Vom 08. bis 10. September 2017 will das Studienzentrum Weikersheim seine 40. Jahrestagung auf Schloss Weikersheim veranstalten.
Flickr / Florian Bugiel / CC BY-SA 2.0

40 Jahre "Studienzentrum Weikersheim": Vernetzung nach Rechtsaußen

Seit Jahrzehnten bewegt sich das rechtskonservative „Studienzentrum Weikersheim“ (SZW) in rechten Gefilden. Die zahlreichen Vernetzungen und Aktivitäten im Umfeld der Neuen und extremen Rechten zeigen: Zwar hat das SZW nur noch rund 130 Mitglieder, aber das Zentrum ist in der Lage, das bundesdeutsche Klima mit medienwirksamen Veranstaltungen zu beeinflussen. 

 

Von Timo Büchner

 

Vom 08. bis 10. September 2017 will das SZW seine 40. Jahrestagung auf Schloss Weikersheim (Main-Tauber-Kreis/Baden-Württemberg) unter dem Motto „500 Jahre Reformation: Wieviel Religion braucht der Mensch?“ veranstalten. Im Fokus stehen u.a. Vorträge der beiden aktuellen Präsidenten des SZW, Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, und Prof. Dr. Jost Bauch. Gerade Schachtschneider ist aufgrund seiner Aktivitäten im Umfeld der extremen Rechten äußerst umstritten.

Auf Schloss Weikersheim gründete sich im Jahr 1979 das „Studienzentrum Weikersheim“. Der frühere CDU-Politiker Hans Filbinger († 2007) initiierte die Gründung rund ein Jahr nach seinem Rücktritt als baden-württembergischer Ministerpräsident – infolge der sog. „Filbinger-Affäre“, in der seine Tätigkeit als NSDAP-Mitglied und NS-Marinerichter öffentlich kritisiert wurde. Damals sah Filbinger das SZW als „Antwort auf die sogenannte Kulturrevolution aus den 60er Jahren“ und forderte die Zuwendung zu „Staatsgesinnung, geistiger Führung und geistiger Leistungselite“.

Zwar beschreibt sich das SZW heute in den sogenannten „Weikersheimer Thesen“ als „Diskussionsforum für die zeitgemäße Formulierung eines freiheitlichen Konservatismus“, um sich „auf christlichem Fundament“ mit den „Problemen der Gegenwart des 21. Jahrhunderts“ zu beschäftigen. Aber an den Verantwortlichen des SZW zeigt sich, wie fließend die Übergänge zwischen Rechtskonservatismus, der Neuen Rechten und der extremen Rechten sind. Die Vernetzungen des aktuellen Präsidenten, Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, illustrieren dies im Folgenden beispielhaft.

 

Wer sich hier trifft

Am 25. März 2017 veranstaltete das SZW in Kooperation mit dem AfD-nahen „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ um den Vorsitzenden David Bendels eine sogenannte. „Frühjahrstagung“ mit Dr. Thilo Sarrazin auf Burg Lichtenberg bei Oberstenfeld (Kreis Ludwigsburg/Baden-Württemberg). Ehe Sarrazin über das Thema „Demographie und Einwanderung – Staat und Währung: Wie die Politik versagt“ sprach, richteten unter anderem Dr. Alice Weidel (AfD-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl) und Dieter Stein (Chefredakteur „Junge Freiheit“) kurze Grußworte an die rund 120 Besucher_innen. Unter den Teilnehmenden befanden sich mehrere prominente Akteur_innen der politischen Rechten wie Rolf Schlierer (Ex-Bundesvorsitzender „Die Republikaner“), Barbara Rosenkranz (Ex-FPÖ), Michael Paulwitz (Redakteur „Junge Freiheit“) und Dr. Nicolaus Fest (AfD Berlin).

Die Veranstaltung gibt Einblicke in die Vernetzung des SZW ins Spektrum der Neuen und extremen Rechten. Und: Das Grußwort von Dr. Alice Weidel zeigt, dass die AfD daran nicht unbeteiligt ist. Zwar ist der SZW-Präsident Schachtschneider kein AfD-Mitglied, aber er war einer der 68 Hauptunterzeichner der eurokritischen „Wahlalternative 2013“, welche in die Gründung der AfD mündete. In den vergangenen Jahren referierte er mehrfach bei AfD-Veranstaltungen. Darüber hinaus initiierte er gemeinsam mit Hans-Thomas Tillschneider   (AfD Sachsen-Anhalt und „Patriotische Plattform“), Götz Kubitschek (Herausgeber „Sezession“) und Jürgen Elsässer (Chefredakteur „Compact“) die Plattform „Ein Prozent für unser Land“, welche rechte Mobilisierungen bundesweit finanziell und organisatorisch unterstützt. Zur Sicherung deutscher Grenzen „gegen die illegale Einreise von Ausländern“ verfasste er eine Verfassungsbeschwerde, die durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt wurde. Im Rahmen eines „Herbstkongresses“ (21./22.11.2015) des „Institut für Staatspolitik“ (IfS) zum Thema „Ansturm auf Europa“ stellte Schachtschneider gemeinsam mit Kubitschek und Elsässer die Kampagne vor. Das IfS, gegründet im Jahr 2000 von Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann, mit Sitz in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) ist häufiger Ursprung von Argumentationsmustern der Neuen Rechten. Zuvor schrieb Schachtschneider mehrfach für das IfS-nahe, von Kubitschek herausgegebene Magazin „Sezession“ und trat als Gastredner bei Akademien des IfS auf.

 

Vernetzung nach rechtsaußen

Der Chefredakteur des rechten „Compact“, Jürgen Elsässer, bezeichnete Schachtschneider als „einen der wichtigsten Staatsrechtler Deutschlands“. So verfasste er wiederholt Beiträge für das Magazin und hielt Vorträge, zum Beispiel im Rahmen der „Offensive zur Rettung der Meinungsfreiheit“ (05.11.2016) in Berlin. In der Spezialausgabe von „Compact“ zum Thema „Islam – Gefahr für Europa“ behauptet Schachtschneider, das Bundesverfassungsgericht verteidige eine Religionsfreiheit, „mittels derer der Islamisierung Deutschlands die Tore weit geöffnet werden.“ Deshalb fordert er: „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!“ Im Buch „Einwanderung oder Souveränität: Deutschland am Scheideweg. Die Illegalität der Zuwanderung und der Verfall des Staates“ der beiden SZW-Präsidenten Schachtschneider und Bauch behaupten sie, die Bundesregierung würde „Fremde in großer Zahl zur Einwanderung einladen“ und „auf lange Sicht den Souverän, das Volk, austauschen“. Die angebliche „Landnahme der Fremden“ führe in eine „multikulturelle Zufallsbevölkerung“ und ende in „bürgerkriegsähnlichen Entwicklungen“.

Schachtschneider publizierte bereits mehrere Bücher im verschwörungstheoretischen „Kopp Verlag“ mit Sitz in Rottenburg am Neckar (Baden-Württemberg), unter anderem die Titel „Die Souveränität Deutschlands. Souverän ist, wer frei ist“ (2012) und „Erinnerung ans Recht. Essays zur Politik unserer Tage“ (2015). Der wohl bekannteste Autor des „Kopp Verlag“ ist der ehemalige FAZ-Journalist und kürzlich verstorbene Udo Ulfkotte. Gemeinsam mit Ulfkotte schrieb Schachtschneider das Buch „Gebt uns unsere D-Mark zurück. Fünf Experten beantworten die wichtigsten Fragen zum kommenden Staatsbankrott“ (2012). Am 14. März 2015 lud das SZW den „zeitgeistkritischen“ Autor Ulfkotte zu seinem „Frühjahrskongress“ in Stuttgart-Karlshöhe ein; dort sprach er zum Thema „Pegida und die veröffentlichte Meinung“.

 

Die Wurzeln liegen in Österreich

Die Suche nach den Wurzeln des SZW führen zur rechtspopulistischen FPÖ: Die Geschäftsstelle befindet sich in Wien und Daniel Tapp, Assistent der vor kurzem aus der FPÖ ausgetretenen Barbara Rosenkranz, ist seit September 2014 der Geschäftsführer des SZW. Am 11. Januar 2016 veranstaltete das Zentrum gemeinsam mit der FPÖ ein Symposium zum Thema „Ungarns Rolle in Europa“ im Wiener „Palais Epstein“. Auf dem Podium saß neben Rosenkranz u.a. Schachtschneider, der über das Thema „Orbán vs. Merkel – Masseneinwanderung aus verfassungsrechtlicher Sicht“ sprach und das „umsichtige Verhalten Orbáns“ lobte. Er stellte fest: „Die Souveränität des Volkes verbietet es, die Verantwortung für die Sicherheit und Ordnung aus der Hand zu geben. […] Illegaler Aufenthalt von Fremden kann unter keinen Umständen geduldet werden.“

Ob das SZW tatsächlich eine Renaissance im Kontext der rassistischen Mobilmachung in Deutschland und Europa erlebt, ist aktuell schwer einzuschätzen. Aber eines ist sicher: Das Zentrum verfügt über zahlreiche Vernetzungen in die Neue und extreme Rechte und schafft den Nährboden für die Verwurzelung der AfD in der bundesdeutschen Parteienlandschaft.

 

Titelbild: Flickr / Florian Bugiel / CC BY-SA 2.0

drucken