Treiben seit längerer Zeit schon in Bückeburg ihr Unwesen - Die "Autonomen Nationalisten Bückeburg"
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Bückeburg: "Unsterbliche" schüchtern Schüler*innen ein

Im Niedersächsischen Bückeburg im Landkreis Schaumburg gibt es eine aktive rechtsextreme Szene, die immer aggressiver und bedrohlicher agiert. Erst am vergangenen Dienstag gab es Einschüchterungsversuche seitens der mittlerweile verbotenen "Unsterblichen", als einige Schüler*innen und Betreuer*innen rechtsextreme Graffiti an der Schulmauer übermalen wollten. Interessant auch die Stimmung im Ort: Die Polizei gab hinterher den demokratischen Schüler*innen eine Mitschuld.

Von Tenzin Sekhon

Gerade einmal einen halben Tag lang konnte man die Worte "Unsere bunten Farben verleihen unseren Ideen Flügel" und "Wir lassen uns nicht entmutigen" an den Außenwänden der Herderschule in Bückeburg sehen, ehe sie beschmiert wurden. Als Reaktion auf rechtsextreme Schmierereien hatten sich Schüler der neunten Klasse unter dem Motto "Mit bunten Farben gegen braune Parolen" zusammen mit einer Lehrerin und der Aktivistin Irmela Mensah-Schramm versammelt, um ihre eigene Botschaft an die Wand zu malen. Die Idee dazu entstand, als Mensah-Schramm Bückeburg anlässlich ihres Engagements als Schulpatin für Zivilcourage und Demokratie für die Graf-Wilhelm-Schule besuchte. Die Herderschule hatte mit Mensah-Schramm eine Ausstellung über rechtsextreme Schmierereien mit anschließendem Workshop organisiert werden. Dabei bemerkte Mensah-Schramm rechtsextreme Parolen an der Schulmauer und versprach den Teilnehmer*innen, diese mit einer Malaktion zu beseitigen. Mensah-Schramm ist durch die Beseitigung rechter Schmierereien bekannt geworden, sie hat unter anderem ein Buch veröffentlicht mit dem Titel "Hass Vernichtet". Darin dokumentiert sie alle Nazi Parolen und Symbole, die sie findet und anschließend übermalt oder entfernt.

"Unsterblichen"-Aufmarsch beim Graffiti-Workshop gegen Nazis

In der letzten Schulwoche war es dann soweit - am vergangenen Dienstag, dem 16.07., fand sich eine Gruppe Schüler*innen unter der Leitung Mensah-Schramms und einer Politiklehrerin zusammen, um gemeinsam die betroffenen Wände zu bemalen. Doch sie blieben dabei nicht ungestört - schon bald stieß eine junge Frau dazu, die sich als Antifa-Mitglied ausgab. Als sie gebeten wurde, sich bei der Schulleitung anzumelden, weigerte sie sich jedoch und verschwand wieder. Schüler*innen erkannten in ihr ein Mitglied der rechtsextremen Szene. Etwa eine Stunde später, so erinnert sich Mensah-Schramm, hörte sie einige Schüler*innen "die Nazis kommen" rufen. Daraufhin tauchten einige Neonazis auf, die weiße Masken trugen, welche ein Kennzeichen der rechtsextremen "Unsterblichen"-Aktionen sind, die der kürzlich verbotene Blog "Spreelichter" erfunden hatte. Die vermummten Rechtsextremen hielten ein großes Transparent mit den Worten "Unsere Farbe könnt ihr entfernen, unsere Idee nicht" hoch. Als ein Elternvertreter dazu stieß, der von Beruf Polizist ist, eskalierte die Situation. In ziviler Kleidung versuchte er, einen Neonazi vom Fotografieren abzuhalten. Es entwickelte sich zunächst ein Handgemenge zwischen den Beiden, anschließend machte der Elternvertreter auch die Schüler*innen für den Vorfall verantwortlich und forderte sie auf, die Polizei zu rufen. "Der hat einfach die Nerven verloren", meint Mensah-Schramm. Als die Polizei schließlich eintraf, waren die Nazis schon verschwunden. Allerdings konnte einer der Schüler das Transparent vorher noch mit Farbe bespritzen.

Die Polizei war schon vor der Aktion von der beteiligten Politiklehrerin um Polizeischutz gebeten worden, der ihr allerdings verwehrt wurde. Die Begründung: Man habe kein großes Konfliktpotenzial gesehen, da man davon ausging, die Parolen würden nur entfernt werden. Dass die Schüler "neue politische Botschaften" auf die Wand malen wollten, sei der Polizei nicht bekannt gewesen. Überhaupt ist Kommissariatsleiter Werner Steding der Meinung, dass diese - denkbar harmlosen - Botschaften nicht zur Deeskalation der Lage beitragen, da dadurch neue Angriffe aus der rechten Szene provoziert werden. Auch den Straftatbestand der Einschüchterungsversuche sieht Steding nicht gegeben. Der Nazi-Auftritt sei als eine spontane Demonstration auf öffentlichem Grund zu bewerten, sagte er der Landes-Zeitung. Einen Verstoß gegen das Vermummungsgesetz will er ebenfalls nicht feststellen können, da "Maskerade" bei "friedlichem Protest" toleriert werde. Ein Beispiel dafür seien die Aktionen gegen den Castor-Transport. Diese Haltung stößt bei Irmela Mensah-Schramm auf Unverständnis: "Wir sind alle, auch der Pressemitarbeiter, der später vor Ort war, der Meinung, dass der Einschüchterungsversuch geplant war". Davon zeuge auch das aufwendige Transparent, dass die Neonazis bei sich trugen.

"Bückeburg muss bunt werden"

Es ist nicht der erste Vorfall, bei dem Rechtsextreme in Bückeburg anders denkende Menschen bedrohen oder angreifen. In den letzten Jahren hat sich eine aktive rechtsextreme Szene in der Kleinstadt etabliert, die immer militanter und offener vorzugehen scheint. Propagandatätigkeiten durch Aufkleber und Parolen, die in der Innenstadt verteilt werden, sind nicht mehr die einzigen Aktivitäten der Bückeburger Neonazis. Mit dem Angriff auf einen bekannten Nazigegner im August 2010, bei dem dieser im Gesicht verletzt wurde, startete eine Serie von Übergriffen: Im Dezember des selben Jahres wurde ein Jugendlicher so schwer im Gesicht verletzt, dass er im Krankenhaus operiert werden musste. Am Silvesterabend wurde die Wohnung eines Jugendlichen mit Migrationshintergrund mit Flaschen angegriffen, bevor ein anderer Jugendlicher am selben Abend noch mit Schlagwaffen verprügelt wurde. Im Januar 2011 versammelten sich Vermummte, um die Wohnung des migrantischen Jugendlichen erneut zu attackieren. Dieses mal waren Pflastersteine und eine Zwille mit Stahlmunition dabei.

Mittlerweile sind die "Autonomen Nationalisten Bückeburg" auch regional gut vernetzt und auf vielen Veranstaltungen außerhalb Bückeburgs zu sehen. Trotzdem scheint sich der Widerstand in Bückeburg nur schleppend voran zu bewegen. Zu dieser Erkenntnis kommt auch Irmela Mensah-Schramm: "Bückeburg ist nicht bunt. Bückeburg muss bunt werden und ist meines Erachtens nach eher braun". Sie sei in Bückeburg mit ihrem Projekt auf sehr starke Ablehnung getroffen, weder die örtlichen Behörden noch die Schulleitung hätten sie wirklich unterstützt. Im Gegenteil, Christiane Marx, Rektorin der Herderschule, habe ihre Bemühungen und die der engagierten Lehrerin und Schüler eher behindert. Beispielsweise behauptete die Rektorin am vergangenen Mittwoch, die Schmierereien seien erst nach Bekanntwerden der Malaktion an den Wänden aufgetaucht. 

Das sei schlichtweg falsch, meint Mensah-Schramm. Unter den Schüler*innen hat sie beobachtet, dass sich drei Gruppen gebildet haben: Rechtsextreme, engagierte Schüler und ein großer Teil der Schülerschaft, der sich unpolitisch und unbeteiligt gibt. "Die haben Angst, also halten sie sich raus", meint sie. Außerdem bemängelt sie, dass die Bewohner Bückeburgs lieber versuchen, sich der Problematik zu entziehen, als sich aktiv mit der rechtsextremen Szene auseinander zu setzen: "Die Bürger wollen lieber ihre Ruhe haben und meinen wenn man nicht daran herumrührt, werden die Neonazis von alleine aufhören". Der Vorfall am Dienstag zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Ruhe haben die Einwohner Bückelburgs schon lange nicht mehr.

Mehr im Internet:

| "Unsterbliche" stören massiv Malaktion der Herderschule (Landeszeitung, 16.07.2012)

| Bückeburg: Zurückhaltung zeigen oder offen agieren? (Landeszeitung, 20.07.2012)

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