Monitoring: Seit Oktober 2014 werden nicht nur auf den Straßen von Dresden und anderen deutschen Großstädten rechtsextreme und islamfeindliche Parolen skandiert, tatsächlich haben sich im Schatten der „Pegida“-Bewegung auch im Internet vermehrt rechtsextreme Kräfte breit gemacht. „Infidels“ (engl. für Ungläubige) ist so eine Gruppe, die auf Facebook und ihrer eigenen Website das gesamte Spektrum menschenfeindlicher Ressentiments bedient. Obwohl die Mitglieder von „Infidels“ auch vor homophoben Anfeindungen und Hass auf „linke Gutmenschen“ nicht Halt machen, hetzen sie sich vor allem gegen Muslim_innen und Geflüchtete.
Von Johanna Voß
Im Internet wie auch auf ihren „Außeneinsätzen“ zusammen mit Pegida und HoGeSa präsentieren sich die „Infidels“ mit einer roten Flagge mit einem gelb umrandeten schwarzen Kreuz. Dabei handelt es sich um die sogenannte Wirmer-Flagge, die in der rechten Szene, aus ihrem eigentlichen Kontext entfremdet, als Symbol „für die Selbstbestimmung der Deutschen statt ausländischer Fremdherrschaft“ angesehen wird (Netz gegen Nazis berichtete). Die Gruppe selbst sieht in dem Kreuz ein Zeichen „sowohl für den alten Gegensatz von Westeuropa gegen den Orient als auch gegen die Schächtung unserer Heimat“.
Aber die „Infidels“ verwenden auch gern Anlehnungen an die NS-Symbolik, wie dieser Banner zeigt:
Auf die Frage, ob die Gruppierung „rechts“ sei, antworten sie in den „Frequently Asked Questions“ auf ihrer Homepage: „Die Frage ist gegenstandslos. Es zählt nicht, ob jemand “rechts” ist, sondern ob man recht hat.“ Alles klar…
Der Grund für den arabischen Schriftzug auf ihrem Facebook Titelbild, welcher „Ungläubige“ meint, ist vermutlich derselbe wie für sämtliche Posts von Schweinen, Bacon und Grillfleisch in ihrer Gruppe. Die Mitglieder von „Infidels-Deutschland“ denken, dass sie so „die Muslime“ provozieren könnten, vergessen jedoch offensichtlich, dass ihre Gruppe von 600 Mitgliedern höchstwahrscheinlich gar nicht von „den Muslimen“ wahrgenommen wird und schließen gleichzeitig von ihrer eigenen Beschränktheit auf die Anderer.
In der Hauptsache beschwören die „Ungläubigen“, die von sich selbst sagen, dass sie „nicht religiös, aber heimatgläubig“ seien, ein Untergangsszenario für Deutschland herauf. In der nahenden Zukunft, da sind sie sich ganz sicher, entstehe in ganz Europa ein Kalifat, in dem die Scharia eingeführt wird. Deshalb sehen sich die „einheimischen Deutschen“ in der Pflicht, „politischer Unterdrückung, Masseneinwanderung und der Umwandlung unserer Heimat in ein islamisches Machtgebiet entgegenzutreten“. Für die „Verteidigungszeit“, die den „Infidels“ bevorsteht, haben sie auf ihrer Website zur Sicherheit auch eine Rubrik zum Thema „Selbstversorgung in Krisenzeiten“ eingerichtet. Bisher ist diese Rubrik aber noch nicht mit Inhalten gefüllt. Da sollten sich die „Infidels“ lieber schnell beeilen, bevor es zu spät ist.
Während einige Beiträge der „Ungläubigen“ eher im Bereich des Lächerlichen zu verorten sind, geht der Islamhass in anderen Beiträgen so weit, dass Angriffe auf Muslim_innen gutgeheißen werden. Beispielsweise kommentiert „Infidels-Deutschland“ einen Artikel über einen verhinderten Genozid an Muslim_innen durch christliche Milizen in der Zentralafrikanischen Republik folgendermaßen: „Truppen abziehen und die Milizen nicht bei ihrer Arbeit behindern sag ich… es ist schön das mal Christen aufstehen und sich nicht mehr alles gefallen lassen. Das ist kein Völkermord, das ist Gerechtigkeit“ (Anm. d. Red.: Rechtschreibfehler wurden aus der Originalquelle übernommen). In einem anderen Beitrag wurde ein manipuliertes Bild eines behinderten Kindes gezeigt und die hanebüchene Behauptung aufgestellt, dass muslimische Kinder aufgrund von Inzest und Fasten in der Schwangerschaft tendenziell behindert auf die Welt kommen würden.
Argumentativ sind die „Infidels“ allerdings so wankelmütig und unlogisch wie so viele rechtsextreme und rechtspopulistische Gruppe: Wenn es passt, ist plötzlich der „Feind“ ein Freund. Während die „Infidels“ im Netz normalerweise offen gegen Muslim_innen hetzen, haben sie sich für ihre neuste Aktion gegen „Frühsexualisierung“ vermutlich von der AfD inspirieren lassen und einfach mal versucht, „die Muslime“ für ihre Interessen einzuspannen. Sie richten sich in einem Aufruf an „Alle Muslime in Deutschland“ und warnen davor, die SPD und die Grünen zu wählen, da diese einen „Bildungsplan zur Frühsexualisierung von Kindern“ vorgelegt haben. Wenn dieser Bildungsplan durchgesetzt würde, „könnten sich ihre Kinder vom Islam abwenden, da sie beigebracht bekommen, dass alle Menschen gleichwertig sind, Homosexualität etwas Normales ist und jeder Mensch seine eigene sexuelle Selbstbestimmung hat“. Zum Schluss mahnen sie noch „Es liegt in Ihrer Verantwortung Ihre Ehre zu retten und Ihre Kinder vor dem »Bildungsplan« zu schützen!“. Damit der Brief auch bei der Zielgruppe ankommt, werden die Mitglieder von „Infidels“ gebeten ihn ins Türkische zu übersetzen und als Flugblatt in „relevanten Wohnvierteln und Moscheen“ zu verteilen. (wobei es wohl fraglich ist, ob jemand von den „Infidels“ türkisch spricht)
Dieser Beitrag zeigt nicht nur, welche stereotypen Vorstellungen die „Infidels“ von Muslim_innen haben, sondern auch, wie fadenscheinig sie versuchen Muslim_innen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, wenngleich sie sonst ihr liebstes Angriffsziel sind.
Im Vergleich zu „Infidels“-Gruppen in England oder den USA mit bis zu 50.000 Mitgliedern sind die „Infidels-Deutschland“ mit ihren jeweils 600 Mitgliedern in „Sektion Ost“ und „Sektion-West“ eher eine Randerscheinung. Jedoch besteht eine enge Vernetzung mit sämtlichen „–GIDA-Gruppen“, mit „HoGeSa-Gruppen“, Seiten der „Identitären Bewegung“ und den „Defense Leagues“ – also allem, was den Islamhass in Deutschland gerade schürt, von brutaleren rechten Hooligan- bis „intellektueller“ erscheinen wollenden neurechten Gruppen, von jugendkulturell orientierten Seiten bis zum Wutbürgerspektrum. Somit stellt „Infidels-Deutschland“ Teil einer Bewegung dar, die es erfordert, beobachtet zu werden.