Beim Fachgespräch diskutierte auch Fanprojektleiter Michael Gabriel (Mitte) mit, gab aber vornehmlich Einblicke in die Fanprojektarbeit, weniger Aufschlüsse über HoGeSa.
Redaktion FgN

HoGeSa: "Erst zurück in die Kurve, dann auf die Straße"

Bei einem Fachgespräch der Bundestagslinksfraktion tauschten sich Fanforscher, Journalisten, Fanprojektvertreter und ein Ultrá aus Aachen über die Wurzeln von den Hooligans gegen Salafisten und ihre ideologischen Schnittmengen mit Neonazis und der bürgerlichen Mitte aus. Beleuchtet wurde dabei auch der Männlichkeitskult dieser selbst ernannten Leibwache der deutschen Bevölkerung. Und der Scheideweg, an dem HoGeSa nun steht.

Von Redaktion Fussball-gegen-nazis.de

An diesem Abend haben sich auf Einladung der Bundestagslinksfraktion im Berliner Fanprojekt Männer getroffen, die sich auskennen. Sie sind Experten für Hooligans, Geschlechterrollen im Fußball oder Fankultur. Christof Ruf vom Spiegel gibt einen ersten Überblick über die Strukturen von HoGeSa und die Rolle der Rechtsextremen in der Organisierung. Er zitiert aus internen HoGeSa-Facebook-Gruppen und weist auf die Überschneidung mit den Aktivisten aus dem Blood & Honour Bereich hin. Für den oder die aufmerksame Leser*in von Fussball-gegen-nazis.de berichtet er nicht viel Neues, weshalb wir hier einfach auf unsere vorangegangenen Artikel verweisen.

Vertreibung der Aachen Ultras manifestierte Roll-Back in den Stadien

Spannender wird es schon, als der Vertreter von den Aachen Ultras (ACU) zu Wort kommt. "Die Wurzeln von HoGeSa liegen weit zurück", steigt er ein. Aus Aachen seien in Köln mindestens 60 Personen bei der bislang größten Demonstration der Hooligans gewesen. Bekannt ist, dass sie aus dem Aachener Kameradschaftsumfeld stammen und einzeln sogar in der NPD organisiert sind, wie Sascha Wagner. Dieser hatte zuletzt die Kundgebung der "Saarländer gegen Salafisten" (SaGeSa) in Völklingen angemeldet; ein Ableger von PEGIDA und HoGeSa, der sich als Flop herausstellte. Anders als in vielen deutschen Fankurven, betont der ACU-Vertreter, dominieren in Aachen alte und neue Hooligans die Tribünen. "Als ich so begonnen habe, ins Stadion zu gehen, wurde mir auch mitgeteilt, dass Aachen schon immer rechts war und es auch immer bleiben wird", so der Ultrá weiter. Weil die ACU sich dagegen gestellt haben und eine neue, nicht-rechte Fankultur etablieren wollten, wurden sie letztendlich aus dem Block geprügelt. Für viele Beobachter*innen war das der Beginn eines Roll-Backs in den deutschen Fankurven, in dem sich die Hooligans die Ränge von den häufig antirassistisch orientierten Ultrá-Gruppen zurückholen wollen. "Aachen, Karlsruhe oder Braunschweig, da liegen die Wurzeln von HoGeSa. Zuerst erobern die Hools sich die Kurve zurück, dann beanspruchen sie auch die Straße", so der Aachener weiter. Moderatorin Petra Pau (Linke) bestärkt diese Ansicht: "Wir treffen heute die gleichen Akteure, wie in den 1990ern, die wie in Marzahn ihre rassistische Meinungen auf die Straße bringen."

HoGeSa sticht in doppeltes Vakuum

Inhaltliche Höhen bietet der Vortrag von Robert Claus. Er ist Mitglied der Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit der Uni Hannover, die sich als Beratungsorgan für Fußballvereine mit Naziproblem, wie dem BVB Dortmund, einen Namen gemacht hat. Er sieht Hooligans als die älteste Jugendbewegung Deutschlands an, deren Identität auch immer von ihrer Liebe zu ihrem Fußballverein geprägt ist. HoGeSa stößt nun laut Claus in ein doppeltes Vakuum: die organisatorische Krise der Rechtsextremen nach dem Auffliegen des NSU und der Verhinderung großer Neonazidemonstrationen, wie in Dresden; sowie die gesellschaftlich kaum diskutierte Realität und Gefahr des Islamismus. Die auch in den Fußballfankurven als Schutzstaffel gehandelten Hooligans stilisieren sich in dieser Gemengelage nun als genau das: Beschützer der deutschen Bevölkerung gegen die islam(ist)ische Gefahr.

Fanforscher beleuchtet ideologische Schnittmengen

Dabei liegen die ideologischen Schnittmengen mit Neonazis und Rechtspopulist*innen auf der Hand: antiquierte Werte, Gewaltorientierung, überhöhter männlicher "Schutzauftrag",  und der Hass auf die Antidiskriminierungsbestrebungen für eine offene Gesellschaft oder eine offene Fankurve bilden eine Klammer. In der patriarchalen Ideenwelt von HoGeSa verquickt sich Antifeminismus mit Rassismus, emanzipatorischen Bestrebungen von Frauen wird ein extrem reaktionäres Bild von Weiblichkeit entgegengehalten. Gleichzeitig wird eine zivilisierte deutsche Männlichkeit, für die eine deutsche Weiblichkeit immer sexuell verfügbar ist, heraufbeschworen. Illustrieren lässt sich das an einem Beispiel der rechten Website pi-news, die HoGeSa mindestens ideell unterstützt. Als Werbegrafik wird eine Frau im Bikini gezeigt, auf diesem steht "Burkafreie Zone". Gleichzeitig hält die Figur ein Schild in der Hand "Islamophob - aber sexy". 

Weil sich Identität und auch Geschlechtsidentität am besten über Abgrenzung bilden lässt, ist die Bedrohung in Form einer fremden Männlichkeit nicht weit, auf die sexualisierte Gewalt gegen die "reine deutsche" Weiblichkeit projiziert wird. Man kennt ja die Mär vom marodierenden und vergewaltigenden Fremden, die nicht zuletzt auf den aktuellen Demonstrationen des Hooliganumfelds immer wieder erzählt wird. Dass sexualisierte Gewalt in den häufigsten Fällen im persönlichen Nahfeld und auch in dem von Rechtsgesinnten stattfindet, sind Fakten, die in diesem Diskurs am liebsten ignoriert, wenn nicht gar widersprochen werden. (Weiterführende Informationen finden sich hier: Instrumentalisierung des Themas sexueller Missbrauch durch Neonazis)

Anschlussfähig sind die Hooligans auch für die bürgerliche Mitte

"Diese Klammer reicht weit über den Fußball hinaus, wie sich bei PEGIDA, dem Marsch für´s Leben von Abtreibungsgegnern oder einfach den Montagsdemos gegen Flüchtlingsheime zeigt", so Claus weiter. Die heraufbeschworene Bedrohung für Kinder und Familie, die Agitation gegen eine offene Gesellschaft und vielfältige Identitäten, das mache die Hooligan-Bewegung anschlussfähig für die Mitte der Gesellschaft. Christof Ruf hatte noch Islamfeindlichkeit ergänzt, einig sind sich die Experten, dass HoGeSa am Scheideweg steht. Die Gewalttätigkeit der Bewegung schreckt viele Bürger der Mitte und auch anfängliche HoGeSa-Unterstützer*innen ab, die Vereinnahmungsversuche durch organisierte Neonazis führen zu Spannungen unter den Hooligans, die Parteipolitik ablehnen.

In der näheren Zukunft wird sich zeigen, ob HoGeSa wie ihr englisches Vorbild der English Defence League wieder in der Versenkung verschwindet. Oder ob Konzepte, wie die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes PEGIDA, die derzeit in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden jede Woche mehr Menschen auf die Straße bringen und dabei gewaltbereite Fußballfans sowie radikale Bürger*innen gemeinsam zu friedlichen Schweigemärschen motivieren, die Oberhand gewinnen.

 

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