Demokratie-Erziehung gegen Rechtsextremismus schon im Kindergarten: "Eine besonders lohnende Arbeit"

Wenn ein Kind im Kindergarten- oder Grundschulalter ein Hakenkreuz auf den Tisch malt oder Mitschüler rassistisch beleidigt, fällt der Umgang damit vielen Lehrerinnen und Erziehern schwer. Hat das Kind die Ideen aus der Familie – und wenn ja, wie darauf reagieren? Nach zahlreichen Anfragen entwickelte das Projekt „Lola für Lulu“ ein Multiplikatorentraining speziell für Pädagoginnen und Pädagogen, die mit kleinen Kindern arbeiten, und dabei auf Rechtsextremismus stoßen.

Von Simone Rafael

Demokratie-Erziehung ist wichtig: Wenn Kinder zumindest ab und zu mitbestimmen dürfen, was mit ihnen geschieht, erfahren sie Anerkennung und werden dadurch gestärkt, weil sie merken: Wir werden ernst genommen und können etwas bewirken. Viele Kindergärten bemühen sich um die Umsetzung eines solchen Konzeptes, auch an Schulen findet es immer mehr Verbreitung. Demokratie-Erziehung gilt als gute Prävention gegen diskriminierendes Handeln.

Was aber, wenn die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus schon bei kleineren Kindern konkreter sein muss? Wie umgehen mit Kindern, die in rechtsextremen Familien aufwachsen, die Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus im wahrsten Sinne des Wortes mit der Muttermilch aufsaugen müssen? Oder im Umfeld mit Neonazis in Kontakt kommen und beeinflusst werden sollen? „Viele Pädagoginnen und Pädagogen wünschten sich Hilfestellung in diesen Fragen“, sagt Sandra Pingel-Schliemann, Projektleiterin des „Multiplikatorentrainings“ von „Lola für Lulu“, „deshalb haben wir ein Workshop-Programm entwickelt, das sensibilisiert, aufklärt und Handlungsoptionen zeigt.“ Zunächst hat „Lola für Lulu“ mit HeimerzieherInnen , HorterzieherInnen und GrundschulpädagogInnen gearbeitet, im Januar sind Workshops für KitaerzieherInnen an der Reihe.

In den Workshops wird besprochen, warum Rechtsextreme schon Kinder und Jugendliche zu ködern versuchen und welche kinder- und jugendspezifischen Erscheinungsformen von Rechtsextremismus es gibt. Danach geht es zu den konkreten Handlungsoptionen. „Die Erzieher und Erzieherinnen interessieren Dinge aus ihrem Lebensalltag. Rechte Parolen oder Symbole werden geschmiert. Ein Kind hat ein T-Shirt mit einer rechtsextremen Parole an. Was dann?“ sagt Sandra Pingel-Schliemann. Neben einem unumgänglichen Gespräch mit dem Kind über seine Beweggründe empfehlen die Expertinnen etwa Maßnahmen, um sich positionieren und die anderen Kinder der Einrichtung zu schützen.

Auch Strafbarkeit und Elterngespräche sind Thema, ebenso wie Angst der ErzieherInnen vor gewalttätigen rechtsextremen Jugendlichen ist ein Thema. „Wichtig ist, dass sich die Kollegen und Kolleginnen einer Einrichtung auf eine gemeinsame Strategie im Umgang einigen, alle an einem Strang ziehen, am besten mit den Eltern des Kindes“, sagt Pingel-Schliemann. Präventive Maßnahmen, um Kinder stark zu machen und für Diskriminierungen zu sensibilisieren, werden besprochen. „Wir sprechen von Kindern, die noch kein gefestigtes rechtsextremes Weltbild haben, die also noch von pädagogischen Maßnahmen erreicht werden können“, sagt Pingel-Schliemann, „das macht die Arbeit besonders lohnend.“

Die Resonanz und der Bedarf seien jedenfalls überwältigend, und viele, die jetzt an den Workshops teilgenommen haben, wünschten sich sogar Folgeveranstaltungen. Im Landkreis Ludwigslust haben sich viele rechtsextreme Familien niedergelassen, deren Kinder nun in die Kindertagesstätten und Grundschulen kommen – eine gute Chance, ihnen aufzuzeigen, dass es auch andere Weltbilder gibt.

Bei rechtsextremen oder rassistischen Eltern ist das auch durchaus gefürchtet, wie sich in zahlreichen Kommentarspalten im Internet nachverfolgen lässt. So schreibt etwa „Osimandias“ in einem einschlägigen Forum: „Wer Kinder hat, sollte sie wenigstens auf jeden Fall von Kindergärten fernhalten. Die Grundschule ist noch früh genug, aber da sind die Kinder wenigstens schon ein bisschen älter. Dann sollte man aufpassen, was man zu Hause in Gegenwart der Kinder redet. Wenn sie klein sind, plappern sie unschuldig und gedankenlos so manches aus.“ „Karlfried“ bestätigt die Wirksamkeit: „Die Gehirnwäsche hat manchmal (oder sogar oft) Erfolg. Wenn ein Kind in einer empfindlichen Zeit (Vorpubertät, elf Jahre alt) von einer linken Lehrerin-Hexe Gift eingespritzt erhält, dann kann dieses Gift jahrelang wirken. Das Kind verbindet dann innerlich links=wahr=gut, rechts=falsch=menschenfeindlich.“ Den kämpferischen Gegenpol dazu bietet „Paula“: „Genau hier,an DIESEM Punkt, ist die Courage jedes Einzelnen gefragt! Stelle ich mich dem Gutmenschenlehrer, der mich ob der gesunden Ansichten meines aufgeklärten Kindes in die Schule zitiert, oder nicht? Ich rechne jeden Tag damit, ja freue mich darauf!“

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