Auch im Amateurfußball geht es leider nicht immer so idyllisch zu.
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Rechtsextremismus im Deutschen Amateurfußball - was tun?

Auch im Alltag des deutschen Amateurfußballs wird Rechtsextremismus immer wieder zur Thematik. Doch häufig sind die Vereine alleine mit einer solchen Situation überfordert und machen dementsprechend Fehler bei der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Bestrebungen in ihrem Umfeld. Dabei gibt es die Möglichkeit sich Hilfe ins Haus zu holen. Angelika Ribler, Referentin bei der Sportjugend Hessen und Mitbegründerin des „Instituts für Sportmediation und Konfliktmanagement“ berät Sportverbände und Vereine vor Ort in ihrem Umgang mit Rechtsextremismus. Für Belltower.news hat sie einige Handlungsanleitungen für Verbände, Vereine, Trainer und Eltern zusammengestellt.

Was kann man als Verein tun, wenn ein NPD-Funktionär als Trainer aktiv werden möchte/es bereits ist?

Grundsätzlich sollten hierbei zwei verschiedene Fälle unterschieden werden. Wird ein Trainer strategisch durch die NPD eingeschleust oder handelt es sich in erster Linie um einen engagierten Vater, der sich bereiterklärt hat das Training zu übernehmen. Während im ersten Beispiel eine politische Betätigung im Trainingsbetrieb als Ziel der Aktion zu erwarten ist, ist die Situation im zweiten Beispiel schon etwas komplizierter. Hier ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Trainer nötig.

Was würden sie dem Verein in diesem Fall raten?

Zunächst einmal sollte der Verein bereit sein sich Hilfe von außen zu holen. Mein Job als Beraterin ist es dann mir ein genaueres Bild von der Situation zu verschaffen. Sportvereine trennen in diesen Fällen häufig zwischen „innen“ und „außen“:  solange der Betreffende  im Verein nicht politisch handelt, sei doch alles in Ordnung. Die entscheidende Frage ist allerdings, woran man erkennen könnte, dass er seine Ideologie verbreitet. Auch wenn der Trainer nicht offensiv agiert und zum Beispiel keine Flyer verteilt, so kann er sich dennoch im Umgang mit den Spielern undemokratisch verhalten, Einzelne von ihnen bevorzugen, andere benachteiligen – aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe etc. Diese Feinheiten werden im Verein häufig nicht bemerkt. Überhaupt ist diese Trennung der Handlungen innerhalb und außerhalb des Vereins aus meiner Sicht sehr fragwürdig. Was wäre beispielsweise, wenn der Verein erfahren würde, dass ein Jugendtrainer im Alltag Fotos von nackten Kindern auf seinem PC sammelt? Würden die Eltern und der Verein dann auch behaupten, es läge keine Kindeswohlgefährdung vor, solange er IM Verein beim Training niemanden sexuell belästigt? Vielleicht ist hier die Gefahrenlage deutlicher, weil es um den Körper geht. Wie sich jedoch Diskriminierungen und Ausgrenzungen auf die Entwicklung von Kindern auswirken, wird oft noch unterschätzt. Das liegt aber auch am Begriff „Rechtsextremismus“, den ich ungern in den Beratungen verwende. Er suggeriert eine andere Gefahrenlage und thematisiert nicht rassistische, antisemitische oder islamfeindliche Einstellungen bzw. Handlungen, die weit verbreitet sind und sich ebenso verheerend auf die Kinder auswirken können.

Oftmals ist man dazu geneigt einen solchen Fall zunächst unter den Tisch zu kehren, auch aus Angst vor negativen Schlagzeigen und einer Rufschädigung für den Verein. Ist dieses Vorgehen ihrer Meinung nach richtig?

Auch wenn ich diese Befürchtungen der Vereine sehr gut verstehen kann, sollte man als Verein aktiv das Thema aufgreifen, denn häufig gelangen die Informationen später doch an die Öffentlichkeit. Nicht durch mich, denn ich arbeite vertraulich, aber durch Dritte, die evtl. zum Thema recherchieren.  Daher ist es ratsamer eine klare Position zu kommunizieren, als sich mit langsam aufkommenden Gerüchten herumschlagen zu müssen. Diese klare Positionierung kann mit mir als Beraterin erarbeitet werden. Ich stelle dann die Frage, welche Werte der Verein hat, wie diese im Verein gelebt werden und auch welche Werte man nach außen tragen möchte. Hier ist es unerlässlich auch mit den Eltern, Trainern, Betreuern und auch mit den Kindern und Jugendlichen zu sprechen, sie für die Thematik zu sensibilisieren. Wichtig ist es den Weg gemeinsam mit dem Verein zu gehen und keine Entscheidungen von außen aufzuzwingen. Natürlich wollen wir dafür sensibilisieren welche negativen Auswirkungen ein rechtsextremer Jugendtrainer haben kann. Sanktionen sollten allerdings intern beschlossen und verhängt werden. Denn wenn zum Beispiel Forderungen nach einem Rausschmiss des Trainers von außen (Politik, Sportverbände, Antifa, …) formuliert werden, kann es zu ungewollten Solidarisierungseffekten mit dem Betreffenden kommen, das habe ich bereits mehrfach erlebt. Selbst wenn sich der Verein aufgrund von Druck von dem Trainer trennt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Themen Rechtsextremismus, Rassismus, Diskriminierungen etc. unzureichend stattgefunden hat und nur reagiert wird, weil es vom Verein verlangt wurde.

Wie verhält man sich am besten bei der Verwendung von rechtsextremen Codes durch Spieler?

Wichtig ist es hierbei natürlich, dass die entsprechenden Codes auch erkannt werden. Hier sollte grundsätzlich Aufklärung betrieben werden, damit eine solche Symbolik nicht unbemerkt bleibt. Äußert nun ein Spieler den Wunsch beispielsweise mit der Trikotnummer „88“ aufzulaufen, oder taucht jemand plötzlich mit einem entsprechend selbst beflockten Trikot auf, sollte zunächst das Gespräch mit ihm gesucht werden. Stellt sich hierbei heraus, dass wirklich ideologische Gründe für die Nummerierung vorliegen, muss eine klare Aussage getroffen werden. Der Spieler soll weiterhin die Chance bekommen aus seinem Fehler zu lernen und ohne das Trikot Teil der Mannschaft zu sein. Allerdings muss er sich dafür an das Selbstverständnis des Vereins halten und darf niemanden diskriminieren, sonst ist er fehl am Platz. Vereine sollten versuchen insbesondere junge Spieler, die noch ungefestigte rechtsextreme Einstellungen aufweisen, im Verein zu halten. Allerdings benötigen sie hierbei Unterstützung von außen, z.B. von Kollegen aus (Früh-)Aussteigerprogrammen.

Was ist wenn unter den Zuschauern rechtsextreme Kräfte auftauchen? Wie kann der Verein hier intervenieren?

Zunächst einmal gilt es ein wachsames Auge auf diesen Personenkreis zu werfen. Sollten sie auf dem Sportplatz offensiv Jugendliche werben oder durch ihre Symbolik und ihr Verhalten andere Menschen diskriminieren ist eine Reaktion des Vereins erforderlich. Dies ist mit verschiedenen Maßnahmen möglich: Eine klare Ansage des Stadionsprechers, das Verteilen von Handzetteln oder auch ein Gespräch mit den jeweiligen Personen. So könnte man sie am Einlass unmissverständlich auf die geltende Stadion- bzw. Sportplatzordnung hinweisen und ihnen deutlich machen, dass bei Verstößen hiergegen der Rausschmiss oder gar ein Polizeieinsatz drohen.

Nun gibt es leider auch Vereine mit einem eindeutig rechtsextremen Umfeld, die bewusst einen derartigen Personenkreis ansprechen? Wie kann man als Verband hierauf reagieren?

Die Ablehnung der Aufnahme solcher Vereine ist rechtlich nicht einfach. Die Verbandssatzungs-Paragraphen müssen hier wasserdicht gemacht werden. Für eine Ablehnung muss nachgewiesen werden, dass die Mehrheit des Vorstandes aus einem rechtsextremen Umfeld stammt - dies zu belegen erweist sich in der Praxis jedoch als äußerst schwierig. Hierzu bedarf es der Zusammenarbeit verschiedener Stellen, auch des Verfassungsschutzes. Ist es also nicht möglich einem solchen Verein die Aufnahme in den betreffenden Landesverband und damit die Teilnahme am Spielbetrieb zu verwehren, ist für den Verband Prävention und eine eindeutige Positionierung von großer Bedeutung.

Wie könnten solche Präventionsmaßnahmen denn aussehen?

Da gibt es ganz vielfältige Möglichkeiten. Im eben genannten Fall kann der zuständige Sportfachverband zusammen mit dem Landessportbund oder der (Landes-)Sportjugend und dem betreffenden Kreis die Vereine, die in der Runde gegen den Verein antreten, für das Thema sensibilisieren und gemeinsame Aktionen vereinbaren (Banner aufhängen, Info-Tische aufstellen, mit den Mannschaften sprechen etc.). Die Verbände können entsprechende Projekte durchführen, Berater/innen und Referent/innen bereitstellen, Infoabende, Fachtagungen und Konferenzen zum Thema veranstalten. Auch können Symboliken wie die „88“ verboten werden - dies hat zum Beispiel der Hessische Fußball Verband e.V. getan. Der Verband muss hier einen klaren Rahmen bieten und auch die Funktionsträger auf allen Ebenen immer wieder schulen und sensibilisieren. Man darf nicht dazu übergehen nur die anderen, also „die Nazis“ als die Bösen darzustellen, sondern in seinen eigenen Strukturen aufmerksam sein. Allen muss bewusst sein, dass der Fairplay-Begriff nicht auf dem Spielfeld endet, sondern in sämtlichen Situationen von immenser Bedeutung ist. Verbände sollten sich fragen: Wie gehen wir mit Diskriminierungen um? Was passiert nach einer rassistischen Beleidigung außer einer Strafe? Wie kann der Verein bei der Aufbereitung dieser Fälle begleitet werden? Hier gibt es viele praxisorientierte Maßnahmen, die entwickelt wurden. Vereine sollen ein Wohlfühlort für alle demokratisch gesinnten Menschen sein. Aber das sind sie eben oft nicht von allein, sondern es bedarf der Selbstreflexion und ggf. der externen Unterstützung.

Fairplay endet spätestens dann, wenn Spieler rassistisch beschimpft werden. Wie sollte das Umfeld mit einem solchen Vorfall umgehen?

Natürlich gilt es hier zunächst eine klare Grenze zu setzen, eine deutliche Positionierung ist vonnöten, dass dementsprechendes Handeln nicht toleriert wird. Hierzu braucht ein Trainer auch keine besondere pädagogische Vorbildung. Das ist die vielbeschworene Zivilcourage: Eingreifen, Stopp sagen. Allerdings sollte der „Täter“ nicht vor versammelter Mannschaft an den Pranger gestellt werden, sondern vielmehr sollten die Folgen einer solchen Äußerung in den Mittelpunkt rücken. Wer ist von Diskriminierungen betroffen? Wer öfter, wer weniger oft? Welche Auswirkungen hat dies auf Betroffene? Wie wollen wir hier zusammen spielen? Was erwarten wir von unserem (sportlichen) Gegner? Von den Eltern? Vom Trainer? Es können Selbstverpflichtungen erarbeitet werden, z.B. im Rahmen von Fairness- und Demokratietrainings, die von einigen Verbänden (kostenlos) angeboten werden. Die klare Ansage an den Spieler sollte natürlich auch erfolgen, allerdings am besten unter vier Augen. Ihm muss deutlich gemacht werden, dass die Äußerung mit den Werten, die man als Mannschaft selbst verabredet hat und vermitteln möchte, nicht vereinbar ist. Es müssen dann ggf. auch Sanktionen folgen, wenn die Regeln nicht eingehalten werden.

Bei konkreten Fragestellungen zu Fällen in ihrem Vereinsumfeld können sie sich gerne an Angelika Ribler wenden: Tel. 0 69 67 89 401, E-Mail: ARibler@sportjugend-hessen.de

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