Den rechten Arm zum Hitlergruß

Sie haben viele Menschen in Angst und Schrecken versetzt: Die Mitglieder der verbotenen Neonazi-Kameradschaft "Sturm 34" wollten in Sachsen eine "national befreite Zone" errichten. Jetzt wurden drei von ihnen verurteilt - wegen gefährlicher Körperverletzung. Eine kriminelle Vereinigung soll die Kameradschaft aber angeblich nicht sein.

Von Michael Kraske

Einige heben den rechten Arm zum Hitlergruß, gemeinsam singen die Kameraden vom "Sturm 34" ein Lied vom Ku Klux Klan. Danach
marschieren sie vom Jugendclub zu einer nahe gelegenen Tankstelle. Mit einem Faustschlag bestimmt ein Kamerad das Opfer für diesen Abend. Ein anderer kommt hinzu, zusammen prügeln sie auf den Mann ein, der am Boden liegt. So beschrieb es nach dem brutalen Überfall vor zwei Jahren ein Beteiligter den Ermittlern. Vor Gericht erinnert er sich eine Zeuge, dass Kameraden blutverschmiert in den Jugendclub zurückgekehrt seien.

Mit brutaler Gewalt beherrschte die verbotene sächsische Kameradschaft die Region Mittweida. Heute hat das Dresdner Landgericht die Urteile gegen fünf mutmaßliche Führungskader von "Sturm 34" gesprochen, Deutschlands brutalster Neonazi−Kameradschaft. Das Gericht verurteilte den mutmaßlichen Anführer Tom W., 20, und dessen drei Jahre älteren Bruder Peter wegen des Angriffs in Stollberg und weiterer Überfälle zu Jugendhaftstrafen von dreieinhalb und drei Jahren. Ein weiteres Mitglied erhielt eine Bewährungsstrafe. Zwei Angeklagte wurden freigesprochen, darunter Matthias R., 41, der sich dem Staatsschutz als Informant angedient hatte. Das Gericht sprach von einer außergewöhnlichen Brutalität, mit der die Täter vorgegangen seien. Nur durch glückliche Umstände habe es keine Toten gegeben. Die Bezugnahme der "Sturm 34"−Mitglieder auf nationalsozialistisches Gedankengut zeige überdies tiefen Rassismus.

Kriminelle Vereinigung ?

Vom Hauptanklagepunkt, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, sprachen die Richter die Angeklagten jedoch frei. Dafür reichten ihnen die Indizien aus den zahlreichen Aussagen von Zeugen nicht
aus. So berichtete ein Außenseiter der Gruppe, den sie als Fahrer benutzten, von der Gründungsveranstaltung im schäbigen Bauhof 2006. Dort habe einer der jetzt freigesprochene Angeklagten angekündigt, die Kameradschaft, benannt nach einer SA−Einheit, wolle die Region von Zecken säubern und mit Gewalt eine national befreite Zone schaffen. Informant R. beschrieb die militärische Hierarchie: der Anführer Tom W. an der Spitze, darunter die "Offiziere". Der Rest war Fußvolk, das sich beim "Fronteinsatz" bewähren musste. Etwa am 12. Mai 2006, als sie ein Zeltlager alternativer Jugendlicher an einem Badesee überfiel. Einer der Jugendlichen blieb nach einem Schlag mit einer Bierflasche auf den Kopf schwer verletzt liegen. Das Dresdner Landgericht legt die Messlatte dafür, wann eine hochgradig kriminell agierende Gruppe eine kriminelle Vereinigung ist, allerdings sehr hoch. So hätten die Täter ihre Taten einvernehmlich beschließen und an den Beschluss gebunden sein müssen.

Ziel: National befreite Zone

Nach dem knapp viermonatigen Prozess ergibt sich ein Bild, wie die sächsische Region um Mittweida in eine national befreite Zone verwandelt werden sollte. Und wie nahe die "Kameraden" ihrem Ziel kamen: Sie eroberten in der Gegend Macht über den Alltag. Sie entschieden, wer sich frei bewegen kann und wer nicht. Zuerst sollten Andersdenkende verfolgt werden, später Ausländer.

Sturmhauben, Würgehölzer und Schlagringe

Die Mitglieder trafen sich in einem alten Bauhof, ihrer Zentrale, hörten Nazi−Musik und brachen von dort zu systematischen Autostreifen auf, bei denen sie Opfer suchten. Nach einem Anruf, so sagte es ein Zeuge, schickte Tom W. ein Kommando zum Dorffest nach Breitenborn, etwa 20 Kameraden in vier bis fünf Autos. Eine junge Frau aus Rochlitz erinnert sich: Die marschierten in einer langen Reihe auf, versperrten de Hinterausgang und schlugen sofort zu. Zuerst auf Punks, dann auf alle, die sich einmischten. Die Bilanz: Neun Verletzte, einer davon schwer. Sie hatten mit Quarzsand gefüllte Handschuhe an, sagte die Augenzeugin. Die Polizei fand bei Razzien Sturmhauben, gefüllte Handschuhe, Würgehölzer, Schlagringe. Bis zum Verbot der Gruppe im April 2007 zählte die Polizei mehr als 70 Straftaten, darunter etliche Körperverletzungen.

Rechtsextreme Machtphantasien

Der Fall "Sturm 34" ist politisch brisant. Nicht nur, weil nach Polizeierkenntnissen etliche Kameraden zwischenzeitlich NPD−Mitglieder waren. Ein Aktenvermerk des Staatsschutzes von 2006 stellt fest, dass sich in der Region rechte Gewalttaten bereits seit 2004 häufen. Neonazis gaben an, dass bereits vorher eine andere Kameradschaft in der Region existierte, Name: Division Sächsischer Sturm (DSS). Doch selbst nach offizieller Gründung von "Sturm 34" verging ein weiteres Jahr bis zum Verbot durch den sächsischen Innenminister. Erst danach konnte die Polizei effektiv handeln. Mehrfach stoppte sie Wagen mit Kameraden, zeigte sie an, weil nun bereits das Treffen gegen das Vereinsgesetz verstieß. Dabei hatte Matthias R. bereits unmittelbar nach Gründung dem Staatsschutz Ziele und Methoden offenbart.

Er fürchtete, seine Kameraden könnten irgendwann jemanden töten.
Von Verfolgungsdruck spürten die Opfer allerdings wenig. Einmal sei Peter W. nachts mit einer Axt über den Rochlitzer Marktplatz patrouilliert. So sagte es Informant R. den Ermittlern. Ein beklemmendes Detail, das
viel sagt über rechtsextreme Machtphantasien und staatliche Ohnmacht.

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