Im April 2010 rief die NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ dazu auf, sich in den sozialen Netzwerken des Internet zu engagieren. Wichtig sei ein „interessantes, detailreiches und sympathisches Profil“. Aber wie gelingt das einem NPD-Kader? Was sind die Themen, mit denen Holger Apfel und Co. der Welt zeigen wollen, was für nette Typen sie sind?
Von Simone Rafael
Soziale Netzwerke bieten Rechtsextremen und ihren Parteien ein wichtiges Einfallstor in Sphären, in denen sie in direkter politischer Kommunikation nie zu Wort kommen würden. Entsprechend rief die NPD in der „Deutschen Stimme“ im April 2010 zur „Präsenz in der Fläche“ auf und gab detaillierte Tipps wie „Bei der Beschreibung Eurer Eigenschaften, Hobbys und Interessen sollte also nicht bissig, klischeehaft oder wortkarg vorgegangen werden.“ Wie aber sieht das in der Praxis aus? Ein Netzwerk, dass die NPD als aussichtsreich ansieht – obwohl es sich gegen Rechtsextremismus engagiert und konsequent löscht, wenn ein NPDler dort auftaucht und gemeldet wird -, ist die VZ-Gruppe, besonders MeinVZ und StudiVZ. Trotzdem kann man hier bisweilen Studien treiben, wie NPD-Kader versuchen, mit bisher nicht zur Kundschaft gehörenden Gruppen in Kontakt zu kommen.
"Die guten alten 80er Jahre..."
Einer, der sich zuletzt ganz fleißig an das detailreiche Ausfüllen seines Profils machte, ist Sachsens NPD-Chef und Vorsitzender der Landtagsfraktion, Holger Apfel. Der Mann, der innerhalb der NPD das bürgerlich-anbiederndes Erscheinungsbild bei gleichzeitiger politischer Meinungsradikalität bekannt ist („Sächsischer Weg“), wirbt auf seiner Internetseite gern mit seiner Frau und seinen drei Kindern, weiß sich aber auch auf MeinVZ zwischen Rechtsextremismus und Mainstream zu positionieren. Apfels Interessen sind etwa „Familie, Politik, Fußball (Eintracht Braunschweig), Musik hören, lesen, unser Golden Retriever „Fenrir“.“ Aha, und was hört der gute Mann? „Deutschrock (Rammstein, Böhse Onkelz & Co.), Schlager (Roland Kaiser, Udo Jürgens, Matthias Reim), Partyschlager (Mickie Krause & Co.), Hardrock (Hallwoeen [sic!], Manowar), nationale Liedermacher und die guten alten 80er Jahre...“ Nun, Boy George oder Kajagoogoo wohl kaum, oder? Trotzdem, so ist wohl für jede und jeden was dabei, auch wenn man zu der Party auch aus musikalischen Gründen nicht eingeladen sein möchte.
Partiell überraschend dagegen die filmischen Vorlieben von Herrn Apfel: Neben „Klassikern wie Braveheart und Kolberg“ (klar, Einzelkämpfer für ihr Volk in der Verfolgung, was sich auch schön als rechtsextreme Selbststilisierung missbrauchen lässt) gibt er hier „Das Leben des Brian“ von Monty Python an. Sind vielleicht die „Judäische Volksfront“ und die „Volksfront von Judäa“ Vorbild für das Streitverhalten von NPD und DVU?
Schwülstige Lieblingszitate von Holger Apfel. Aber wer ist sein "Freund" in Namibia?
Dann nennt Apfel noch ein paar „Lieblingszitate“ eher unbekannter nationalistischer Literaten und von Otto von Bismarck. Die verbindende Kraft der Mitgliedschaft in Gruppen hat Holger Apfel während seines kurzen Aufenthalts (sechs Tage) bei MeinVZ nicht mehr ausprobiert. Ehefrau Jasmin war zugleich im StudiVZ unterwegs – allerdings etwas geschickter, da sie alle Informationen nur „Freunden“ zugänglich machte. Von Holger Apfels Profil aus ließen sich dagegen die Freundeslisten durchforsten, um an weitere Erkenntnisse zu gelangen.
"In schwachen Momenten Malle-Musik"
So lies sich unschwer feststellen, dass sein Fraktionskollege, der als rechtsextremer Vordenker geltende Jürgen Gansel, auch einen interessanten Musikgeschmack hat („Klassik, Liedermacher-Musik (z.B. die wunderschöne Scheibe „Liebe, Schnaps und Tod“ von Hannes Wader) sowie die ganze Bandbreite düster-romantischer Musik (Neofolk, Mittelalter, Elektro). Und in schwachen Momenten Malle-Musik plus deutsche Schlager“). Zitiert werden hier Platon und Schiller, nur bei den Lieblingsbüchern taucht etwa Ernst Jünger oder Ernst von Salomon auf, der als einer der geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus gilt.
"Politische" Gruppen...
Dafür illustrieren Gansels Gruppenmitgliedschaften großflächig das Themenspektrum des modernen Rechtsextremismus: Anti-EU-Gruppen, Lokalpatriotisches zum Landkreis Riesa, „Raus aus Afghanistan“, Burschenschaften, eine Gruppe für die Verfilmung der „Hermannsschlacht“, gegen Zensur und gegen Schwule, fürs Minarettverbot, aber gegen Anglizismen und „Kinderschänder“- und Skurriles wie „Patriotische Frauen sind sexy“ ist auch dabei.
... und natürlich "unpolitische"
Waren hier schon einige Gruppen dabei, die nicht rechtsextrem gemeint waren, aber ins Betätigungsfeld der Neonazis fallen, gibt es noch einen großen Anteil komplett unpolitischer Gruppen, in denen Gansel Mitglied ist: wie die zum romantischen Maler „Caspar David Friedrich“, die Fangruppe von „Depeche Mode“ oder die Gruppe „Ein Stock im Arsch ersetzt kein Rückrat“, „Freunde des gepflegten Sarkasmus“, „Für ein kinderfreundliches Deutschland“ oder „Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg“.
Problem: Wenn rechtsextreme Themen als normal erscheinen
Beteiligen sich Rechtsextreme in nicht-rechten Gruppen, kann es ihnen gelingen, zur Normalisierung von neonazistischen, rassistischen oder antisemitischen Thesen beizutragen. Oder, wie es Miteinander e.V. in einem Webdossier zum Thema etwas umständliche formuliert, aber richtig schreibt: „Doch erweisen sich Web 2.0-Formate als Medium der Inkulturation rechtsextremer Inhalte in das mediale Kommunikationsverhalten von Webusern (…). Die in sozialen Netzwerken eingebundenen Toolfunktionen, mit denen der User affektive Zustimmung signalisieren kann, (...)sorgen für die Entkoppelung zwischen dem Gesamtkontext rechtsextremer Ideologie und der Zustimmung zu einer einzelnen neonazistischen Forderung.“ (www.miteinander-ev.de, PDF). Sprich: Da der rechtsextreme Zusammenhang fehlt, scheinen einzelne neonazistische Positionen plötzlich einer großen Menge von Menschen akzeptabel.
Sympathische Gruppenmitglieder: "Patriotische Frauen sind sexy"
Zugegebenermaßen sind viele weitere VZ-Profile von NPD- oder JN-Kadern weit weniger interessant oder amüsant, oder wenden sich, besser geschützt, mit ihrer Präsenz tatsächlich mehr an die eigene Szene. Über Matthias Gärtner (NPD Magdeburg) erfährt der Lesende etwa nur, wo er studiert und dass er Mitglied der Gruppe „!!!! Ein richtiges Renee... :)))“ ist und kann die rassistischen Kommmentare seiner „Freunde“ auf der Pinnwand lesen. Ricarda Riefling von der NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“ hat dagegen ihre sämtlichen Einträge vor Außenstehenden verborgen.
Interessante Selbstverortung: "Politische Richtung: grün; Clubs: NSBA (="Nationale Sozialisten, Bundesweite Aktion", Slogan der Autonomen Nationalisten)
Politische Richtung: "Grün"
Interessanter ist dagegen das Profil des „Autonomen Nationalisten“ Nico, der etwa neben vielen eindeutig rechtsextremen Zitaten und einschlägigen Gruppen als politische Richtung „grün“ angibt. Ein wenig entmutigt gibt sich dagegen Frank Franz, NPD Saarland: „Mal sehen, wie lange ich hier bleiben darf. Bei wkw dauert meine Mitgliedschaft nie länger als einen Tag. Facebook hat mich auch schon wieder gelöscht. Ohne Angaben von Gründen.“
Inzwischen hat viele der hier genannten – und einige weitere – Profile das gleiche Schicksal ereilt (Ricarda Riefling und die Gruppe der sexy patriotischen Frauen sind bis jetzt geblieben). Trotzdem zeigt sich, dass Wachsamkeit geboten ist, um der rechtsextremen Themensetzung Einhalt zu gebieten: Mehrere Profile waren in der Tat seit April 2010 online – seit die „Deutsche Stimme“ zu mehr Netz-Aktivitäten aufrief. Die Aktivitäten auf den Seiten der Sozialen Netzwerke sind so vielzählig, dass diese auf die Meldungen aufmerksamer Userinnen und User angewiesen sind. Die NPD wird auch weiterhin versuchen, in den Sozialen Netzwerken mitzumischen – und sei es in Gruppen wie „Wir – die ewig gelöschten kommen immer wieder“.
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