten Aufstieg im digitalen Raum verholfen haben. Auch aus den Reihen der Identitären Bewegung und der German Defence League zeigte man sich solidarisch mit den Zielen der Pegida und beschwor einen „patriotischen Aufbruch“ in einer rechten Einheitsfront.
Die NPD verhielt sich anfänglich abwartend, nutzte die jedoch dann schnell die entstandene Dynamik. Pegida-Events wurden auf dem offiziellen Kanal beworben und der Hashtag #PEGIDA wurde breit für eigene Inhalte genutzt. Zusätzlich inszenierten sich NPD-Größen wie der Vorsitzende des Berliner Landesverbandes Sebastian Schmidtke beispielsweise auf den Veranstaltungen des Berliner Ablegers „Bärgida“. Auch auf den in der rechten Szene sehr einflussreichen Multiplikatorseiten der NPD, wie der Antiflüchtlingsseite „Keine weiteren Asylantenheime in Deutschland“, wurden Pegida-Inhalte verteilt und Veranstaltungen beworben.
Der steile Aufstieg der Pegida auf Facebook (der noch einmal zu trennen ist von dem lokalen Erfolg auf der Straße) ist in gravierendem Maße auf die Netzwerkeffekte und Viralität des rechtsextremen und rechtspopulistischen Spektrums im Facebook-Kosmos zurückzuführen. Diese war der Grundstein dafür, dass die Bekanntheit der Seite Stück für Stück bis in die Mitte der Gesellschaft getragen werden konnte. Zum jetzigen Stand (Anfang Februar 2015) hat die Pegida Hauptseite bereits deutlich über 150.000 Likes. Eine solch steile Entwicklung ist ein enormer Erfolg für die Bewegung und ist selbst im Social Media Kontext recht ungewöhnlich (zum Vergleich bewegt sich etwa die Bundesparteiseite der SPD bei nur etwas über 80.000 Likes – die CDU bei ca. 90.000 Likes).
Ein Screenshot der Pegida-Facebookseite vom 18.11.14 zeigt, dass die Likezahlen zu diesem Zeitpunkt noch recht niedrig sind: knapp 15.000 Likes. Im Vergleich dazu zeigt ein Screenshot vom 20.01.15, dass Pegida auf Facebook innerhalb kürzester Zeit einen massiven Zuwachs an Likes erreichen konnte.
Linkquellen
Eine Auswertung der Aktivitäten auf der Facebook-Seite von Pegida zeigt abermals eine grobe Dreiteilung:
- Klassisch bürgerliche bis konservative Nachrichtenplattformen wie focus.de, cicero.de, n24, Berliner Zeitung, etc.
- Plattformen, die bekannt sind für Verschwörungstheorien oder auf denen sich andere Formen dekomplexitärer Agitation finden: blu-news, Russia Today, Junge Freiheit, etc.
- Plattformen, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind: Zum Beispiel „Blaue Narzisse“ (Twitter und YouTube dienen besonders hier als Plattformen für das Verbreiten rechtsextremer Ansichten)
Social Media: TWITTER
Auf Twitter lässt sich die Verschmelzung rechter Ansichten und Stimmungsmacher_innen mit bisher unverdächtigen Einzelpersonen besonders transparent nachvollziehen. Antifeminismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verschmelzen zu einer klassisch rechten Ideologie, die im Resonanzrauschen von Twitter zunehmend radikalisiert vorgetragen wird. Nicht selten vermischt sich hier Ironie und Ernsthaftigkeit und es bilden sich schnell virtuelle Peergroups heraus. Viele Nutzer_innen entstammen einem tendenziell unpolitischen Spektrum, reden auf ihren Accounts von „Erweckungsmomenten“ und dass sie sich bisher nicht organisiert und beständig mit Politik beschäftigt haben. Sie verfolgen die Aktivitäten der Pegida-Accounts (die sich deutlich in der Minderheit befinden) und bekennen sich politisch zu der Bewegung. Die Pegida-Accounts wiederum erfahren von bekannten frauenfeindlichen und rassistischen Accounts viel Unterstützung, während die Betreiber_innen diverser Pegida-Accounts in ihrem Onlineverhalten ganz klar Sympathien für rechtsradikale Accounts zeigen. Gleichzeitig sind bekannte Figuren wie der Autor Akif Pirincci Knotenpunkte, um die sich immer wieder Peer Groups bilden. So sind diejenigen, die diese Knotenpunkte verfolgen, favorisieren und weiterverbreiten in vielen Fällen mit organisierten Rechtsextremist_innen auf Twitter verbunden.
Eine Beispielkette: Eberhard K. bezeichnet sich in seinem Twitterprofil wie folgt: „kein Nazi, nicht rechts-radikal, nicht gegen Kriegsflüchtlinge, nicht ausländerfeindlich, für die Thesen der Pegida-Bewegung, Ex-CDU-Mitglied, AfD-Wähler.“ Er folgt auch nicht vielen Accounts. Unter anderem aber dem Account @xxxkruemelxxx, der wiederum in Kontakt mit dem Account @FNJena steht, welcher wiederum mit organisierten Rechtsextremist_innen aus dem Nordharz verknüpft ist. Diese Beispielkette ist natürlich angreifbar und kann auch mit linken oder journalistischen Accounts gemacht werden, die gewissen Accounts zur Beobachtung folgen. Jedoch deckt sich das Beispiel mit den Beobachtungen und auch wissenschaftlichen Untersuchungen, die bisher unternommen wurden. Die oben genannten Gruppen der Wutbürger_innen, Dekomplexitären und Nazis bilden sich 1:1 in den Sozialen Netzwerken und besonders anschaulich auf Twitter ab.
Dies ist Auszug aus dem Dossier "Pegida in den Sozialen Netzwerken" von unserem Schwesterprojekt no-nazi.net.
Das ganze Dossier inklusive zahlreicher Illustrationen finden Sie hier (pdf).
Die Amadeu Antonio Stiftung und speziell das Modellprojekt no-nazi.net beschäftigen sich intensiv mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Netz. Im Zuge der Arbeit, u.a. in Form des Monitoring von rechten Bewegungen in Sozialen Netzwerken, ist zu beobachten gewesen, dass Pegida ein Schmelztiegel unterschiedlicher konservativer bis rechtsextremer Ansichten ist und verschiedenen Formen rechter Haltungen zusammenführt. In erster Linie passiert das, in dem bisher separierte, unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen in den Sozialen Netzwerken zusammenkommen. Neben der Mobilisierung ermöglichen die Sozialen Netzwerke nämlich auch Einsichten über die Zusammensetzung der Pegida-Anhänger_innen und die Qualität der Vernetzung. Soziale Netzwerke ermöglichen also das Nachzeichnen konservativer bis rechter Bewegungen.