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Oktober 2017: Homo- und Transfeindlichkeit, Sexismus, Gender

Homo- und transfeindliche Übergriffe: Mord aus Homohass in Ulm +++ Übergriff in Berlin +++ Standesbeamtin nach Verpartnerung in Österreich attackiert +++ Homofeindlicher Bischoff tritt ab +++ AfD-Landtagsabgeordneter mit homofeindlichem Facebookpost +++ Miss und Mister Homophobia 2017 stehen fest +++ #metoo – Eine neue Sexismus-Debatte: in Hollywood, der Politik, der Mode, der Kunstwelt und im Alltag +++ Homo- und Transfeindlichkeit international: Tadschikistan +++ Kosovo +++ USA

 

Homo- und transfeindliche Übergriffe

Aus Hass auf Homosexuelle soll ein obdachloser Jugendlicher seinen 64-jährigen Gastgeber erstochen und in dessen Wohnung in der Ulmer Schillerstraße ein Feuer gelegt haben. Dafür muss sich der 16-Jährige vom 21. November an vor dem Landgericht Ulm verantworten. (Augsburger Allgemeine)

Am 19.10. kam es nach Angaben der Berliner Polizei zu einem möglicherweise aus Homofeindlichkeit begangenen Übergriff in Rummelsburg, einem Ortsteil des Bezirks Lichtenberg im Osten der Hauptstadt. Zeugenaussagen zufolge war ein 30-jähriger Mann betroffen, der gegen 17.30 Uhr an der Kreuzung Fischerstraße/Lückstraße unterwegs war. Dabei sei ihm ein Unbekannter entgegen gekommen, der ihn im Vorbeilaufen wegen seiner Homosexualität beleidigt und anschließend getreten haben soll. Der Mann soll anschließend einfach weiter gelaufen sein. Der 30-Jährige wurde leicht verletzt. (Queer.de)

Eine Standesbeamtin wurde nach der Verpartnerung eines homosexuellen Paares in Österreich attackiert. Die Polizei ermittelt. (Der Standard)

Nach fast 23 Jahren als Salzburger Weihbischof tritt mit Andreas Laun einer der homofeindlichsten katholischen Würdenträger ab. In den letzten Jahrzehnten kritisierte Laun immer wieder sexuelle und geschlechtliche Minderheiten und äußerte sich auch regelmäßig in Debatten über die politische Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben. Wiederholt warb er für Homo-"Heilung" und behauptete, dass es "keine Diskriminierung homosexueller Paare" gebe.

Erst im März diesen Jahres bezeichnete Laun Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transpersonen pauschal als "gestörte Männer und Frauen". Im letzten Jahr war er auch als Teilnehmer bei der homophoben "Demo für alle" in Stuttgart dabei. Bei einer Rede auf dieser Veranstaltung behauptete er, dass Kinder "mit den Mitteln der Verführung und Gewalt (…) umerzogen und gehirngewaschen werden" sollen. "Es ist Zeit, dass wir uns wehren." In der Vergangenheit warf er Schwulen auch pauschal vor, eher Kinderschänder zu sein als Heterosexuelle. (Queer.de)

Der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Rainer Balzer hat mit einem homophoben Facebook-Eintrag für Empörung gesorgt. Dafür erteilte ihm nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa der Bildungsausschuss des Landtags eine Rüge. Der 58-jährige Bruchsaler habe sich in dem Posting über einen schwulen deutschen Diplomaten, dessen Lebenspartner und die gemeinsamen Kinder ausgelassen. (Queer.de)

Die lesbische Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel und der schwule Blogger und Theologe David Berger sind die diesjährigen Miss und Mister Homophobia. Das bestimmten die Anhänger der Aktivisten-Truppe "Enough is Enough" (EiE) in einer Online-Abstimmung. Die privat und ehrenamtlich organisierte Initiative hatte am 19. Oktober ihre Follower in sozialen Netzwerken im dritten Jahr in Folge dazu aufgerufen, die nach ihrer Meinung homophobsten Menschen in Deutschland zu wählen. Bereits zuvor waren sie gebeten worden, Frauen und erstmals auch Männer als Kandidaten vorzuschlagen. Die Spitzenplätze in der Vorentscheidung belegten Berger, Weidel, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die AfD-Politiker Beatrix von Storch und Alexander Gauland sowie Hedwig von Beverfoerde, die u.a. als Organisatorin der "Demo für alle" bereits 2015 und 2016 zur "Miss Homophobia" gewählt worden war. (Queer.de)

 

#metoo – Eine neue Sexismus-Debatte

Unter dem Hashtag #MeToo" ("Ich auch") beschreiben Frauen ihre Erfahrungen mit Sexismus, chauvinistischen Bemerkungen und Übergriffen. Ausgelöst wurde die Aktion durch den Skandal um Hollywoodproduzent Harvey Weinstein . Die US-Schauspielerin Alyssa Milano rief im Zuge der Debatte dazu auf. "Wenn alle Frauen, die sexuell belästigt oder genötigt wurden, 'MeToo' als Status schreiben, könnten wir den Menschen das Ausmaß des Problems bewusst machen", erklärte sie. (Morgenpost, New York Times)

Er habe sich unangemessen verhalten, erklärte Harvey Weinstein lapidar zu den Anschuldigungen gegen ihn, ohne konkreter zu werden. Den Direktoren seiner Filmproduktionsfirma The Weinstein Company hat allerdings gereicht, was Mitarbeiterinnen und Schauspielerinnen über den Mogul der Filmbranche zu berichten wussten - über Jahrzehte hinweg soll er Frauen sexuell belästigt haben. Deshalb hat ihn die Firma nun fristlos entlassen. (DLF, Berliner Zeitung)

Nach Harvey Weinstein sieht sich auch der US-Regisseur James Toback Vorwürfen sexueller Übergriffe ausgesetzt. 38 Frauen werfen dem 72-Jährigen laut einem Bericht der "Los Angeles Times" vor, sie ihm Laufe der vergangenen Jahrzehnte sexuell belästigt zu haben. (Stern)

Auch in Deutschland melden sich Schauspielerinnen, Produzentinnen und Drehbuchautorinnen zu Wort und weisen auf Sexismus und Übergriffe hin. (SZ, Welt, RP)

Im Politikbetrieb sei die strukturelle Diskriminierung von Frauen keine Seltenheit, moniert SPD-Fraktionschefin  Andrea Nahles. Auch sie selbst sei bereits Opfer gewesen. "Eine typische Sexismus-Erfahrung ist, dass Frauen nicht ernst genommen werden. Ich habe in meinem Leben unglaublich oft gehört: Die kann das nicht. Oder: Sie ist noch nicht so weit", sagte Nahles der "Bild am Sonntag".

Bei Frauen werde sogar noch die Qualifikation angezweifelt, wenn sie bereits sehr erfolgreich im Leben stünden. "Ich kenne nichts Vergleichbares bei Männern", sagte Nahles. Bei Frauen stehe auch viel zu oft das Aussehen im Vordergrund. "Angenehm ist das nicht, aber ich habe da ein dickes Fell, sonst könnte ich den Job nicht machen." In der Politik beobachtet die neue Fraktionschefin der Sozialdemokraten nach wie vor, dass Männer eine Art Kartell bildeten. "Immer, wenn ich es in ein Gremium geschafft hatte, stellte ich fest: Es gibt noch ein höheres, informelles Gremium, in dem die Männer die Entscheidungen unter sich treffen." (n-tv)

Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli hat ihrem Ärger über einen Vorfall bei einem internationalen Forum Luft gemacht. Auf Facebook und Twitter berichtet sie von einer öffentlichen Diskussionsrunde, in deren Vorfeld sie am Vormittag eine Rede halten sollte. Vier Männer hätten auf dem Podium gesessen, sie habe in der ersten Reihe auf einem reservierten Stuhl Platz genommen.

Da habe einer der Männer, Cheblis Angaben zufolge ein Botschafter außer Dienst, vom Podium aus gesagt: "Die Staatssekretärin ist nicht da. Ich würde sagen, wir fangen mit den Reden dennoch an." Daraufhin habe sie geantwortet: "Die Staatssekretärin ist da und sitzt vor Ihnen." Der Botschafter soll entgegnet haben: "Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön." (Morgenpost, Frankfurter Rundschau) Auch viele weniger bekannt Frauen berichten mittlerweile auf den unterschiedlichsten Kanälen über sexuelle Belästigungen und Übergriffe. (Zeit)

"Ich war so geschockt und bin es immer noch", schreibt Chebli. Am Rednerinnenpult habe sie dann gesagt: "Sehr geehrter Herr Botschafter a.D., es ist schön, am Morgen mit so vielen Komplimenten behäuft zu werden." Im Saal habe Totenstille geherrscht. Um welchen Botschafter außer Dienst es sich genau gehandelt hat, wollte Chebli auf Anfrage nicht mitteilen. Allerdings hat sich mittlerweile der ehemalige Botschafter Hans-Joachim Kiderlen für den Vorfall entschuldigt. (Welt)

Auch die  schwedische Außenministerin Margot Wallström hat sich bei Facebook beteiligt: „Me too“, schrieb sie am Mittwoch in einem Posting auf ihrer Seite. Genauere Angaben machte sie dazu nicht. Wallström hatte allerdings 2014 in einem Buch des schwedischen Journalisten Jan Scherman von einem Vorfall während eines Abendessens mit europäischen Staats- und Regierungschefs erzählt.

Sie sei bei diesem Essen von ihrem Sitznachbarn begrapscht worden. „Plötzlich habe ich eine Hand auf meinem Schenkel gespürt. Mein Tischnachbar fing an, mich zu betatschen. Das war völlig irreal“, berichtete sie dort.  Ob sie mit ihrem Beitrag bei Facebook dieses Erlebnis gemeint hat, ist nicht klar. Der schwedischen Nachrichtenagentur TT sagte sie: „Ich kann bestätigen, dass das auf höchster politischer Ebene vorkommt und es auch mir widerfahren ist.“ (Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau)

Terry Richardson war jahrelang für Condé Nast tätig und fotografierte für deren Modemagazine Stars wie Kate Moss oder Rihanna. Doch jetzt beendete der Verlag abrupt jegliche Zusammenarbeit mit dem Fotografen. Dies geht aus einer verlagsinternen E-Mail hervor, die der britischen Zeitung The Telegraph vorliegt. Der mutmaßliche Grund: sexuelle Belästigung. (Meedia) Dass Sexismus und Übergriffe auch in der Modebranche alltäglich sind, belegen unter anderem auch die Geschichten, die erfolgreiche Models wie Lena Gercke, Tatjana Patitz und einige andere zu erzählen haben. (Welt)

Der langjährige Mit-Herausgeber des einflussreichen Kunstmagazins "Art Forum" ist zurückgetreten, nachdem Missbrauchsvorwürfe gegen ihn laut wurden. (Monopol) "Wir sind nicht überrascht": Nach der Affäre um den "Artforum"-Mitherausgeber Knight Landesman beklagen hunderte Künstlerinnen, Kuratorinnen, Galeristinnen, Praktikantinnen und weitere im Kunstbetrieb beschäftigte Frauen sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch in ihrer Branche.  (Monopol)

Eine ähnliche Debatte gab es bereits vor vier Jahren in Deutschland, als Anne Wizorek bei Twitter die Kampagne #Aufschrei initiierte. Unter diesem Hashtag berichteten Frauen über ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung. Die Feministin sieht heute Parallelen zwischen ihrer Kampagne und der aktuellen Debatte in den USA. Doch nach vier Jahren geht es ihr in der Diskussion immer noch zu sehr um Einzelfälle und nicht um gesellschaftliche Probleme. (SZ)

 

Homo- und Transfeindlichkeit international

Die Liste der Behörden in Tadschikistan umfasst 367 Namen von angeblich schwulen oder lesbischen Bürgern. In der regierungstreuen Zeitung Zakonnost schreibt der Staatsanwalt von Tests, die an ihnen durchgeführt werden, um "die Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten zu vermeiden". Die Namen auf der Liste habe man durch Recherche in der LGBT-Gemeinschaft herausgefunden. Zudem soll durch die Aktion die Sicherheit der Homosexuellen im Land erhöht werden, indem man nun ihre Identität kenne und sie besser schützen könne, so die offizielle Sprechweise.

Doch Experten und Aktivisten sehen in dem Vorgehen der tadschikischen Behörden bewusste Razzien gegen Homosexuelle. Zwar ist gleichgeschlechtlicher Sex in dem Land seit 1998 erlaubt, doch steht die konservative und mehrheitlich muslimische Bevölkerung dem Thema ablehnend gegenüber. Erst im Jahr 2014 hatte der oberste muslimische Geistliche des Landes in der Moschee der Hauptstadt Duschanbe die Homosexualität als "unheilvoll" verdammt. (Der Standard)

Die LGBT-Community im Kosovo demonstrierte in der Hauptstadt Pristina gegen die Homophobie im jungen Balkanstaat. Staatspräsident Hashim Thaci zeigte sich ebenfalls, um seine Unterstützung zu bekunden. Religiöse Kreise bezeichneten die Veranstalter zuvor als "krankhaft" und "zerstörerisch". (Watson)

Präsident Donald Trump hat laut einem am Montag veröffentlichten Bericht des Magazins "The New Yorker" einen "Witz" darüber gemacht, dass sein Vizepräsident Mike Pence am liebsten Homosexuelle hinrichten lassen würde. Pence gilt als äußerst homophober Politiker, der sich in der Vergangenheit besonders einen Namen mit seinem Kampf gegen LGBTI-Rechte gemacht hat.

Im betreffenden Artikel im "New Yorker" porträtiert Autorin Jane Meyer den Vizepräsidenten und zitiert dabei einige nicht namentlich genannte Quellen. Wörtlich heißt es: "Zwei Quellen haben auch Auskunft gegeben, dass Trump gegen Pence wegen dessen Haltung zur Abtreibung und zur Homosexualität gestichelt hat. […] Als es in dem Gespräch über Homo-Rechte ging, hat Trump auf Pence gezeigt und den Witz gemacht: "Fragt diesen Typen nicht – er will alle [Homosexuellen] aufhängen lassen." (Queer.de, n-tv, Spiegel)

Foto: Daniel Watson / Unsplash 

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