Beim Spiel gegen Hannover 96 setzten Dortmuner Fans ein Zeichen gegen Neonazis
Screenshot youtube

Kehrt der Neonazismus in die Stadien zurück?

Mit dieser Frage beschäftigte sich ein Vortrag, den der Journalist Christoph Ruf am vergangenen Mittwoch im Berliner "Haus der Fußballkulturen" hielt. In der anschließenden Diskussion ging es aber auch um die Rolle der Ultras beim Umgang mit Rechtsextremismus in den Stadien. Organisatoren der Veranstaltung waren das "Fanprojekt Berlin" und der Verein "Helle Panke".

Von Dennis Wellmann und Joachim Wolf

"Der Neonazismus in den deutschen Stadien war nie ganz verschwunden", stellte Christoph Ruf gleich zu Beginn seines Vortrags fest. Vielmehr habe sich die Strategie der Neonazis geändert: "Sie treten heute zumindest in den Bundesligastadien nicht mehr mit offener Nazi-Symbolik auf". Doch je weiter man in die unteren Ligen schaue, desto häufiger treffe man auf offen rechtsextreme Symbolik. Als Beispiel nannte der Journalist und Autor ein eigenes Erlebnis bei einem Spiel des FC Homburg: Dort sei gleich mehrfach das berüchtigte "Auschwitz-Lied" gesungen worden. Außerdem habe er im Stadion Kader der lokalen Neonazi-Kameradschaften gesehen, die ihre menschenverachtende Gesinnung ganz offen auf T-Shirts zur Schau gestellt hätten. 

Kameradschaften, "Autonome Nationalisten", "Alt-Hools" und die NPD

Dieses Beispiel zeigt, dass es vor allem die neonazistischen Kameradschaften und die "Autonomen Nationalisten" sind, die versuchen, in die Fanszenen zu gelangen und den Fußball für ihre Zwecke zu missbrauchen. Als weitere Belege für diese Tendenz nennt Ruf die Ereignisse in Aachen, Braunschweig und Dortmund. Er sieht dabei auch einen Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung in den deutschen Fankurven: Nachdem in den 80er und frühen 90er Jahren die rechten Hooligans aus den Stadien verschwunden sind, geben nun zunehmend die Ultras den Ton auf den Tribünen an. Dabei seien natürlich die Ultras nicht per se rechtsextrem und gewaltbereit, stellte Ruf klar. Allerdings gebe es einige Gruppen, die Neonazis in ihren Reihen dulden würden. Und: Einige wenige Gruppen könnten ganz klar als rechtsextrem bezeichnet werden. Diese würden Heim- und Auswärtsspiele auch für politische Absprachen und für die bundesweite Vernetzung nutzen. Auch gebe es immer wieder Versuche rechtextremer Organisationen, vor oder in den Stadien Flugblätter zu verteilen und so ganz offen für ihre menschenverachtende Ideologie zu werben.

Doch ganz seien auch die rechten Hooligans nicht aus den Stadien verschwunden. So gibt es laut Ruf bereits eine zweite und dritte Generation der berüchtigten "Borussenfront". Auch spiele deren ehemaliger Anführer "SS-Siggi" weiterhin eine Rolle in der Szene. Und: Es sei in letzter Zeit zu beobachten gewesen, dass rechte Alt-Hooligans wieder in den Stadien in Erscheinung getreten seien, nach Augenzeugenberichten teilweise sogar als Ordner in den Blocks. Diese "alten Herren" würden auch versuchen, die Ultra-Szene mit Gewaltandrohungen in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Neben Kameradschaften, "Autonomen Nationalisten" und "Alt-Hooligans" versucht aber auch die NPD, mit dem Thema Fußball zu punkten. So hatte sich erst kürzlich der Thüringer Landesverband in einer Stellungnahme "solidarisch" mit der Fanszene erklärt sowie eine "lebendige, selbständige und vielfältige Fankultur im Fußball" gefordert. In ihrem Schreiben mit dem Titel "Sport frei! Politik raus aus dem Stadion!" beklagt die rechtsextreme Partei außerdem, dass Politik und Medien das Bild vom brutalen Fußballfan zeichnen würden.

"Es ist wichtig, dass sich die Fans wehren"

Auch wenn dies durchaus Ansichten und Forderungen sind, die auch von den Fanszenen vertreten werden, war die Antwort der organisierten Fußballanhänger auf die Veröffentlichung der NPD mehr als deutlich. So wehrt sich die Initiative "Pro Fans" in einem Schreiben mit dem Titel "Unterstützung von Rechts? Nein Danke!" gegen den Versuch der rechtsextremen Partei, sich vor allem bei jungen Fußballfans anzubiedern. "Dass sich die NPD an unseren Themen und Forderungen bedient, ist für uns absolut nicht hinnehmbar. Eine lebendige und vielfältige Fankultur hat keinen Platz für Nazis und Rassisten", heißt es dort.

"Es ist wichtig, dass sich die Fans selber gegen rechtsextreme Umtriebe in ihren Kurven wehren", betonte Ruf und fand damit viel Zustimmung bei den im "Haus der Fußballkulturen" anwesenden Fußballanhängern. "Fans sollten das Problem unter sich regeln", fand beispielsweise auch einer der Zuschauer und kritisierte dabei die rein negative Berichterstattung der Medien über Fußballfans und Ultras. Und in der Tat sieht auch Ruf das Bild, das Teile der Medien vom Fußball und seinen Anhängern zeichnen, kritisch. Denn: Insgesamt bewertet der Journalist und Autor die Anwesenheit der Ultrabewegung in den Stadien als positive Entwicklung: "Es gibt in der Ultraszene einen großen Anteil an Fans, der sich kritisch mit den Themen Rechtsextremismus und Rassismus auseinandersetzt und durch Aktionen dafür sorgt, dass die Öffentlichkeit dieses Problem überhaupt erst wahrnimmt", lobte Ruf.

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