Dass die AfD in den vergangenen zwei Jahren hartnäckig versuchte, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, dürften selbst in der Partei die Wenigsten bestreiten. Gezielte Provokation gehört zur Strategie der Partei. Es ist ihr Instrument, um ihre Anhängerschaft zu erweitern und zu mobilisieren. Über mindestens vier Jahre hat die AfD nun eine öffentliche Bühne und gesteigerte Aufmerksamkeit für ihren rassistischen Diskurs. Besonders werden das diejenigen spüren, die schon jetzt in ihrem Alltag mit Rassismus konfrontiert sind.
Ein Gastbeitrag von Axel Ruppert, Projektkoordinator beim Europäischen Netzwerk gegen Rassismus
Kürzlich hat die Arbeitsgruppe von Sachverständigen der Vereinten Nationen zu Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland ihren Bericht dem UN-Menschenrechtsrat übergeben. Die Arbeitsgruppe zeigt sich darin „tief besorgt“ über den strukturellen Rassismus und die rassistische Gewalt, die Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland erfahren. Gleichzeitig sind Antiziganismus und Antisemitismus in Deutschland weiterhin weit verbreitet, wobei die Gewalt gegen Muslime zuletzt stark zugenommen hat. Ebenso sind Gewalttaten gegen Geflüchtete angestiegen, die sich auch im Anstieg von rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten seit 2013 widerspiegeln. Letztere sind im Zeitraum von 2015 bis 2016 um 14 Prozent angestiegen.
In diesem Kontext ruft der Fraktionsvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, dazu auf, politische Gegner*innen zu „jagen” und kündigt an man werde sich "unser Land und unser Volk zurückholen". Setzen die neuen AfD Abgeordneten diese aggressive Rhetorik fort, erschweren sie nicht nur differenzierte parlamentarische Auseinandersetzungen, sondern riskieren ebenso einen weiteren Anstieg rassistisch motivierter Gewalt in Deutschland. In Sachsen, wo die AfD seit 2014 im Landtag sitzt, sieht die Opferberatung RAA Sachsen bereits, wie sich durch die Präsenz von AfD und PEGIDA der öffentliche Diskurs nach rechts verschoben hat. Beleidigungen und Angriffe haben zugenommen, auch weil rassistische Äußerungen mehrheitsfähig wurden. Nicht zuletzt haben die Ereignisse in Großbritannien nach dem Brexit Votum und in den USA eindrücklich bewiesen: Das Erstarken von Rechtspopulisten und die Verbreitung ihrer rassistischen Aussagen können zu einem deutlichen Anstieg von Hasskriminalität führen.
Werden Hassverbrechen nicht erfasst, dann existieren sie auch nicht
Ob Hasskriminalität in Deutschland weiter ansteigen wird, wissen wir noch nicht. Wir müssen allerdings in der Lage sein, eine solche Entwicklung mit offiziellen Statistiken nachzuvollziehen. Wird Hasskriminalität nicht erfasst, existiert sie auch nicht. Das ist in Deutschland jedoch der Fall, denn rassistisch motivierte Straftaten werden nicht durchgehend strukturiert erfasst.
Um Klarheit darüber zu haben, was die AfD im Bundestag für die Sicherheit von Muslimen, Juden, Roma und Sinti, Schwarzen und Migranten bedeutet, müssen die Behörden endlich ihr System zur Erfassung von Hasskriminalität reformieren. Rassistisch motivierte Straftaten müssen früh als solche erkannt und in ihrer Aufarbeitung von politisch motivierten Delikten getrennt werden. Amnesty International bemängelt in einem Bericht zu rassistischer Gewalt in Deutschland, dass die aktuelle Unterordnung von Hassverbrechen in die Kategorie politisch motivierter Straftaten keine Rückschlüsse zur Anzahl und Entwicklung von Hassverbrechen zulässt. Schließlich gibt es viele Formen politisch motivierter Straftaten, die keine Hassverbrechen darstellen.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Das Ergebnis der Bundestagswahl stellt auch die zukünftige Zusammensetzung des Europäischen Parlaments infrage: Werden, angesichts des Wahlerfolgs der AfD und des schlechten Abschneidens der CDU und SPD, die deutschen Wähler*innen bei den Wahlen zum EU-Parlament 2019 zu einer Verschiebung nach rechts beitragen? Im Kontext erstarkender rechter und rechtsextremer Parteien in vielen Mitgliedsstaaten der EU zeichnet sich ein gestärkter rechter Flügel für die Legislaturperiode 2019-2024 ab. Ein EU-Parlament mit einer gestärkten Rechten und geschwächten Mitte würde das Vorantreiben von Gesetzen zur Förderung der Gleichberechtigung auf europäischer Ebene deutlich erschweren.
Nun gilt es für die demokratischen Parteien, Medien und Zivilgesellschaft sich dem rassistischen Diskurs der AfD deutlich und öffentlich entgegenzustellen. Es muss ebenso Aufgabe der demokratischen Parteien sein die AfD inhaltlich zu stellen und Wähler*innen zurückzugewinnen. Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, betont das die demokratischen Parteien dabei jedoch nicht mit der AfD in einen „Konkurrenzkampf um deren nationalistische Ziele“ treten dürfen.
Ein Entgegentreten gegen die AfD allein wird jedoch nicht dafür sorgen, dass rechtsextreme Parteien in Deutschland zukünftig weniger Zustimmung finden. Letztlich hat die AfD ihren Nährboden auch in den rassistischen Strukturen gefunden, die in Deutschland vorherrschen. Schon vor der Bundestagswahl war klar: Deutschland hat ein Rassismusproblem. Dieses findet nicht nur Ausdruck in der AfD, sondern auch in der Art und Weise, wie Rassismus in der Politik, in den Medien, der Verwaltung aber auch in der Kunst und Kultur thematisiert oder eben nicht thematisiert wird. Deutschland muss sich endlich dem Kampf gegen den Rassismus stellen. Dabei geht es nicht nur um den Kampf gegen rechts, sondern um Alltagsrassismus und strukturelle Benachteiligung von ethnischen und religiösen Minderheiten. Solange es in Deutschland keine offene und ehrliche Debatte über den strukturellen Rassismus gibt, wird eine AfD bei den nächsten Bundestags- und Europawahlen nicht nur 12,6 % holen.
Das Europäische Netzwerk gegen Rassismus im Internet: