So ist das Internet: Nachdem Google die Karte "Keine Asylantenheime in meiner Nachbarschaft", die unter anderem die rechtsextreme Kleinpartei "Der III. Weg" auf ihrer Internetseite eingebunden hatte, mehrfach gelöscht. Nun verweist die Website des "III. Wegs" auf eine Karte bei einem französischen Kartendienst. Trotzdem gut, dass Google den Nazis den "Spaß"verdirbt - weil viele User_innen sich beschwert haben.
Screenshot

Google kann eine Karte löschen - Hass aber nicht

Eine Google-Karte mit Flüchtlingsunterkünften in Deutschland wurde gelöscht, der Titel "Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft". Aber öffentlich zugängliche Daten sind nicht das Problem, schreibt Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. Ihr Appell: Hingehen, die Flüchtlinge kennenlernen. Es gibt genug zu tun.

Von Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung

Google hat eine Karte gelöscht, auf der Flüchtlingsunterkünfte in ganz Deutschland mit Namen und Adressen verzeichnet waren. Eine rechtsextreme Splittergruppe hatte sie unter dem Titel „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft“ online gestellt. Und nach den jüngsten Brandanschlägen und Überfällen auf geflüchtete Menschen bestand zu Recht die Sorge, diese Karte könne als Aufruf zu Gewalt verstanden werden. Deshalb gab es Proteste, deshalb hat Google diese Karte gelöscht. Die Frage ist nun: Was sagen die Protestierer, und was macht Google, wenn dieselbe Karte – wie gerade geschehen – wieder erscheint?

Diesmal unter dem neutralen Titel: „Asylunterkünfte in Deutschland“ und diesmal ohne Hassbotschaft. Sind öffentlich zugängliche Daten das Problem? Oder die Tatsache, dass sie über Tools wie Google jedermann zugänglich gemacht werden können? Nein, die Sorge ist, ob Flüchtlinge sicherer sind, wenn die Standorte ihrer Unterkünfte unbekannt bleiben. Reicht eine Karte ohne offene Hassbotschaft dann schon aus, die Informationsfreiheit auszuhebeln? Das kann nicht sein! Selbst wenn wir wissen, welchem Zweck eine solche Karte dienen könnte, dürfen wir solche Einschränkung nicht zulassen.

Allein im ersten Halbjahr 2015 gab es 150 Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte. Das sind mehr als im ganzen vergangenen Jahr. Ist da nicht der Schutz von Flüchtlingen wichtiger als eine Adressensammlung auf Google? Wie soll das weitergehen: Müssen Flüchtlinge zur Geheimsache gemacht werden? Darf dann nur noch heimlich Kontakt zu ihnen aufgenommen werden? Sollen Willkommensinitiativen erst drei Mal um den Block fahren, bevor sie ihre Freunde im Heim treffen können? Und ist es dann wirklich sicherer?

Die Karte der Amadeu Antonio Stiftung zu Übergriffen zeigt die Verhältnisse deutlich. Es gibt sie überall, ob mit oder ohne Google. Im Osten mehr als im Westen, und dort im Süden mehr als im Norden. Hass ist also das Problem, nicht die Daten. Und gegen Hass helfen nur zwei Dinge: der Schutz der Betroffenen, und zwar unter allen Umständen – denn so verlangt es das Gesetz. Und eine deutliche Haltung von Bürgermeistern, Verwaltungen und den Bürgern selbst, die sich unmissverständlich für die Flüchtlinge einsetzen. Nicht mehr und auf keinen Fall weniger.

Hass mit etwas Realem entgegentreten

Und dort, wo die Stimmung aggressiv ist, wo der unzivile Kleinbürger neben dem Nazi rassistischen Dreck schreit, braucht es die zivile Gesellschaft von überallher, denn der Hass ist nicht Privatsache einiger Kommunen. Alle sollten vor Ort klarmachen, dass die totalitären Zeiten vorbei sind, in denen ethnische Vielfalt unerwünscht war. War es nicht so, dass viel mehr Menschen gegen Pegida auf die Straße gingen als für sie? Die Tatsache, dass die Hassbürger nicht mehr durch Orte laufen, ändert nichts daran, dass sie jetzt vor den Unterkünften pöbeln.

Die Gewalt hat seitdem zugenommen. Die Bereitschaft, geflüchtete Menschen zu unterstützen, aber auch. Was also tun mit einer „neutralen“ Googlekarte? Ganz einfach: Hingehen, die Flüchtlinge kennenlernen. Es gibt genug zu tun, um sie bei Behörden, Ärzten oder in Schulen zu unterstützen. Und notfalls hilft die Karte auch, sie zu schützen. Dem Hass muss man nur mit etwas Realem entgegentreten. Einfach löschen kann man ihn nicht.

Dieser Text erschien zuerst in der Berliner Zeitung vom 20.07.2015.

drucken