Die "Merkel muss weg"-Demo in Berlin.
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Juli 2017: Rechtspopulismus

Rechtspopulismus-Debatte: Wer, wieviele und warum überhaupt? +++ "Finis Germania" und die Bestsellerliste +++ Fischen am rechten Rand - CDU-Mitglieder in fragwürdigem Mediennetzwerk aktiv +++ Der "Deutschland-Kurier": Rechtspopulismus im Print +++ Die AfD, ihr Weg nach Rechtsaußen, die Austrittswelle und trotzdem Mitgliederrekord +++  Die AfD und ihre internen Querelen +++ Die AfD im Wahlkampf +++ Die AfD und die Realpolitik

 

Rechtspopulismus-Debatte: Wer, Wieviele und Warum überhaupt?

  • Menschen, die rechts denken, sehen sich selbst oft als Angehörige der politischen Mitte. Dies zeigt eine Studie unter Azubis. (ZEIT)
  • Ein Drittel der Deutschen ist laut einer neuen Studie für Populismus empfänglich (Frankfurter Neue PresseZEIT).
  • Politologin Ann-Cathrine Jungar im Interview über den Erfolg des Rechtspopulismus in Europa (Frankfurter Rundschau)
  • Der Rechtspopulismus stellt Einrichtungen und Organisationen, die gegen Rechtsextremismus kämpfen, vor neue Herausforderungen. "Unsere Aufgaben verändern sich enorm", sagt der Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus, Martin Becher, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. "Die Auseinandersetzung ist viel komplexer geworden." Neonazis seien in der Gesellschaft klar ausgrenzbar, Rechtspopulisten dagegen drängten in die Gesellschaft hinein: "Sie wollen als etwas Normales akzeptiert werden." (Frankenpost)
  • Petry, Szydło, Le Pen und viele mehr: Überall in Europa legen rechtspopulistische Parteien zu und in vielen stehen Frauen an der Spitze. Ist das noch ein Zufall? (ZEIT)

 

"Finis Germania": Rechtspopulismus an der Grenze zur Volksverhetzung zuerst auf der Bestsellerliste. Dann nicht mehr.

Nachdem das rechtsextreme Skandalbuch "Finis Germania" aus Götz Kubitscheks Antaios-Verlag es auf die Spiegel-Bestellerliste geschafft hatte, war es ganz schnell auch wieder runter (SZFAZ). Ein bisher einmaliger Vorgang (FAZ). Die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin äußert sich, nachdem der Titel nicht mehr auftaucht, schließlich so: "Ich habe (…) das Buch als 'rechtsradikal, antisemitisch und geschichtsrevisionistisch' bewertet. Der SPIEGEL, der sich auch bei historischen Themen als Medium der Aufklärung versteht, will den Verkauf eines solchen Buches nicht befördern. (SPIEGEL)

 

Fischen am rechten Rand - CDU-Mitglieder in fragwürdigem Mediennetzwerk aktiv

Ein auch in Hessen aktives Mediennetzwerk verbreitet nach Einschätzung des Verfassungsschutzes Meldungen mit rechtsextremen Inhalten. Nach Recherchen von hr-iNFO sind mehrere Mitglieder der CDU im Kreis Offenbach mit dem Mediennetzwerk verbunden. Die Sachsen-Depesche, Bayern-Depesche und Hessen-Depesche verbreiten regionale, aber auch überregionale. Doch laut sächsischem und bayerischem Verfassungsschutz auch Artikel mit inhaltlicher Nähe zur NPD. Im Hintergrund des verzweigten Medienverbundes agieren an zentraler Stelle vier Mitglieder der CDU im Kreis Offenbach. Geschäftsführerin des Depeschen-Verbundes ist Angela Prokoph-Schmitt. Sie ist Mitglied der CDU Mainhausen. (HessenschauFrankfurter Neue PresseBTN)

 

Der "Deutschland-Kurier": Rechtspopulismus im Print

Seit Juli gibt es eine neue Zeitung auf dem Markt. Der "Deutschland Kurier" berichtet aus AfD-Perspektive. Wie bereits bei den Landtagswahlen kann die Partei auch vor der Bundestagswahl am 24. September auf die Unterstützung anonymer Gönner zählen. (BTN)  2016 finanzierte der "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten" mit Sitz in Stuttgart neben Plakataktionen und Internetauftritten auch die großangelegte Verteilaktion einer kostenlosen Zeitschrift. Laut Recherchen von CORRECTIV war der Verein mit seiner Verbindung zu Schweizer Werbeagentur Goal AG und ihrem Geschäftsführer Alexander Segert, auch bei den Landtagswahlen in NRW aktiv. (Mannheimer Morgen)

Der "Deutschland Kurier" wird womöglich aus der Schweiz finanziert (NZZ). Unter anderem Erika Steinbach und Ex-Bild-Chef Peter Bartels haben regelmäßige Kolumnen in dem Blatt. (BTNMeediaSZ). Der "Berliner Kurier", dessen Logo dem der AfD-nahen Postille verdächtig ähnlich sieht, hat Beschwerde eingelegt. (Meedia)      

 

Die AfD, ihr Weg nach Rechtsaußen, die Austrittswelle und trotzdem Mitgliederrekord

  • Björn Höckes Stellvertreterin Steffi Brönner schlägt Alarm: „Die AfD besetzt in Thüringen zentrale Funktionen mit Personen, die in ihrer Vergangenheit tief im rechtsextremistischen Bereich tätig waren.“ (Thüringer Allgemeine)  Brönner ist von ihrem Stellvertreter-Posten zurückgetreten, bleibt aber in der AfD (FAZ).
  • Bei der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) kracht es. Seitdem der Chef des JA-Bezirksverbandes Braunschweig, Lars Steinke aus Göttingen, zum Landesvorsitzenden gewählt worden ist, häufen sich die Austritte. Nach Informationen des Göttinger Tageblatts haben unmittelbar nach der Wahl 21 JA-Mitglieder ihrer Organisation den Rücken gekehrt - darunter auch die Chefs der Bezirksverbände Hannover und Lüneburg. (Göttinger TageblattGöttinger TageblattZEIT)  
  • Die Bremer AfD und ihre Jugendorganisation sind mitnichten so harmlos wie sie sich darstellen, das zeigen die neuesten Entwicklungen. Der Verdacht, dass zwischen „Junger Alternative“ (JA) und „Identitärer Bewegung“ in der Hansestadt kein Blatt Papier passt, besteht schon länger. Jetzt bestätigte der Senat der Stadt an der Weser auf eine Anfrage der Partei Die Linke, dass es Kontakte gebe und das zuständige Landesamt für Verfassungsschutz prüfe, „welche Auswirkung diese Erkenntnisse bei der Bewertung der JA haben" (BNRBundespresseportal).
  • Ab Ende Mai kam es in Sachsen-Anhalt gleich zu einer kleinen Austrittswelle innerhalb der AfD-Landtagsfraktion. Den Anfang machte Sarah Sauermann, die ihren Austritt aus der Fraktion um André Poggenburg erklärte, da eine „konstruktive Arbeit im Sinn der Sache unmöglich“ sei. Wenige Tage später verließ auch Gottfried Backhaus die Fraktion, er vermisse vom Fraktionschef die Bereitschaft, „zwischen verschiedenen Positionen zu vermitteln“. Auf Backhaus folgte Jens Diederichs, dem vor allem ein Rechtsruck innerhalb der Fraktion Sorgen bereitete. Zudem sah der ehemalige AfD-Abgeordnete, der mittlerweile der CDU-Fraktion – vorerst als Gast – beigetreten ist, die Nähe der AfD zur rechtsextremen Identitären Bewegung kritisch. (Endstation Rechts)
  • Der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Ralph Weber lud in Greifswald zu einer Veranstaltung zum Thema Islam ein. Dabei nahmen neben Parteimitgliedern auch NPD-Funktionäre an dem Treffen bei einer Burschenschaft teil. In Rostock kamen zu einem Vortrag bei der dortigen Burschenschaft neben AfD-Abgeordneten auch Kader der Identitären Bewegung. (Endstation Rechts)
  • Wie radikale Burschenschaften zur Kaderschmiede der AfD werden (HuffPo)
  • Beim Landgericht Dresden läuft weiter das disziplinarrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den AfD-Bundestagskandidaten Jens Maier. Das teilte Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) jetzt in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Katja Meier mit. Berücksichtigt werden dabei sein Auftritt als Vorredner von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke am 17. Januar im Dresdner Ballhaus Watzke sowie verschiedene Facebook-Einträge. (Tagesspiegel)
  • Und trotz alledem erlebt die Partei gerade einen starken Mitgliederzuwachs. Seit Juli gibt es 28.000 AfD-Mitglieder in Deutschland (Merkur).

 

 Die AfD und ihre internen Querelen

  • Einerseits: Die Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl, Alice Weidel, fordert, den Thüringer Fraktionschefs Höcke schnell aus der Partei auszuschließen. Weidel sagte im Inforadio, je schneller die Entscheidung des Vorstandes umgesetzt werde, desto besser. Sie stärkte auch Parteichefin Petry den Rücken und betonte, sie trage die Ordnungsmaßnahmen voll mit. (Inforadio)
  • Andererseits: Alexander Gauland verteidigt seinen umstrittenen Parteikollegen Björn Höcke und kündigt "thematische Zuspitzungen" an. (RBB)
  • Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hat für den geplanten Parteitag im Dezember eine Kampfkandidatur gegen die Co-Chefin Frauke Petry angekündigt. Seine Aussagen verdeutlichen, wie angespannt das Verhältnis in der Führungsspitze der Rechtspopulisten ist. (FOCUSWeltn-tv)
  • Frank-Christian Hansel soll als Direktkandidat der AfD in Berlin-Neukölln für die Bundestagswahl im September antreten. Einziger Gegenkandidat war der wegen rechtsradikaler Parolen berüchtigte Andreas Wild. Der 53-Jährige möchte die AfD zu einer "Pegida-Partei" machen und sorgte in den letzten Monaten insbesondere durch Einträge in sozialen Netzwerken für Kopfschütteln. So beschwerte sich der Heterosexuelle auf Twitter, dass alle "attraktiven Frauen in einer Beziehung mit Migranten" seien. (RBBQueer.de) Vielleicht wurde Wild auch deswegen später aus der Fraktion geworfen (RBB).

 

Die AfD im Wahlkampf

  • Ein FOCUS-Bericht über die Entmachtung von AfD-Wahlkampfchef Michael Büge sorgte für Aufregung in der Partei. Statt des früheren Berliner CDU-Staatssekretärs soll nun eine siebenköpfige "Spezialeinheit“ die Leitung des Wahlkampfes übernehmen. Vor allem Spitzenkandidatin Alice Weidel soll einige der Entwürfe für Wahlplakate zu radikal gefunden haben. (FOCUS)
  • Spitzenkandidat Alexander Gauland plädierte bei der offiziellen Eröffnung des Bundestagswahlkampfes in Mecklenburg-Vorpommern für den Grundsatz „Deutschland zuerst“. Zu der Kundgebung waren knapp 200 Menschen gekommen (Welt).
  • Frauke Petry posiert derweil mit ihrem Neugeborenen für eine Wahlplakat, das für große Diskussionen sorgt (SPIEGELStern)

 

Die AfD und die Realpolitik

  • In Sachsen-Anhalt hat der Landtagspräsident seit dem Einzug der AfD einen Knopf, mit dem er bei Bedarf das Mikrofon der Redner abschalten kann. In Rheinland-Pfalz verweigerten Parlamentarier den AfD-Neulingen den Handschlag zur Begrüßung. Mit dem Einzug der Rechtspopulist_innen hat sich die Stimmung in den Parlamenten verändert. Eine neue Studie der Otto Brenner Stiftung untersucht unter anderem die Arbeit der AfD in den Landtagen: "Die AfD vor der Bundestagswahl 2017 – Vom Protest zur parlamentarischen Opposition". (BTNVorwärts)
  • Zuerst kündigte die AfD an, gegen die "Ehe für Alle" Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen (FOCUS). Kurz danach stellt sich heraus: Kann sie gar nicht. (Tagesschau)
  • Auf einer Pressekonferenz in Berlin hat die Partei die Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus kritisiert. "Trotz wachsender Gewalt aus dem linksradikalen Spektrum sind von den geförderten Projekten nur drei von annähernd 130 Modellprojekten dem Linksextremismus gewidmet“, sagte AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland. (...) Als Gauland dann gefragt wurde, wie er das Geld besser verwenden würde, wusste der AfD-Spitzenmann nicht weiter. "Ich habe jetzt keine Alternative“, sagte der Politiker. (HuffPo)
  • Die AfD sieht sich bei den Talkshows von ARD und ZDF unterrepräsentiert und droht mit einer Klage gegen die jeweiligen Redaktionen „Es ist schwer, mit Themen durchzudringen, wenn sie vor allem von den öffentlich-rechtlichen Medien nicht transportiert werden“, sagte AfD-Vorsitzender Jörg Meuthen: „Wir überlegen gerade, ob wir uns in die Talkshows einklagen." (FOCUS)

 

 

Artikel zu Rechtspopulismus auf Belltower.News im Juli:

 

 

 

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