Am Dienstag wurden in Berlin die European Maccabi Games 2015 offiziell eröffnet. 79 Jahre nach den olympischen Spielen in Nazi-Deutschland kehren jüdische Sportler*innen nun mit einem Tusch zurück und halten ihre eigenen Spiele im Olympiastadion ab. Auch der Fußball spielt dabei eine tragende Rolle. Bundespräsident Joachim Gauck eröffnete die Spiele – mit leichter Geschichtsvergessenheit.
Von Laura Piotrowski
In der Waldbühne Berlin wurden am Dienstagabend die European Maccabi Games 2015 (EMG) offiziell eröffnet. 2300 Sportler*innen aus 38 Ländern liefen in der Waldbühne ein, der jüdische Sänger Matisyahu sang mit dem muslimischen Künstler Abdel Tawil gemeinsam die Eröffnungsmusik und Bundespräsident Joachim Gauck fand nicht ganz die richtigen Worte. Die Maccabi Games stehen auch im Zeichen der Erinnerung an die Shoa, die vor knapp 80 Jahren während der Olympischen Spiele in Berlin 1936 schon spürbar wurde. Nun kehren die jüdischen Sportler*innen zurück, die Worte "Maccabi chai – Makkabi lebt" prägten den Abend. Auf der Bühne sprachen Nachkommen von Jüdinnen und Juden, die im Nationalsozialismus verfolgt worden waren und betonten "Nun schließt sich der Kreis". Nancy Glickman, die Enkelin eines jüdischen US-Athleten, der 1936 nicht an der Nazi-Olympiade teilnehmen durfte, entzündet das Maccabi-Feuer. Der Präsident des deutschen Zentralrats der Juden Josef Schuster fasste die historische Bedeutung des Tages deutlich zusammen "Wo die Nazis von einem judenfreien Deutschland träumten, lassen wir heute einen jüdischen Traum Wirklichkeit werden".
Zeichen eines neuen deutsch-jüdischen Selbstverständnisses
Die größte Delegation der Makkabiade kommt aus Deutschland, 339 Sportler*innen trugen schwarz-rot-gold. "Viele Jahre wurde sich auf den anderen Makkabiaden und EMG geschämt, niemand wollte sich als Deutscher präsentieren. Anstatt in schwarz-rot-gold sind die Sportler in blau-weiß aufgelaufen", so Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland.
Heute bezeichneten einige Redner der Eröffnung es als "die größte Ehre überhaupt". Und auch Meyer dankte der deutschen Gesellschaft, dass "Juden sich wieder sicher und zu Hause fühlen können". Die EMG sind für die Organisator*innen das Zeichen eines neuen deutsch-jüdischen Selbstbewusstseins, das 70 Jahre später im Land der Täter wieder wachsen konnte.
Für den Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) ist die Makkabiade trotzdem eine Herausforderung, mehrere Hundert Polizisten schützen die Spiele. Auch bei der Eröffnung mischten sich Beamt*innen unter die Gäste, führten sogar einen ab. Am Montag machten mehrere Medien auf die Drohungen von Neonazis gegen die Makkabiade aufmerksam, auch vor islamistischer Gewalt wurde gewarnt. Das Veranstaltungskomitee der Maccabi Games empfahl den Athlet*innen, nicht als jüdische Gruppe erkennbar durch bestimmte Bezirke Berlins zu laufen. Eine Woche vor Beginn der Spiele ging mit "Report.Antisemitism" eine Seite online, über die man antisemitische Vorkommnisse melden kann, um diese genauer zu dokumentieren.
Die Makkabiade in Berlin ist auch ein politisches Zeichen
Bundespräsident Joachim Gauck eröffnete die Spiele offiziell. Er freute sich über den Vertrauensbeweis, dass so viele jüdische und israelische Menschen wieder in Deutschland leben und Sport treiben wollen. "Was ist das für ein Symbol, dass sich ausgerechnet hier, auf diesem Gelände, im Schatten des Olympiastadions, jüdische Sportler aus ganz Europa versammeln, um sich im sportlichen Wettstreit zu messen!" Viel weiter führte er die Geschichte in seiner offiziellen Rede nicht aus. Anstatt genauer auf das "Symbol" oder "den Schatten" einzugehen, sprach er über Freude und Stolz. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wurde im RBB deutlicher: "Es ist ein Geschenk, dass sich die jüdischen Sportler 70 Jahre nach der Shoa für Berlin entschieden haben."
"We are still here" verkündete die US-amerikanische Delegeation auf einem Transparent beim Einlaufen. Damit setzten sie einen Akzent, der sich im gesamten Programm der Eröffnungszeremonie wieder fand. Auch die dänische Delegation trug mit einem Abbild von Dan Uzan ein politisches Bekenntnis mit sich. Dan Uzan war ein jüdischer Wachmann und starb bei dem antisemitischen Terroranschlag in Kopenhagen im Februar diesen Jahres auf eine Bat Mizwa Feier. Vorher konnte er aber noch die 80 Feiergäste in Sicherheit bringen. Auch deshalb wurde in den Gedenkminuten, Yizkor genannt, an ihn und die anderen Opfer des antisemitischen Verfolgungswahns gedacht.
Die Makkabiade in Berlin zeigt, wie politisch Sport heute ist und schon immer war. Die Macher*innen erinnerten an die Geschichte der Makkabi-Spiele, die das erste Mal 1929 in Prag stattfand. Der erste Makkabi Sportverein wurde schon 26 Jahre früher in Deutschland gegründet, in Reaktion auf die Ablehnung jüdischer Sportler*innen in den Vereinen der deutschen Turnerbewegung. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden Makkabi Deutschland und seine Mitgliedsvereine aus dem deutschen Sport ausgeschlossen und konnten nur noch untereinander wetteifern. Am 9. November 1938, der Reichspogromnacht, wurde das Büro des Präsidenten des deutschen Makkabi-Verbandes Hans Friedenthal zerstört. Der deutsch-jüdischen Bevölkerung war nun jeglicher Sport verboten, Makkabi Deutschland zu dem Zeitpunkt aufgelöst.
"Fußball spielt eine tragende Rolle"
"Für den jüdischen Sport ist Fußball am wichtigsten. Jeder Verein hat eine eigene Fußballabteilung. Auch in der Entstehung des deutschen Fußballs hat der jüdische Sport eine tragende Rolle gespielt", erklärte Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, im Juni gegenüber Fussball-gegen-nazis.de. Die tragende Rolle wiesen auch Wissenschaftler*innen immer wieder nach, während der Maccabi Games gibt es in Berlin zahlreiche Veranstaltungen, die an diese Geschichten erinnern. Und auch über Berlin hinaus wird, wie zum Beispiel beim FC Bayern München, seit Jahren der jüdischen Geschichte des deutschen Fußballs gedacht.
Neben Makkabi gibt es andere jüdische Sportverbände
Der Makkabi Verband ist jedoch nicht der einzige jüdische Sportverband. Besonders der Fußball ist in Israel vor allen Dingen durch die beiden großen Sportverbände Hapoel und Makkabi und deren Rivalität geprägt. Während der Makkabi-Verband 1921 von zionistischen Gruppen in Europa gegründet wurde und seinen Sitz zuerst in Deutschland, später in England und erst ab 1946 in der Nähe von Tel Aviv im heutigen Israel hatte, entstand der Hapoel-Verband um 1926 aus der israelischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung rund um die Stadt Haifa. Die Hapoel-Klubs gelten seither als linksgerichtet, die Makkabi-Vereine als bürgerlich-konservativ. Bevor der israelische Sport Anfang der 1990er Jahre internationaler wurde, war für viele Sportler*innen die Angehörigkeit zum jeweiligen Verband wichtiger als die zum speziellen Club bei dem sie spielten. Auch ein Wechsel zu einem Verein aus dem anderen Verband war für viele Sportler*innen lange Zeit undenkbar. Die beiden größten israelischen Fußballvereine, Makkabi Tel Aviv und Hapoel Tel Aviv, spiegeln die oben beschriebene Rivalität wieder. Ähnlich wie in München oder Mailand teilen sich die beiden Spitzenclubs aus Tel Aviv ein Stadion und pflegen eine intensive Feindschaft. Noch ausgeprägter ist aber die Feindschaft zwischen den tendenziell linksgerichteten Hapoel-Anhängern und den tendenziell rechtsgerichteten Beitar-Anhänger*innen, insbesondere den Anhängern des erfolgreichen Erstligisten Beitar Jerusalem.
"Sport ist ein Mittel, damit zusammen findet, was zusammen gehört. Wir setzen mit den Makkabi Spielen auch ein Zeichen für Toleranz, Völkerverständigung und Integration", erklärte Meyer bei seiner Eröffnungsrede in Berlin. Die Makkabiade 2015 ist deshalb offen für alle Sportler*innen, an zahlreichen Wettkämpfen können auch nicht-jüdische Athlet*innen teilnehmen. Die Spiele wollen interreligiös und integrativ sein. Und für den Präsident des Makkabi-Weltverbandes Leo Dan Bensky sollen sie auch ein Zeichen setzen, "gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und andere Formen der Ausgrenzung".
Einige Veranstaltungen in Berlin während der European Maccabi Games 2015
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29. Juli 19.00h: Nicht nur die "Schindler-Juden" spielten Fußball. Von Arbeitersportlern, Muskeljuden und Bundisten. Die Blüte des jüdischen Sports in Polen vor der Shoah, im Centrum Judaicum
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2. & 3. August, Fußballspiel "Let´s Play together" der EMG2015-Auswahl gegen die DFB Allstars, um im Olympiapark ein Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung zu setzen
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4. August, 19.00h: Béla Guttmann – Weltgeschichte des Fußballs in einer Person, im Jüdischen Museum Berlin
Weitere Hintergründe
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Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier zur weltweiten Makkabi-Bewegung
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Süddeutsche Zeitung: Porträt der Makkabi-Hockeyspielerin Debora Rosenthal, der Enkelin der Fernsehikone Hans Rosenthal
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Deutschlandfunk: Interview mit dem Organisationschef Oren Osterer und dessen Vater Gideon Osterer, der in den 1960er Jahren Makkabi Köln wieder aufbaute