"Das Herz der Kurve schlägt im Takt, allein nur für die Messestadt" ist das Motto der Red Aces, die sich gegen jede Form des Marketings in der RB Leipzig Kurve einsetzen. Außerdem sind sie gegen Diskriminierung aktiv und mobilisieren seit Januar gegen Legida.
Red Aces

Rasenballisten gegen Rassisten

RB Leipzig spaltet wie kein anderer Verein die Gemüter. Fanszenen von links bis rechts haben hier einen gemeinsamen Über-Feind gefunden. Im Fußballtypischen Abgrenzungsprozess des "Wir und die Anderen" ist das eigentlich nichts Neues. Aber die Vehemenz der Kritik und der teils unverhohlene Hass verhindern den Blick auf eine sich entwickelnde Fankultur, die klar gegen Diskriminierung steht, aktiv gegen den Pegida-Ableger in Leipzig mobilisiert und dem Konzern Red Bull genauso kritisch gegenüber steht, wie die vereinigten Ultra- und Fangruppen der Anti-RB-Kampagnen. Auch wenn sie dabei manchmal gegen Windmühlen kämpfen müssen.

Von Lina Morgenstern

"Ein Österreicher ruft und ihr folgt blind (...) ihr wärt gute Nazis gewesen!" Mit Spruchbändern, einer Zeichnung des Red Bull GmbH Chefs Dietrich Mateschitz in Naziunform und Schnellballwürfen auf die Spieler des Leipziger Vereins war der 1. FC Erzgebirge Aue im Februar in die Schlagzeilen geraten und vom DFB-Sportgericht schließlich mit einer empfindlichen Strafe belegt worden. Beim gleichen Spiel ereignete sich aber auch ein bundesweit kaum beachteter antisemitischer Vorfall in der RB-Fankurve. Ein Fan der rot-weißen hatte mehrfach "Juden Aue" gerufen. Als andere Fans ihn in die Schranken weisen wollten, solidarisierten sich Umstehende mit dem antisemitischen Rufer und die Situation drohte kurz zu eskalieren. Der Fanverband der Roten Bullen erklärte nun nach einer internen Diskussion der Vorfälle: "Rassistischen und sonst wie menschenverachtenden Rufen und Sprechchören muss entschieden begegnet werden." Man begrüßte das zivilcouragierte Engagement der eigenen Fans in Aue.

Angeregt von der eher linksorientieren Fangruppe Red Aces hatte der Verband diesen Vorfall und einen weiteren beim Spiel gegen Nürnberg diskutiert. In Nürnberg hatten Personen das Spiel mit "Zigeuner"-Rufen begleitet, sie sollen aus dem gleichen Umfeld kommen wie der antisemitische Rufer in Aue. In der organisierten Fanszene von RB besteht dafür kein Verständnis. Auch in der Stadionordnung hat der Verein ein Verbot von rechter Kleidung und diskriminierenden Äußerungen klar geregelt. Der Fanverband rief weiter dazu auf, den Fanbetreuer Enrico Hommel einzuschalten, um in derartigen Fällen mit Hilfe der Ordner*innen das Hausrecht durchzusetzen.

Fanszene rekrutiert sich aus dem für Neonazis berüchtigtem Leipziger Umland

Öffentlich als Täter in Aue benannt wurde eine Gruppe von RB Fans aus Naunhof, einer Stadt im Leipziger Umland. Diese sind aber laut Aussagen der aktiven Fanszene nur noch bei einigen Auswärtsspielen dabei, in Leipzig sähe man sie nicht. Nach dem schnellen Aufstieg von RB Leipzig war es eine Frage der Zeit, wie sich die Publikumsstruktur entwickeln und wie schnell sich Neonazis aus dem berüchtigten Leipziger Umland und der Messestadt für den Verein interessieren würden. Im Prozess der Etablierung einer neuen Fanszene in einem Verein ohne die so oft beschworene Tradition hätte es dafür die nötigen Lücken gegeben. Jede Meldung über einen antisemitischen, antiziganistischen oder homophoben Vorfall erweckte so Aufsehen.

Die Positionierung des Fanverbands nach dem Skandälchen in Aue spricht eine andere Sprache. Dass hier nicht nur investorenfreundliche Symbolpolitik betrieben wird, zeigt sich bei genauerem Hinsehen. Im Januar schlossen sich Fans von RB in Reaktion auf die ersten Legida-Demonstrationen zum Aktionsbündnis "Rasenball gegen Rassismus" zusammen und mobilisieren seitdem zu den No-Legida Demonstrationen. Das Bündnis besteht aus mehreren aktiven Gruppierungen, Interessengemeinschaften und weiteren Nicht-Organisierten. Initiiert wurde das Ganze von den Red Aces sowie den Rabauken (RB-Fans aus der Szene des Roten Sterns Leipzig), den Rasenballisten und Lecrats.

Legida-Demonstrationen mobilisieren Gegenbewegung im RB-Fanblock

Gestartet war die erste Legida-Demonstration am Zentralstadion in Leipzig. Besonders die Red Aces empfanden das als Affront. Sie verstehen sich als antidiskriminierend und stehen für die Etablierung einer offenen und kritischen Fankultur im Leipziger Block. "Klar steht auch im Zentralstadion ein Schnitt der Gesellschaft. Leipzig liegt immer noch in Ostdeutschland und da kommt natürlich auch Rassismus oder Sexismus ins Stadion. Aber wir als aktive Fans wollen das so nicht hinnehmen. Und wir haben den Vorteil, dass die Kurve noch jung ist, dass sich der Verein gerade erst entwickelt. Wir können ein Klima schaffen, in dem sich Rassisten und andere Idioten einfach nicht wohlfühlen", erklärte ein Mitglied von den Red Aces gegenüber Fussball-gegen-Nazis. Während der ersten Legida-Demonstration überzeugten die Fans einerseits den Stadionbetreiber die komplette Außenbeleuchtung abzuschalten und so der rassistischen Demonstration keine Bühne zu bieten. Und sie hängten sichtbar für alle Legida-Teilnehmenden ein Transparent auf - "Kein Platz für Rassismus".

Das Bündnis "Rasenball gegen Rassismus" plant, weiter aktiv zu sein. Sie wollen Vorträge veranstalten und unorganisierte jugendliche Fans stärker einbinden. Das Leipziger Fanprojekt unterstützt die Rasenballisten dabei, für eine diskriminierungsfreie Kurve einzustehen und andere Fans mitzuziehen. Steine legt ihnen jedoch der Verein in den Weg. Zum Heimspiel vor Weihnachten 2014 wollten sich die Fans mit Spruchbändern gegen den schon bekannt gewordenen ersten Aufzug des Pegida-Ablegers Legida wehren. Der Verein genehmigte keins der Bänder, weil man keine Politik im Stadion wolle, was übrigens auch in der Stadionordnung festgeschrieben steht. Als kreative Lösung des Problems zeigten die Fans dann doch Zivilcourage und im Stadion ein Band mit der Aufschrift "Leipzig ist vielfältig, weltoffen und tolerant – reicht Rassisten nicht die Hand". Weiterhin formten mehrere Personen mit bemalten T-Shirts die Losung "N-O-L-E-G-I-D-A". Bestraft hat der Verein die Fans im Nachhinein nicht dafür.

Auch beim Spiel gegen den FC Erzegbirge Aue zeigten RB-Fans, was sie von Rassismus halten: nichts. (Quelle: Red Aces)

Keine Fankultur wie jede andere

Die Red Aces sind sich im Klaren, dass ihre Fankultur nicht mit der eines FC Bayern München vergleichbar ist. Sie sehen auch, dass sie sich in Leipzig, einer Stadt mit starker Fußballtradition zwischen Vereinen die BSG Chemie, Lok Leipzig und Roter Stern Leipzig neu einordnen müssen. Viele Fans aus der aktiven Szene sind gebürtige Leipziger*innen, einige waren zuvor schon fußballinteressiert, aber sie hat es nie zu Leipziger Clubs gezogen, weil diese zu unterklassig spielten oder auch aufgrund ihrer Fankultur keinen Raum zum Wohlfühlen boten, wie der FC Lokomotive Leipzig, der für seine rechtsextremen und gewaltbereiten Fans bekannt ist. Andere wechselten aus alten Leipziger Fanszenen ins Zentralstadion, um endlich Bundesliga-Fußball zu sehen.

Als erste Gruppe sind die "Rasenballisten" in Leipzig angetreten, um sich für den Genuss attraktiven Fußballs gepaart mit unkommerzieller Fankultur einzusetzen. Im Transparent Magazin erklärten sie 2014: "Es ist tatsächlich die Stadt, die wir nach vorn bringen wollen. (...) Wir interpretieren Rasenballsport Leipzig e.V. als diesen Fußballverein und da gehört eben mehr als dieser Sponsor dazu." Dabei waren sie von Beginn an auch gegen Rassismus und Gewalt aktiv, sie erklären in ihrem Manifest "Wir als Fans des Rasenballsports haben also die große und einmalige Chance, uns von den scheinbar unumstößlichen Mechanismen deutscher Fußballfankultur, die nicht selten zu Gewalt und Hass führen, zu distanzieren."

Diese Philosphie des Rasenballsports unterstützt auch die Gruppe Red Aces. "Wir haben natürlich Kritik an der Vereinnahmung des Fußballs durch Red Bull. Und deshalb leben wir die Idee des Rasenballsports, der Vereinsname ist uns wichtig, zu zeigen, dass Leipzig eben kein zweites Salzburg ist", erklärte eines der Gruppenmitglieder. Nachdem Red Bull in Österreich den Verein Austria Salzburg übernommen und komplett umgestaltet hatte, verließen die Ultras ihrem Verein letztendlich und gründeten einen eigenen Club. Gleichzeitig erzeugte die Vereinsübernahme in Salzburg einen europaweiten Eklat und breite Proteste in den organisierten Fanszenen. Um ähnlich hohe Wellen zu vermeiden, ging der Sponsor in Deutschland behutsamer vor, indem er einen kleinen Verein mit einer unorganisierten Fanszene, den SSV Markranstädt in Leipzig, einer fußballbegeisterten aber durch jahrelange sportliche Misserfolge geprägten Stadt, übernahm. Inzwischen wollen viele der organisierten RB Fangruppen Red Bull nicht komplett das Feld überlassen. Sie halten die Idee des Rasenballsports hoch und kämpfen mit den Problemen, die andere Fans bei Profi-Vereinen auch haben: faire Eintrittspreise, freie Meinungsäußerung in Choreografien, weniger Werbung und vor allem Mitspracherechte.

Protest gegen RB Leipzig reicht von konstruktiver Kritik bis zu blindem Hass

Im Protest gegen RB Leipzig vermischen sich linke, vermeintlich unpolitische und offen rechte Fans, wie in Braunschweig, als im September 2014 Boykottaufrufe gegen ein Ligaspiel zwischen der Eintracht und RB erklärt wurde. Auch in der Kampagne "Nein zu RB" vereinen sich eher linke Fangruppen wie Frenetic Youth aus Kaiserslautern mit einer Braunschweiger Hooligangruppe des rechten Spektrums ("Alte Kameraden Braunschweig") und zumindest politischen fragwürdigen Gruppen wie Proud Generation Duisburg. Zu häufig reduziert sich dabei die Kritik an der Kommerzialisierung des deutschen Profifußball auf die einfache Formel, der "Rattenball Leipzig" sei das ganze Übel und seine Fans nichts als gekaufte Handlanger des Brausekonzerns. Die Kritiker*innen berufen sich dabei auf einen Mythos vom reinen Fußball, den ihre eigenen Vereine oft selbst nicht mehr leben. Man kann das, wie der Publizist Alex Feuerherdt, als Motiv eines strukturellen Antisemitismus sehen.

Dabei darf berechtigte Kritik an der Vereinspolitik in Leipzig, wie sie sowohl RB-Fangruppen als auch Fangruppen anderer Vereine äußern, nicht unter den Teppich gekehrt werden. "Die Ultras vom FSV Frankfurt haben eine sehr gute Kritik verfasst, in der wir uns auch wieder erkennen können", sagten Mitglieder von Red Aces. Die Pugnatores erklären darin, dass man eben nicht allein RB Leipzig zum Sündenbock für alle kommerziellen Entwicklungen im Fußballsport machen könne. Und grenzen sich klar von der Nein-zu-RB Kampagne ab. Im Februar boykottierten sie trotzdem ein Auswärtsspiel ihres Vereins im Leipziger Zentralstadion: "Das Verbot antirassistischer Spruchbänder gegen die Legida-Demonstration seitens RB hat das Fass für uns in dieser Hinsicht zum Überlaufen gebracht."

"Freiräume zurückholen und Antirassismus konsequent leben"

Es scheint, was RB Fans vor allem brauchen, sind: Visionen, festen Glauben und Durchhaltevermögen. Sie unterstützen einen Verein, der deutlicher als andere als Werbeträger fungiert und kämpfen dabei in ihrem Fanblock gegen die Marketing-Vereinnahmung an. Damit scheinen sie manchmal gegen Windmühlen anzutreten. Gleichzeitig stehen sie aktiv für eine diskriminierungsfreie Kurve und zeigen sich dabei erfolgreicher, als viele traditionsreiche ost- und westdeutsche Clubs. Eine mangelnde Fantradition bietet hier Möglichkeiten und Räume den Anfängen zu wehren. Trotzdem müssen die Fans stärker als in anderen Clubs gegen die Beschneidung ihrer Kritik- und Fanrechte durch die Vereinsführung kämpfen. Sie sollten dabei eher gestärkt, als von unreflektierten und einseitigen Kampagnen geschwächt zu werden. Um es abschließend mit den Pugnatores zu sagen: "RB Leipzig zu kritisieren, weil es sich in diesem Fall um einen Verein ohne lang andauernde Geschichte handelt, zielt für uns am Kernproblem weit vorbei. Wenn sich in der Gegenwart ein Fußballverein gründet, um attraktiven Fußball zu spielen, dann ist dies in keiner Weise verwerflich. Ultras müssen endlich einsehen, dass Tradition zwar in gewisser Weise identifikationsstiftend wirken kann, jedoch auf der anderen Seite auch Verantwortung mit sich bringt(...)" Dieser Verantwortung stellen sich die aktiven Fans beim Rasenball in Leipzig jedenfalls, wie wenn sie die Nazivergangenheit vom Gelände des heutigen Trainingszentrum gemeinsam mit dem Fanprojekt Leipzig aufarbeiten.

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