Die Kinder sind aus dem Haus, die Konstitution erlaubt es nicht mehr, auf Demonstrationen zu gehen - oder es ist einfach eine Suche nach neuen Betätigungsfeldern, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Workshops "Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis" motiviert. Der nächste Workshop findet am 13. Dezember in Berlin statt.
Von Joachim Wolf
„Nachdem meine Kinder das Haus verlassen hatten, um zu studieren, habe ich nach einer Form des gesellschaftlichen Engagements gesucht“, sagt Andreas Nübel, ein Teilnehmer des Workshops „Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis“. Das Thema Rechtsextremismus hat ihn schon lange interessiert. Er hat sich auch im Internet darüber informiert. „Ich nutze das Internet überhaupt sehr viel, aber gegenüber den interaktiven Foren des Netzes hatte ich aber lange Berührungsängste“, gesteht er ein. Im Workshop habe er dann viel über das Internet und seine Foren gelernt, sowie darüber, wie man Neonazis im Netz erkennt und argumentativ entgegentritt. Jetzt ist er regelmäßig in den Sozialen Netzwerken unterwegs und engagiert sich dort auch gegen Neonazis.
Ein anderer Teilnehmer, der sich bereits langjährig in einer Partei gegen Rechtsextremismus engagiert, begründete sein Interesse an einem Engagement gegen Neonazis im Web 2.0 damit, dass er mittlerweile nicht mehr die Kraft habe, immer auf Demonstrationen gegen Naziaufmärsche zu gehen. Außerdem fand Bernd Hartmann* die Möglichkeit, Neonazis im Netz entgegenzutreten, auch deshalb spannend, weil man dort länger und in Ruhe über eine passende Antwort nachdenken könne. Anders als beispielsweise als bei einer Diskussion an einem rechtsextremen Infostand. Nun ist auch er auf www.belltower.news aktiv und diskutiert dort über das Thema Rechtsextremismus und über Gegenstrategien.
Dies sind zwei Beispiele für das demokratische Engagement älterer Menschen gegen Neonazis im Internet. Und es sind zwei Beispiele für den Erfolg des Projekts „Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis“. Ziel des Projekts ist es, Menschen über 50 in Workshops fit zu machen für die Nutzung des interaktiven Teils des Internets und sie dazu zu motivieren, sich im Web 2.0 für eine demokratische Kultur und gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Auf www.belltower.news oder in sozialen Netzwerken sollen die „Silver Surfer“ mit Jugendlichen ins Gespräch kommen, Erfahrungen und Ideen austauschen und sich gemeinsam Aktionen und Argumente gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im Web 2.0 überlegen und ausprobieren. Schließlich fehlt die lebenserfahrene Stimme der Generation 50plus leider noch viel zu häufig in den Foren des Internet - gerade auch in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Sprücheklopfern.
Das Projekt „Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis“ der Amadeu Antonio Stiftung bringt diese Stimmen ins Netz. Denn nach der bisher anderthalbjährigen Laufzeit lässt sich festhalten: Das Projekt erreicht genau die Menschen, die wir erreichen wollten. Unter den Workshop-Teilnehmern waren ebenso Mitarbeiter von Bildungseinrichtungen, Verbänden und Stiftungen wie Parteimitglieder, Gewerkschaftler und Engagierte aus demokratischen Initiativen oder Vereinen. Das Teilnehmer-Spektrum reichte von Mitgliedern der Generation 50plus, die auf der Suche nach einem neuen gesellschaftlichen Betätigungsfeld waren, über ältere Menschen, die sich bereits gesellschaftlich engagierten, aber sich bisher nur wenig mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandergesetzt hatten, bis hin zu 50plusern, die sich bereits gegen Neonazis engagierten, aber das Internet als neues Aktionsfeld für ihr demokratisches Engagement spannend fanden. Nach dem Anstoß des Workshops engagieren sich nun viele dieser erfahrenen Menschen im Netz gegen Neonazis, suchen die Diskussion mit Unentschlossenen und rechtsextrem Orientierten, klären auf und sorgen auch für Ordnung, wo sich Rechtsextreme als unbelehrbar erweisen.
"Ich wünsche mir, dass sich mehr ältere Bürgerinnen und Bürger trauen, Rechtsextremismus entgegen zu treten und damit Demokratie zu leben" hatte Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth auf einer zu Beginn des Projektes veranstalteten Podiumsdiskussion gesagt und damit auch das Ziel des Projekts treffend zusammengefasst. Süssmuth betone dabei auch, wie wichtig es sei, dass ein Projekt wie "Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis" das Potential älterer Menschen für das demokratische Engagement speziell im Internet aktivieren würde. Auch Dr. Henning Scherf, Schirmherr des Projekts, betonte in einem Statement, dass das Internet „der ideale Ort für einen Austausch der Generationen und für den gemeinsamen Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ sei. Beide Aussagen verweisen dabei auch auf den innovativen Charakter des Projekts: Schließlich gibt es noch kein Projekt, dass gleichzeitig die „digitale Integration“ älterer Menschen und deren demokratisches Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im Web 2.0 fördert.
Dementsprechend viel Aufmerksamkeit hat das Projekt „Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis“ seit seinem Start im August 2009 auch bekommen: Durch die Medien ebenso wie durch Parteien, Verbände, Gewerkschaften, Vereine, Initiativen, Stiftungen und Bildungseinrichtungen, die ihr Interesse an dem Projekt bekundeten und ihre Unterstützung zusagten. Zum Erfolg des Projekts „Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis“ trugen viele Unterstützer bei: Etwa die Wochenzeitung Die Zeit, der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, die Freudenberg Stiftung, die Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit Berlin und die Europäische Jugendbildungs- und -begegnungsstätte Weimar. Gefördert wird „Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis“ durch den Zukunftsfonds der Generali Deutschland Holding AG, der sich intensiv für die demokratische Teilhabe älterer Menschen in Deutschland engagiert.
Gestartet wurde „Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis“ im August 2009, an die Öffentlichkeit gegangen sind die Amadeu Antonio Stiftung und die Redaktion www.belltower.news mit dem Projekt erstmals im Rahmen der „Woche des bürgerschaftlichen Engagements“ im Oktober desselben Jahres. Seitdem wurden insgesamt 10 Workshops in verschiedenen Bundesländern und ein Fachgespräch zum Thema „Engagement älterer Menschen gegen Rechtsextremismus- auch im Internet?“ unter anderem mit Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth und Prof. Dr. Andreas Zick von der Universität Bielefeld durchgeführt.
Der nächste Workshop des Projekts findet am 13. Dezember in Berlin statt.
Weitere Informationen auf unter Tel.: 030 / 24 08 86 24 oder unter ngn@amadeu-antonio-stiftung.de.
Mehr auf Belltower.news zum Projekt:
| Generation 50 plus aktiv im Netz gegen Nazis
*Name geändert