"Thügida" orientiert sich inzwischen Richtung Rechtsextremismus, einigen Thüringer AfD-Politikern gefällt das aber immer noch - und übrigens auch über 15.000 Menschen auf Facebook.
Screenshot Facebook, 12.04.2017

März 2017: Rechtspopulismus

AfD und … Wahlkampf – Umfragewerte nehmen ab +++ … Rechtsextremismus – Streit um „Thügida“, Marc Jongen beim „Institut für Staatspolitik“, Kontakte zur IB in Mecklenburg-Vorpommern +++ … Social Media: Die Berliner AfD und Frauke Petry verposten sich merhfach +++ … Wähler_innen: Warum wählen manche jungen Erwachsenen, Russlanddeutsche, Migrant_innen AfD? +++ … Björn Höcke, Historie und Hitler +++ Pegida und weitere rechtspopulistische Gruppierungen +++ Rechtspopulismus: Ursachen und Sprache.

 

Zusammengestellt von Simone Rafael

 

AfD und  Wahlkampf

  • AfD-Zustimmung nimmt ab: Umfragen prognostizieren noch 8 bis 10 Prozent bei der Bundestagwahl (Tagespiegel)
  • Im AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl geht es um Einwanderung, Migration, Einbürgerung – und wie straffällige Deutsche mit ausländischen Eltern ausgebürgert werden sollen (FAZ).
  • Wie radikal wird die AfD-Fraktion im Bundestag? Wenn man sich aussichtsreiche Kandidat_innen wie den Dresdner Richter Jens Maier ansieht, könnte die mutmaßlich um die 60 Abgeordnete starke AfD-Fraktion recht radikal werden (Tagesspiegel).
  • Wahlkampfauftakt der AfD in Lübeck: Massiver Protest gegen Frauke Petry in Lübeck (Shz)
  • Mit 67 Prozent der Stimmen wurde Beatrix von Storch als Spitzenkandidatin der Berliner AfD gewählt; hier will die AfD mit Islamfeindlichkeit und Völkischem Stimmen gewinnen (Tagesspiegel)
  • In Köln startet die AfD den Wahlkampf zur Landtagswahl mit Plakaten, die Flüchtlingsfeindlichkeit schüren oder Politiker anderer Parteien angreifen (Welt)

 

AfD und Rechtsextremismus

  • Thüringen: Der AfD-Landtagsabgeordnete Gottfried Backhaus hat „Thügida“ mit einer Spende unterstützt – sein Kollege Hans-Thomas Tillschneider, Sprecher der AfD-nahen neurechten „Patriotischen Plattform“ und Besucher von „Pegida Dresden“ und „Legida“, kritisiert das -  „Thügida“ sei zu rechts sei (mdr). Überhaupt wähnt die Björn Höckes Thüringer AfD „Extremisten“ in den eigenen Reihen unter Anhänger_innen von „Thügida“ und der „Freiheitlich Patriotischen Alternative“ (FPA). Kein Wunder, dass der Thüringer Verfassungsschutz sich auch für die AfD interessiert (juedische-allgemeine).
  • Der AfD-Mitgründer und Vorsitzende der parteinahen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“, Konrad Adam, ist bei der extrem rechten „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ (SWG) in Hamburg aufgetreten – zusammen mit einem Kriegsschuld-Leugner (bnr).
  • Ein Drogenfahnder, der zugleich Reichsbürger ist, musste den Polizeidienst verlassen – bei der AfD sitzt er in Hamm im Kreisvorstand (BILD)
  • Burschenschaften bilden zunehmend das Rückgrat der Neuen Rechten und der AfD – etwa die „Gothia“. Reportage auf ZEIT.de
  • Ende April findet im „Großraum Dortmund“ der „Alternative Wissenskongress" (AWK) statt, organisiert von vier AfD-Funktionären, und mit Redner_innen, die auch noch weiter rechtsaußen gern eingeladen werden (bnr)
  • Der AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg hat gute Chancen, Alterspräsident des künftigen Bundestages zu werden. Den Holocaust bezeichnete er als "Mythos" und "Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen" (BR)
  • Die Nürnberger AfD-Politikerin Elena Roon hat ihre Direktkandidtur für den Bundestag zurückgezogen, nachdem sie Hitler-Bilder bei Whatsapp verschickt hatte (BR, btn berichtete)
  • Offiziell gibt es keine Zusammenarbeit zwischen AfD und neurechter Identitärer Bewegung (IB). In Schwerin sitzt nun allerdings eine IB-Unterstützer für die AfD im Innenausschuss. Eine frühere IB-Anhängerin ist jetzt Funktionärin der „Jungen Alternative“ (Endstation rechts).
  • Der AfD-Philosoph Marc Jongen will die „Thymosspannung“ der Deutschen erhöhen, um sie wehrhaft gegen „die Fremden“ zu machen. Dafür hält er Vorträge wie  „Migration und Thymostraining“, am 17. Februar im Rahmen der sogenannten Winterakademie des neurechten „Instituts für Staatspolitik“ hielt (Junge Welt)

 

AfD und Social Media

  • AfD Berlin warnt vor Reisen nach Schweden ("Komisch, dass wir darüber nichts in den Medien erfahren...") – weil die Terrorwarnstufe, die die AfD beim Auswärtigen Amt gesehen haben will, nicht stimmte (Morgenpost.de)
  • die Berliner AfD twittert: "Bis zur Bundestagswahl wird es keine Presse mehr geben, die schaden könnte." – kurz darauf gelöscht, laut AfD-Pressesprecher "zugegeben etwas überspitzt“ (Morgenpost.de)
  • die Berliner AfD twittert auch ein Foto eines ihrer Abgeordneten mit Hertha BSC-Spieler Marvin Plattenhardt – der distanziert sich umgehen (taz), die AfD löscht aber nicht – einweilige Verfügung (Welt).
  • Frauke Petry postet auf Facebook über die Türkei – leider mit einer tunesischen Flagge (Welt)
  • Frauke Petry postet auch ein Foto der Schützen-Musikgruppe „Rhine Guards“ – die wehren sich erfolgreich (RP-online).
  • In Sozialen Netzwerken freuen sich zahlreiche AfD-Politiker auch – über die Inhaftierung des „Welt“-Reporters Deniz Yücel: "National-Borderliner Yücel hätte in Deutschland schon längst wegen Beleidigung und Volksverhetzung Gefängnis von innen erleben sollen." (Markus Frohnmaier, Bundesvorsitzender der „Jungen Alternative“); „#Merkel #CDU macht sich Sorgen um "Deutschland verrecke" #Yücel. Das passt zusammen. #Breitscheidplatz fand nicht annähernd so viel Interr.“ (Harald Laatsch, AfD Berlin) (tazHuffington Post)
  • Auf „Wikipedia“ hat die AfD stille Helfer, wie etwa „Lukati“: der tilgt negative Einträge zur Partei oder macht Tatjana Fersterling von der „Rechtspopulistin“ zur „politischen Aktivistin“ (FR).
  • In einer Messenger-Gruppe der AfD im Weserbergland finden sich pornografische Bild-Montagen und Herabwürdigungen von Politikern, Juden und Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe. Der  niedersächsische AfD-Chef Armin Hampel schweigt dazu (Welt).

 

AfD und Wähler_innen

 

Warum wählen manche jungen Erwachsenen AfD?

Drei JA-Aktivisten aus Badenwürttemberg sagen bento: Die EU habe zu viel Macht, die Liberalen hätten sie enttäuscht, die Bildungspolitik sei nicht zufriedenstellend (gemeint ist zu viel Platz für Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Vielfalt).

 

Warum wählen manche Russlanddeutsche AfD?

Im „Koordinierungszentrum der Russlanddeutschen“ in der AfD wird genannt: „Für die deutsche Heimat“ eintreten, „patriotische Kräfte des Landes“ unterstützen, gegen die „Unterjochung der BRD durch die USA“, Deutschland solle „nie wieder gegen Russland aufgehetzt“ werden und der „Zustrom von fremden Völkern nach Deutschland ab sofort“ gestoppt werden (bnr).

 

Warum wählen oder engagieren sich Migrant_innen bei der AfD?

Achille Demagbo aus Benin ist Gründungsmitglied und Chef der Kieler AfD. Er sagt, er liebe „Ordnung und Disziplin“, mag Friedrich Nietzsche und Immanuel Kant, habe in Deutschland noch nie Rassismus erlebt und schätze deutsche Kultur und gesellschaftliche Normen. Er spricht davon, dass Errungenschaften, „die wir haben, in Deutschland, auf dem politischen Altar zugunsten linker politischer Experimente geopfert“ werden. „Ich bin dagegen. Die EU scheitert, der Euro scheitert. Und auch Multikulti ist gescheitert.“ Er sei wertkonservativ, aber die CDU sei ihm zu links (FAZ).

Sami Omar kommentiert auf migazin.de über schwarze Aktivisten und Politiker in der AfD: „Sie sind ganz normal Opportunisten.“ Sie seinen tolerant gegenüber Rassismus in der eigenen Partei, um dort als anerkannt zu gelten, und argumentieren etwa wie Achille Demagbo: „Ich würde nie in einer fremdenfeindlichen Partei Mitglied werden, aber jetzt mal umgekehrt: Welche rassistische Partei würde einen Schwarzafrikaner in den Vorstand wählen?“ Omar kommentiert: „So argumentieren Menschen, die ihre Hautfarbe als Mittel nutzen. Menschen, die sie zur Rechtfertigung nutzen und solche, die sie zur Abgrenzung nutzen. Man nennt sie Rassisten.“

 

AfD und Björn Höcke

  • Dass AfD-Vorsitzende Frauke Petry sich von Höckes Dresdner Rede distanziert, mutet scheinheilig an, wenn sie etwa  dem Wall Street Journal sagt, Besuche in Konzentrationslagern seien für Schüler wichtig, um zu verstehen „was Menschen Menschen antun können“, und hinzufügt: „Im gleichen Maße sollte man sie darüber informieren, dass die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg es den deutschen Kriegsgefangenen erlaubten, in Lagern auf den Rheinwiesen zu verhungern.“ (Tagesspiegel)
  • Auch Björn Höcke selbst spricht mit dem Wall Street Journal und sagt, ihn störe nicht nur am Umgang mit dem Leid der Zivilbevölkerung und der Kriegsgefangenen, sondern auch, wie NS-Diktator Adolf Hitler in der Geschichtsschreibung dargestellt wird: "Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird. Aber selbstverständlich wissen wir, dass es in der Geschichte kein Schwarz und Weiß gibt.“ (Abendzeitung München). Und dementiert wie immer hinterher (ZEIT). AfD-Vize Alexander Gauland verteidigt ihn, auch wie immer (Tagesspiegel).
  • In Brandenburg sagt Björn Höcke dann über Berlin-Neukölln: „Das ist kein Deutschland mehr“ – dabei gibt es dort aktuell vor allem eine Gewalt-Serie von Rechtsextremen gegen politische Gegner_innen (Spiegel) -  und befürchtet, dass die angegliche „Frühsexualisierung“ in den Schulen „das natürliche Schamgefühl unserer Kinder“ zerstöre (Tagesspiegel).
  • Mit einem Mitgliederbrief will die AfD nach dem Streit um das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke für Einigkeit sorgen, wichtig sei doch der „gemeinsame Kampf gegen die Altparteien.“ (Tagesspiegelstern)

 

Pegida und rechtspopulistische Gruppierungen

 

  • Auch Pegida-Chef Lutz Bachmann freut sich wie einige AfD-Funktionäre (s.o.) über die Verhaftung des „Welt“-Journalisten Deniz Yücel in der Türkei: „Um es drastisch auszudrücken, ‚Gibt’s in der Türkei die Todesstrafe? Wenn ja, wäre die Hinrichtung von Schmierfink Deniz mal wieder ein guter Grund hinzufahren!‘“ (SZ-online)
  • Pegida Dresden hatte am 06.03.2017 rund 1.300 Teilnehmer_innen (SZ online); am 13.03.2017 rund 2.000 Teilnehmer_innen (SZ online).
  • Der Galgen für Sigmar Gabriel und Angela Merkel bei einer Pegida-Demo im Herbst 2015 wird keine strafrechtlichen Konsequenzen haben. Die Dresdner Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen jetzt mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit ein. Das Verhalten des Beschuldigten sei interpretationsfähig und damit mehrdeutig. Eine Störung des öffentlichen Friedens durch Androhen von Straftaten sei damit nicht nachweisbar (hitradio)
  • Während andere Pegidas schwächeln, expandiert „Thügida“, die sich zum rechtsextremen Netzwerk entwickelt hat und längst auch über Thüringen und Sachsen hinaus aktiv ist (bnr).
  • Beliebter als die alten „Gidas“ bleiben derzeit noch „Merkel muss weg“-Demos: In Berlin nahmen rund 500 Menschen teil, darunter Rechtspopulist_innen und Rechtsextreme etwa von NPD, „Identitärer Bewegung“, „Nationalem Widerstand“ teil (rbbwelt.debnr)
  • Neue Rechtspopulisten in Bremen: „Loyale Patrioten Deutschland“ (Weser-Kurier).

 

Rechtspopulismus

Die Fake-Alternative

Es gibt wohl kaum ein anderes Wort, das man in jüngster Zeit so derart zu ruinieren versucht hat wie das Wort ‚Alternative‘: alternative Fakten, alternative Medien, Alternative für Deutschland, Junge Alternative, Alt-Right. Vor kurzem waren die Alternativen noch ein paar langhaarige Hippies oder demonstrierende linke Aktivisten oder Reformökosozialisten der DDR, die sich für andere Lebens- und Wirtschaftsmodelle engagierten. Jetzt dient das Wort als Tarnung für diejenigen, die genau diese alternativen Lebensformen abgrundtief hassen und wieder rückgängig machen wollen, um sie gegen das einzutauschen, wogegen die alten Alternativen einst kämpften: Heteronormativität, Nationalismus, autoritäre Politik im Namen des Volkes, Umweltverschmutzung, Sozialdarwinismus, Rassismus, Misogynie etc. (Geschichte der Gegenwart)

 

"Die Flüchtlinge sind nicht schuld am Unglück der Dresdner Mittelschicht"

Der Linguist Anatol Stefanowitsch erklärt, warum man die AfD eine rechtsextreme Partei nennen sollte - und warum die Sprache der Politiker nicht das Problem ist (Sueddeutsche.de); vgl. „Das Alphabet des rechten Denkens“ (ZEIT)

Debatte Rechtspopulismus in Europa: In der Geert-Wilders-Falle

Faktenchecks bewirken wenig gegen hartnäckigen Glauben. Journalisten werden zur Konfliktpartei und viele haben sich an Wilders gewöhnt. In den Niederlanden finden am 15. März Parlamentswahlen statt. Der Wahlkampf wird dominiert von einem Politiker, der ohne einen einzigen Beweis sagt: ,,Frauen haben Angst, ihr blondes Haar zu zeigen.'‘ Oder auch: ,,Die islamische Ideologie ist womöglich noch gefährlicher als der Nationalsozialismus.'‘ Ob das wahr ist oder nicht, scheint seiner Anhängerschaft egal zu sein. Was für sie zählt, ist, dass er gegen Muslimen redet. Und gegen Asylbewerber (taz).

Allerdings verliert Geert Wilders und seine PVV bei den Parlamentswahlen deutlich, landet mit 13 % der Stimmen hinter der VVD von Regierungschef Mark Ruthe. Damit wird Wilders auch nicht an der Regierungsbildung beteiligt sein (Morgenpost.de, vgl. Deutschlandfunk).

 

„Eliten sind Hauptschuldige am Rechtsruck und Fremdenhass“

Michael Hartmann, 64, ist Professor für Soziologie und lehrte bis 2014 an der TU Darmstadt. Zu seinen Schwerpunkten gehören Eliteforschung und Managementsoziologie. Er erklärt, warum das Wettern gegen Eliten aus jeder populistischen Richtung funktioniert (ksta).

 

Prekarisierung und Rechtspopulismus: Eine gefährliche Mischung

Je prekärer, desto rechter? Trotz boomender Wirtschaft fühlen sich Millionen Menschen in Deutschland abgehängt, Biographien werden brüchiger. Das hat erschreckende Folgen, sagen Forscher (Tagesspiegel)

 

„Pulse of Europa“: Für Europa auf die Straße

„Pulse of Europe“ heißt die Bewegung, die von Frankfurt aus Dutzende Städte in acht europäischen Ländern erfasst hat. Immer mehr Europa-Freunde schließen sich an und gehen sonntags zu Demonstrationen (SZ online).

 

Rechtspopulismus: Europa wehrt sich

Rechtspopulisten mobilisieren. Aber nicht nur ihre eigenen Leute, sondern auch alle, die ihnen etwas entgegensetzen wollen. Europa könnte davon sogar profitieren - weil es seinen Bürger_innen wieder etwas bedeutet (ZEIT)

 

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