Köpfe von Pegida auf der Konferenz für die "Lügenpresse": Lutz Bachmann und Kathrin Oertel (v.l.)
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Lügenpressekonferenz von Pegida: Nicht sehen, nichts hören, nichts sagen

Schwerpunkt Januar 2015: Normalerweise tituliert "Pegida" Journalist_innen nur als "Lügenpresse", heute aber gaben Lutz Bachmann und Kathrin Oertel als "Pegida"-Vertreter_innen eine erste Pressekonferenz. Deprimierenderweise war diese in der sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung organisiert. Ansonsten war der Haupt-Erkenntnisgewinn, wie sehr die Pegida-Macher_innen versuchen, ihr eigenes Handeln schönzureden oder zu ignorieren, welche Geister sie beschwören: Rassisten, Nazis, Bedrohung? Nein. Kaum. Höchstens in der Presse.

Von Simone Rafael

Der Direktor der sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung macht keine gute Figur bei der ersten Pressekonferenz der "Patriotischen Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes": Niemand habe die "Pegida"-Pressekonferenz ausrichten wollen, so sei sie in der Landeszentrale untergekommen, sagt Richter und möchte das als Brückenbau verstanden wissen. Zwischen Pegida und der "Lügenpresse"? Zwischen Pegida und dem demokratischen Rest der Gesellschaft, in die sich die Rechtspopulist_innen einfach nicht integrieren wollen? Wenn er es denn als Bildung für "Pegida"-Teilnehmer_innen meinen würde - denn die haben sie ohne Zweifel nötig. Allerdings wurde bei der Pressekonferenz am 19. Januar 2015 in Dresden niemand gebildet, "Pegida" durfte nur aussenden. Anti-Nazi-Aktionen oder Flüchtlingen war bisher keine Pressekonferenzen in der Landeszentrale für Politische Bildung vergönnt.

"Wegen Pegida soll keiner zu Tode kommen"

Für "Pegida" sitzen Lutz Bachmann und Katrin Oertel auf dem Podium und sagen zunächst, was sie alles nicht beantworten wollen (Privatleben, alles, was nicht direkt mit der Absage der Demonstration heute abend zu tun hat, aber auch keine konkreten Fragen zur Bedrohungssituation etc.).  Lutz Bachmann verliest ein Positionspapier, das von vorher 19 nun auf 6 Punkten reduziert wurde: 1. Ein neues Zuwanderungsgesetz mit "qualitativen" Kriterien à la Kanada oder Schweiz. 2. Integrationspflicht 3. Ausweisung, Einreise- und Aufenthaltsverbot für "Islamisten". 4. Volksentscheide 5. Ende der "Kriegstreiberei" mit Russland 6. Mehr Mittel für die Polizei. Wem diese Mischung krude vorkommt, der war noch nicht auf einschlägigen rechtspopulistischen Internetseiten unterwegs. Immerhin sind weitere Rechtsaußen-Baustellen wie der "Genderterror" nun offiziell weggefallen. 

Kathrin Oertel spricht von der Verantwortung (deshalb Demonstration abgesagt), der Meinungsfreiheit (wollen sie sich nicht nehmen lassen), und spricht dann den Satz: "Wegen Pegida soll keiner zu Tode kommen." Das unterschreiben wir natürlich, allerdings meinte Oertel mehr "Pegida"-Teilnehmer_innen als Flüchtlinge, die durch die rassistische Hetze auf den Straßen um ihr Leben fürchten (siehe "Dresden - bald No-Go-Area für Schwarze Menschen?")

"Bei uns sind keine Fremdenfeinde"

Denn die, findet zumindest Lutz Bachmann, müssen sich um "Pegida" keine Sorgen machen: Die seien ja sogar eingeladen, wenn sie denn auch gegen Islamisierung seien! "Bei uns sind keine Fremdenfeinde! Wir haben Fahnen aus so vielen Ländern dabei!" sagt Bachmann zufrieden - Fahnen von Islamfeinden anderer Länder, müsste das zwar richtig heißen, denn ja, Islamfeinde gibt es auch international. Aber wenn es der eigenen Argumentation nutzt, lässt es sich wie Vielfalt darstellen. Zwar hatten Bachmann und Oertel zuvor zugegeben, dass es auch einige Nazis unter den Demonstrant_innen gäbe, und man da leider nicht viel tun könnte. Andererseits stellten sie aber auch fest: Immer wenn jemand ein Plakat mit einem problematischen Inhalt hochhalte, sei schon ein Fotograf da, um es abzulichten. Wer ist Schuld? Die Lügenpresse natürlich. Wer sich die Welt so erklärt, kann dann auch zu dem Schluss kommen, den Lutz Bachmann äußert: "Ich verstehe nicht, warum Menschen Angst vor Pegida haben." Gemeint waren die Menschen mit Migrationshintergrund, die sich montags in Dresden nicht mehr aus dem Haus trauen, weil sie schon den Rest der Woche so sehr rassistisch schickaniert werden, dass sie es an "Pegida"-Demonstrationstagen nicht mehr darauf ankommen lassen wollen (siehe "Gewalt im Umfeld von Pegida").

Stattdessen beklagt sich Kathrin Oertel, dass ihre Kinder in der Schule schräg angeschaut würden. Das ist natürlich auch die Schuld der "Riesenmacht" der Presse, sagt die Frau, die als "Pressesprecherin" von Pegida fungiert und als solche hätte ahnen können, dass ihr Engagement dann eventuell auch publik wird. Wie muslimische Kinder in der Schule angeschaut werden, wenn ihre Eltern von "Pegida"-Anhänger_innen permanent unter Generalverdacht gestellt werden, fragt sie sich nicht.

Visionen können Bachmann und Oertel nicht anbieten. Wo sie hin wollen, werden sie gefragt. Sie wollen keine Partei werden, aber mit Parteien reden, aber konkret gibt es da noch nichts zu sagen. Es sei doch gut, dass Menschen in Deutschland wieder über Politik reden, sagt Bachmann, und mehrmals, er wolle montags auch mal wieder etwas anderes machen. Wir allerdings auch.

Twitter-Kommentare zur Pressekonferenz finden sich unter

#luegenpk
#pegidacam

Die heutige "Pegida"-Demonstration in Dresden wurde aufgrund einer Terrorwarnung vom "Pegida"-Organisationsteam abgesagt. Auch alle Gegendemonstrationen wurden untersagt, obwohl sich die Terrorwarnung auf Lutz Bachmann als Person bezogen haben soll. Deutschlandweit finden allerdings diverse "Pegida"-angelehnte Aufmärsche statt (Auflistung hier).

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