Für viele ist es immer noch schwer zusammen zu bringen: Frauen sind aktiv in der rechtsextremen Szene? Sie begeben sich freiwillig in eine Welt, die nicht nur auf Hass und Rassismus basiert, sondern sie persönlich auch auf Küche und Mutterrolle reduzieren will? Das Buch „Mädelsache! Frauen in der rechtsextremen Szene“ von Andrea Röpke und Andreas Speit illustriert in akribisch zusammengetragener Recherchearbeit, wie vielfältig sich Frauen heutzutage in der rechtsextremen Szene ausleben – und wie wichtig sie für die Graswurzelarbeit der Nazis sind.
Von Simone Rafael
In den 1990er Jahren schien die Erklärung für Frauen in der rechtsextremen Szene noch einfach: Die haben eben einen Nazi als Freund. Was das allerdings nicht erklärte: Warum sie dauerhaft in einer Szene bleiben, in der Frauen oft genug als Objekte behandelt und vor allem als gebärfähige Muttertiere für den „Volkserhalt“ wahrgenommen werden. Es brauchte für die Öffentlichkeit ein paar Jahre, um zu erkennen, dass auch Nazi-Frauen nicht nur Anhängsel von Nazi-Männern sind. Sie selbst vertreten die Ideologie, den Rassismus, den Hass, teilen auch die Freude an der Ausübung von Macht und Gewalt gegenüber denen, die sie als „Feindgruppen“ abwerten. Auch die geringe Auswahl an relativ fest definierten Frauenrollen in der Nazi-Szene und das Nazi-Konzept einer „homogenen Volksgemeinschaft“ sind offenbar für etliche Frauen als Welterklärungs- und Lebensmodelle attraktiv.
Aber wie lebt sie, die „nationale Mutter“, die politische Aktivistin, die völkische Siedlerin? Das betrachten und beschreiben die beiden Rechtsextremismus-Experten und Journalisten Andrea Röpke und Andreas Speit im Buch „Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene“.
Anhand vieler Beispiele illustrieren sie nicht nur, welche Rollen Neonazi-Frauen heute einnehmen, welche Parolen sie besonders ansprechen und für welche Kampagnen sie sich gezielt engagieren. Sie reflektieren auch den Alltag rechtsextremer Frauen zwischen Partei, Demo, Schule und sozialem Engagement. Und dabei zeigen Röpke und Speit deutlich, dass gerade diese Graswurzelarbeit im scheinbar vorpolitischen Raum besonders erfolgreich ist. Werden Rassismus, Antisemitismus oder Hass auf Schwule von adretten, engagierten und freundlichen Nazistinnen geäußert, die doch so harmlos wirken und bisher auch immer so nett auf den Elternabenden waren, ist die Langzeitwirkung viel fataler und fällt die Distanzierung auch viel schwerer als dies bei stiernackigen, Gewalttätigkeit ausstrahlenden Männern der Fall wäre. Auch die Hemmschwelle, NPD zu wählen, fällt dort, wo eine Frau zur Wahl steht, wie Röpke und Speit zeigen.
Aktionsorientiertes Naziskin- oder Kameradschafts-Mädel , Partei- oder Kameradschafts-Vorzeigedame und unauffällige Veranstaltungsanmelderin, völkische Mutter, die ihre Kinder mit NS-Lied- und Gedankengut im Grünen aufzieht, starrsinnige Altnazisse, die sich von jungen Neonazis ihre Unbelehrbarkeit feiern lässt – nicht selten kommt dies im Laufe eines Lebens überzeugter Nazistinnen zusammen. Das Buch „Mädelsache!“ zeichnet sich dadurch aus, dass es die Vielfalt rechtsextremer Lebensentwürfe für Frauen kenntnisreich aufzeigt. Damit wird der Blick frei gemacht für die Tatsache, dass auch die rechtsextreme Szene – festgelegte Rollenbilder hin oder her – sich im Hinblick auf weibliche Anhängerinnen entwickelt hat und inzwischen eine Menge Möglichkeiten für Frauen jeden Alters bietet, sich dort zu engagieren und heimisch zu fühlen.
Andrea Röpke / Andreas Speit:
Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene
Christoph Links Verlag, 237 Seiten, Preis: 16,90 Euro