Der Verfassungsschutz zu rechtsextremistischer Musik

Die rechtsextremistische Musik spielt weiterhin für Jugendliche und junge Erwachsene eine zentrale Rolle bei der Herausbildung und Verfestigung rechtsextremistischer Weltanschauungen. Sie verbindet den Stil der harten, dennoch melodischen Rhythmen des Hardrock oder Heavy Metal mit entsprechenden politischen Inhalten. Neben der nach wie vor dominierenden Musikrichtung des Hardrock finden seit einigen Jahren zuneh­mend schnellere, textlich schwer verständliche und kaum melodische Spielarten der Rockmusik wie Hard­ und Hatecore oder Black Metal Verwendung in der rechtsextremistischen Szene.
Beliebt sind aber auch Stücke in Balladenform, die nicht nur von Liedermachern, sondern auch von Bands eingespielt werden.

Mit dem Wandel des Erscheinungsbildes der subkulturell ge­prägten, gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene – insbe­sondere der Skinhead­ Szene – hat sich auch die rechtsextremistische Musik durch die Einkehr musikalischer Stilelemente anderer Subkulturen verändert. Von Bedeutung ist die rechtsextremistische Musik mit ihren verschiedenen Musikstilen aber keineswegs nur für rechtsex­tremistische Skinheads. Insbesondere die NPD und die neo­nazistischen Kameradschaften nutzen mittlerweile verstärkt die Werbewirkung von Musik für die Rekrutierung und Mo­bilisierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Umsetzung dieser Strategie durch die NPD zeigt sich in kos­tenlosen CD Verteilaktionen an Jungwähler und an der festen Einbindung von rechtsextremistischen Musikgruppen und Liedermachern in das Programm von Großveranstaltungen wie dem Pressefest der zur NPD gehörenden "Deutschen Stimme Verlagsgesellschaft mbH" in Dresden und dem Sommerfest der NPD in Regensburg. Nicht zuletzt deswe­gen hält auch die Bereitschaft von Angehörigen des subkulturell geprägten, gewaltbereiten Spektrums sowie der Neonazis an, der NPD beizutreten. Berührungsängste zwischen Skinheads, Neonazis und Mitgliedern der NPD bestehen schon seit Langem nicht mehr.

Musikgruppen und Liedermacher transportieren in ihren Texten – je nach Band, Anlass und Zielgruppe – offen oder unterschwel­lig rechtsextremistische Feindbilder und Ideologiefragmente. Dadurch vermitteln und verfestigen sie das in der Szene ver­breitete, häufig diffuse rechtsextremistische Weltbild, das sich aus Versatzstücken nationalistischer, fremdenfeindlicher, an­tisemitischer und antidemokratischer Einstellungsmuster zu­sammensetzt.

Die Versuche von Neonazis beziehungsweise der NPD, über das Medium Musik – insbesondere das Verteilen von CDs rechtsextre­mistischer Musikgruppen – nicht szeneangehörige Jugendliche für rechtsextremistische Positionen zu gewinnen, setzten sich auch 2006 fort. Mit der Produktion des Samplers "Anpassung ist Feigheit – Lieder aus dem Untergrund" im Rahmen des "Projekts Schulhof" wur­de diese Strategie erstmalig im Jahr 2004 umgesetzt. Die CD vermittelt – nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts Halle sowie des Landgerichts Stendal – eine demo­kratiefeindliche, rassistische, völkische und nationalsozialisti­sche Ideologie. Das Strafverfahren gegen den Auftraggeber der CD-­Pressung wegen des Verdachts des Vorrätighaltens schwer jugendgefährdender Trägermedien vor dem Amtsgericht Stendal endete am 8. Februar mit einem Freispruch. Gegen die Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Halle erfolg­ reich Revision ein. Mit dem Urteil vom 11. Oktober hob das Oberlandesgericht Naumburg das Urteil des Amtsgerichts Stendal auf. Das Verfahren wurde an eine andere Abteilung beim Amtsgericht Stendal zurückverwiesen. Die CD unterliegt damit weiterhin dem im August 2004 ausgesprochenen allgemeinen Beschlagnahmebeschluss.

Nachdem die NPD bereits im Landtagswahlkampf 2004 in Sachsen den Sampler "Schnauze voll? – Wahltag ist Zahltag!" verteilt hatte und 2005 den "Schulhof"­Sampler "Hier kommt der Schrecken aller Linken, Spießer und Pauker" bei Landtagswahl­en und der Bundestagswahl verwendete, setzte sie dieses Pro­pagandamittel im Vorfeld der Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg­Vorpommern erneut ein. Diese von der NPD auch außerhalb von Wahlkämpfen zu anderen Gelegenheiten verbrei­teten CDs enthielten keine strafbaren Inhalte.

Darüber hinaus fanden kostenlose CD-­Verteilaktionen an Jugendliche in der rechtsextremistischen Szene weitere Nach­ahmer, insbesondere auf regionaler Ebene. Dazu wurden die CDs von den Aktivisten zum Teil am eigenen PC zusammengestellt und selbst gebrannt.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Verfassungsschutzbericht 2006

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