Bereits das Titelbild unter der Überschrift, auf dem scheinbar Geflüchtete und ein Screenshot des Rankings zu sehen sind, suggeriert, dass hier ein kausaler Zusammenhang bestehe.
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So verdreht PI die Fakten zum Sicherheitsranking

Deutschland rutscht im Sicherheitsranking aus den Top 50, das ist gefundenes Fressen für den rechtspopulistischen und islamfeindlichen Blog PI-News. Doch so einfach wie sich dieser Hetz-Blog die Welt erklärt ist sie nicht. Wir analysieren, mit welcher Strategie PI-News hier arbeitet.  

 

 

Von: Kira Ayyadi

In einem Text des rechtspopulistischen und islamfeindlichen Blogs “Politically Incorrect” (PI) mit dem Titel „Länder-Ranking: Deutschland stürzt ab“ (vom 26.04.2017) von einem Autor mit dem Alias-Namen „Chevrolet“, wird wieder einmal Stimmung gegen Geflüchtete gemacht.

 

In dem Blog-Beitrag geht es um die innerdeutsche Sicherheitslage und wie sich diese durch Geflüchtete scheinbar verändert habe. Der Autor meint, dies anhand des internationalen Sicherheitsrankings 2017 belegen zu können, in dem Deutschland in der Tat deutlich abgerutscht ist. Die Gründe dafür sind jedoch andere, als die, welche der Autor seinenLeser_innen weismachen will.

Beim Aufmacherbild fängt die Hetz-Strategie an

Bereits das Titelbild unter der Überschrift „Länder-Ranking: Deutschland stürzt ab“, auf dem scheinbar Geflüchtete und ein Screenshot des Rankings zu sehen sind, suggeriert, dass hier ein kausaler Zusammenhang bestehe. Bereits zu Beginn soll bei Leser und Leserin eine Emotion ausgelöst werden. Allein mit Überschrift und Bild wird ein Zusammenhang zwischen „Deutschland stürzt ab“ und Geflüchteten hergestellt.  

 

"Jeder weiß" - Behauptung vor Differenzierung

„Wie sicher ist Deutschland heute? Und wie sicher war es, bevor die Kanzlerin in ihrer unendlichen Weisheit die Grenzen für alle öffnete, die kommen wollten? Zwei Fragen, die miteinander zusammenhängen. Jeder weiß, dass die Masseneinwanderung von insbesondere Moslems zu einer dramatischen Steigerung der Kriminalität geführt hat.“

 

Indem der Autor hier mit den Worten „Jeder weiß“ argumentiert, versucht er, jeden Widerspruch im Keim zu ersticken. Er geht davon aus, dass dieses “Argument” bereits als Wahrheit gilt (unter den PI-Lesern ist dies auch sicherlich bereits der Fall). Objektiv betrachtet ist dies undifferenziert und falsch.

 

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 2016 ist die Zahl der gemeldeten begangenen Straftaten im vergangenen Jahr gesunken. Dabei wollen wir hier nicht verschweigen, dass die Zahl der Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund  zugleich gestiegen ist.

 

Wieso das? Der Kriminologe Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum erläutert gegenüber dem Deutschlandfunk, dass diese Überproportionalität, daran liege, dass es sich bei der Gruppe der “Zuwanderer”, wie Bundesinnenminster Thomas de Maizière sie nennt,  primär um junge Männer handelt und dies in jeder Gesellschaft die Gruppe sei, die am meisten Straftaten begeht.  Allerdings werfe der Begriff der “Zuwanderer” auch Dinge in einen Topf, die nicht zusammengehören: Etwa Kriegsflüchtlinge aus Syrien, die statistisch gesehen weniger kriminell sind als der Bundesdurchschnitt, und Menschen ohne Aussicht auf Asyl, die nach Deutschland kommen mit der Absicht, hier Straftaten zu begehen.

 

Mehr aus unsererer neuen Debunking-Reihe: Was einer flüchtlingsfreundlichen Mutmach-Geschichte auf PI-News widerfährt

 

Behauptung von kausalen Zusammenhängen, die keine sind

Dann pauschalisiert der Autor, indem er die Gleichung aufstellt: Mehr Moslems führten auch gleichzeitig zu mehr Kriminalität. Hier stellt „Chevrolet“ einfach eine Behauptung auf, die seinem rassistischen Weltbild entspricht. Fakten? Fehlanzeige, bis jetzt:

 

„Das belegt sogar die amtliche Statistik, auch wenn natürlich, wie bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik vor ein paar Tagen, alles wieder schön geredet wird. Dass alles Schönreden nicht hilft, bekam das Merkel-Regime jetzt schriftlich: Vom Weltwirtschaftsforum (The World Economic Forum) in der Schweiz, einer Organisation, die über jeden Verdacht der Xenophobie erhaben ist.“

(Die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt, dass die Zahl rechtsextremer Straftaten in Deutschland weiter steigt)

Jetzt werden vermeintliche Fakten vorgestellt, die von einer Organisation aus der Schweiz stammen.

 

Der Sicherheitsbericht des Weltwirtschaftsforums

Das Weltwirtschaftsforum stellt jährlich seinen „Travel and Tourism Competitiveness Report“ vor, in dem unter anderem auch die Sicherheitslage von 136 Ländern der Welt bewertet wird. Zu Recht schreibt der PI-Autor hier, dass Deutschland im Sicherheitsranking noch vor einem Jahr auf dem fünften Platz lag, nun jedoch nur noch auf dem 51. „Ein großer Erfolg der Merkel-Regierung“, bemerkt „Chevrolet“ sarkastisch.

 

Ich mach' mir die Welt, Widdewidde wie sie mir gefällt ....

„Mit anderen Worten, Deutschland ist unter den 136 bewerteten Ländern extrem abgestürzt. Die Ursachen dafür sind bekannt.“

 

Sind sie das tatsächlich? Der PI-Text verweist kurz darauf auf einen “Welt Online”-Artikel zu diesem Thema, um  zu suggerieren, dass die Migranten an der scheinbar desaströsen Sicherheitslage Deutschlands und Europas schuld sein.

 

Interessant ist allerdings, dass der verlinkte Welt-Artikel der Behauptung des PI-Autors diametral entgegensteht. Der Welt-Text „Warum Deutschland im Sicherheitsranking aus den Top 50 rutscht“, erklärt eben sehr genau die aktuelle Position Deutschlands anhand von Aussagen eines Mitarbeiters des Weltwirtschaftsforums.

 

Mit Fakten gegen wilde Behauptungen

Das Ranking basiert vor allem auf der Wahrnehmung der Befragten und nach einem Anschlag sinkt das Sicherheitsempfinden enorm. Dass beispielsweise Ruanda auf Platz neun im Ranking liegt, ist damit zu begründen, da es im Erhebungszeitraum von Februar 2015 bis Mai 2016 zu keinen schwerwiegenden Vorfällen gekommen ist.

 

Obwohl Ruanda im Sicherheits-Ranking so gut platziert ist, rät das Auswärtige Amt zu Reisen nach Ruanda wegen aktueller terroristischer Gefahren ab. 

 

Die Platzierung beispielsweise Ruandas und des Omans (Platz 4) liegt auch an einer Statistik, die in diese Studie mit einfließt. Für die Erhebung werden Tausende Geschäftsleute aus aller Welt befragt. Von denen haben rund 200 ihr Feedback für Deutschland abgegeben. Wie viele es für Ruanda und Oman waren ist uns nicht bekannt, aber anzunehmen ist, dass es deutlich weniger waren. Somit verzerrt sich hier das Bild.

Ist die PI-Hetze auch Schuld am schlechten Ranking?

In die Sicherheits-Erhebung fließt eine weitere Studie aus den USA mit ein, die jedoch teilweise fehlerhaft ist oder zumindest das Bild verzerrt. Die „Global Terrorism Database“ der Universität Maryland sollte eigentlich nur Terroranschläge aufzeichnen. Allerding werden hier auch Vorfälle mit einbezogen, in denen ein terroristischer Hintergrund nicht zweifelsfrei geklärt wurde.

 

So finden sich in dieser US-Studie eben auch Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, bei denen ein terroristischer Hintergrund bisher nicht bestätigt ist.

 

So findet sich hier beispielsweise eine Brand einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Hannover am 31. Dezember 2015. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung gegen Unbekannt. Dieser Vorfall, bei dem niemand verletzt wurde, ist in der Datenbank als Terrorangriff mit erfasst worden. Im Übrigen ist auch der Anschlag auf die Asylbewerberunterkunft am 1.11.2015 in Freital hier dokumentiert.

 

Da stellt sich doch die Frage, ob die rassistische Hetze der "Politically Incorrect"- Autoren nicht auch maßgeblich zum schlechten Abschneiden Deutschlands beigetragen hat.

 

Der PI-Autor unterschlägt gezielt wichtige Informationen

Das schlechte Abschneiden Deutschlands erklärt sich also aus einer Studie mit unklarer Kategorisierung, in die vermutlich auch viele rechtsextreme Taten eingeflossen sind und zum anderen aus dem subjektiven Empfindungen einiger Geschäftsleute.   
Der PI-Text verschweigt zudem, dass im Gesamt-Ranking der Studie als bestes Reiseland Deutschland nach Spanien und Frankreich den dritten Platz belegt.

 

Kritische Auseinandersetzung? Fehlanzeige!

Dieser PI-Text zeigt einmal mehr eine Strategie des Hetz-Blogs, nämlich sich genau die Zahlen und Fakten herauszupicken, die ins eigene Weltbild passen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesen, sucht man hier vergebens, man will schließlich nicht das wackelige Gerüst auf dem diese menschenverachtende Ideologie beruht ins Wanken bringen.

 

Die Interpretation des Sicherheitsrankings obliegt allein dem Autor, der darin eine Bestätigung seines Weltbildes liest und dies, obwohl er auf einen Text verweist, der seiner Behauptung beinahe komplett widerspricht.
Zu vermuten ist, dass „Chevrolet“ lediglich auf “Welt Online” verlinkt, um den Anschein von Seriosität zu erzeugen. Beim Blick in die Kommentare zu diesem Artikel wird schnell klar, dass wohl kaum einer der Leser den “Welt”-Artikel gelesen hat.

Die Welt kann eben so einfach sein, wenn man sie sich einfach macht.

 

Der Kommentar von Roadking (Zentralrat der Hierschonlängerlebenden) weist darauf hin, dass bereits Hildegard Knef 1968 wusste: "Von nun an gings bergab" (Screenshot aus der Kommentar-Spalte)

 

 

Mit Fakten gegen Vorurteile: Debunking

Ein Mittel der Gegenrede bietet das sogenannte Debunking, zu Deutsch „Entlarven“. Bei der  Methode geht es konkret darum, falsche Informationen oder Lügen in Vorurteilen, Mythen und Überzeugungen mit Fakten offenzulegen und zu entkräften. Debunking richtet sich nicht nur an Personen, die falsche Informationen vertreten und verbreiten, sondern auch an Mitlesende, die noch keine geschlossene Perspektive auf die Thematik entwickelt haben.

Allgemein kann festgehalten werden, dass es sich beim Debunking nicht um eine Methode handelt, die alle menschenfeindlichen Falschinformationen aus der Welt zu schaffen vermag. Wenn nichts mehr geht, kann es besser sein, das Gespräch abzubrechen.

Debunking kann jedoch erfolgversprechend sein, wenn es sich an Dritte wendet, die noch kein geschlossenes Weltbild ausgebildet haben. Manchmal führen Sachargumente zu Diskussionsbereitschaft. Es kann hilfreich sein, andere demokratische Nutzer_innen zu bitten mitzumachen und Nutzer_innen , die sich bereits in einer Auseinandersetzung befinden, argumentativ zu unterstützen.

Auszug aus der Broschüre „Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Medien“

 

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