Wie die “Wahrheit” aussieht, wenn “Compact”-Chef Jürgen Elsässer auf Facebook gesperrt wird

Debunking: Das Leben kann so unfair sein. Jürgen Elsässer ist auf Facebook gesperrt, nur weil er die "Wahrheit" gesagt hat, das behauptet er zumindest auf seinem neurechten Querfront-Magazin “Compact”. Wir haben uns mal angeschaut, worum es hier eigentlich geht.

 

Von Kira Ayyadi

“Skandal: Facebook sperrt Elsässer” lasen Leser_innen am Freitag (5. Mai) auf “Compact”-Online. “Aber am Sonntag abend bin ich wieder zurück.” Ein Grund zur Beruhigung für die Elsässer-Fan-Gemeinde?

 

Was ist passiert?

 

In einem kurzen Kommentar des Herausgebers des neurechten Querfront-Magazins erklärt uns Elsässer, was passiert sei: Facebook stehe unter dem „Druck der maaslosen Zensur“ (als Anspielung auf Justizminister Heiko Maas, der sich gegen Hassrede engagiert, allerdings nur gegen strafrechtlich relevante)  und nun habe es eben auch ihn getroffen. Sein Verbrechen? Er habe nur die Wahrheit gesagt. Ähnlich erging es auch Menschen, die Elsässer  “Wahrheitskrieger” nennt: Oliver Janich (Compact-Autor, mag Verschwörungstheorien), Oliver Flesch (Journalist und Autor) und zuletzt Imad Karim (Regisseur und Islamkritiker).

“Compact”: Hauspost für die Wutbürger_innen

 

Hunderttausende Deutsche haben sich in den vergangenen Jahren von den etablierten Medien abgewandt, vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, von Magazinen und Zeitungen. Sie informieren sich anderswo, vor allem im Internet und dabei fallen sie nicht selten auf manipulative, rechtspopulistische und islamfeindliche Seiten herein, wie auch  “Compact” eine ist.

Wer sich in die Welt von “Compact” begibt, landet schnell in einer Echokammer der vermeintlichen Ängste und Empörungen, in der differenzierte Analysen und ausgewogene Berichterstattungen der sogenannten “Mainstream-Medien” nicht mehr geglaubt wird. Chefredakteur von “Compact” ist Jürgen Elsässer, er ist das Gesicht dieses neurechten Mediums.

 

Jürgen Elsässer verbreitet auf Facebook Gerüchte und wird gesperrt

 

Was war nun Elsässers Vergehen auf Facebook? In einem Facebook-Post habe er auf die „grassierende Gewalt von Rapefugees gegen Frauen hingewiesen“ erklärt Elsässer seinen “Compact”-Leser_innen.

 

Der Begriff “Rapefugees” (Vergewaltigungsflüchtlinge) ist bei Wutbürger_innen, Pegida-Anhänger_innen und sonstigen Rechtsextremen sehr beliebt. Der Begriff soll auf die angeblich zügellose sexuelle Gewalt muslimischer Männer und in diesem Fall speziell auf die der Geflüchteten hinweisen, die als Muslime imaginiert werden.

 

Jürgen Elsässer instrumentalisiert das Thema Vergewaltigung

 

Seinen Ursprung hat das zusammengesetzte Wort aus den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015/2016, deren Umstände zwar weiter ungeklärt sind, aber Pegida-Demagogen Lutz Bachmann dazu brachte, ein T-Shirt mit der Aufschrift “Rapefugees not Welcome” zu tragen. Der Dresdener wurde daraufhin von dem Grünen Landesvorsitzenden Jürgen Kasek wegen Volksverhetzung angezeigt. Doch seither ist der diffamierende Begriff “Rapefugees” unter Wutbürger_innen ein fester Bestandteil in deren Kommunikation, weil er eine angebliche sexuelle Zügellosigkeit geflüchteter, als muslimischer angesehener Männer und deren fehlenden Respekt gegenüber Frauen impliziert. In diesem ganzen Themenkomplex wird  ein vorgebliches Streiten  um die Rechte und Belange der Frau genutzt, um  Stimmung gegen Migranten zu machen.

 

Im Weiteren lesen die “Compact”-Leser_innen eben jene Facebook-Passage, wegen welcher Elsässer gesperrt wurde. Da wir unseren Leser_innen diesen verleumderischen und hasserfüllten Text nicht zumuten möchten, hier nur einige ausgewählte Text-Stellen:

 

Verunglimpfung, Verleumdung, Volksverhetzung

 

Elsässer schreibt davon, dass “Unsere Frauen” von “Machetenmännern” (hier meint er wieder Muslime) gejagt würden und sich deshalb nicht mehr auf die Straße trauen würden. Elsässer sieht diese Aussage darin belegt, da Schweden bereits die zweithöchste Vergewaltigungsrate der Welt habe, was  er mit deren liberaler Einwanderungspolitik in Zusammenhang bringt. Er schlussfolgert,  wegen der verhassten deutschen Flüchtlingspolitik sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch hier quasi schwedische Vergewaltigungs-Zustände herrschten.

 

Allerdings hat sein Wille zur Aufklärung hier kommerzielle Grenzen. Mit einem Link auf das aktuelle “Compact”-Magazin teasert Elsässer seine Leser_innen an, mehr darüber zu erfahren, welchen schrecklichen Zuständen die deutsche Frau scheinbar bald ausgesetzt sind. Dafür müssten sie lediglich 4,95 Euro zahlen.  

 

Mit Fakten gegen Fake-News

 

Nun ist es so, dass laut einer UN-Studie in Schweden nach Botswana die meisten Vergewaltigungen geschehen. Allerdings sollten wir uns hier anschauen, woher die Datensätze der Studie stammen, beziehungsweise wie sie zusammengesetzt sind. Wie die “Neue Zürcher Zeitung” anmerkt, berücksichtigt die Studie nur Zahlen, die von den Ländern freiwillig zur Verfügung gestellt werden. Von vielen Staaten sind schlicht keine Daten vorhanden.

 

Ein weiterer Beleg, der dagegen spricht, dass Schweden tatsächlich die zweithöchste Vergewaltigungsrate hat, ist, dass Schweden den Tatbestand der Vergewaltigung anders erfasst als andere Länder. In Schweden wird jeder Vergewaltigungs-Akt separat gezählt, auch wenn Opfer und Täter bei zeitlich auseinander liegenden Vergewaltigungen dieselben sind. In anderen Ländern wird dies als ein Fall gezählt.

 

Heiko Maas, “correctiv” und Anetta Kahane seien die Schuldigen

 

Nun gut, aufgrund dieses Facebook-Posts wird Jürgen Elsässer für einige Tage auf Facebook gesperrt. Genüßlich nutzt er dies zur Verbreitung seiner ganz eigenen Weltsicht: Er habe nur die (nicht ganz so wahre) “Wahrheit” gesagt und diese werdenun zu einem Verbrechen umgewandelt (er betont dies mit Ausrufezeichen). Schuld an der Zensur ist - für Elsässer -  allerdings weder der Inhalt seines Posts noch die Mitarbeiter_innen bei Facebook, die Meldungen prüfen, sondern Bundesjustizminister Heiko Maas , das Recherche-Netzwerk “correctiv” und die Vorsitzender der Amadeu Antonio Stiftung, Stiftungsleiterin Anetta Kahane.

 

Überflüssig zu sagen, dass sich keine der genannten Personen und Institutionen mit den praktischen Löschungen und Sperrungen auf Facebook befasst - auch wenn dies in der rechtspopulistischen Internet-Gemeinde eine festgezurrte Urban Legend ist, die auch Elsässer hier bedient.

 

Schnell noch ein paar “Compact”-Abos anpreisen

 

Zum Schluss seines Kommentars fordert er dann praktischerweise seine Leser_innen auf, doch bitte die “Compact” zu abonnieren und diese Info auf den sozialen Netzwerken zu verbreiten, um so den langen Arm der “Zensoren” zu umgehen. Ganz nach dem Motto: Wir, die Guten, gegen die Bösen da oben. Also, eins kann der Elsässer: hetzen.  

 

MIT FAKTEN GEGEN VORURTEILE: DEBUNKING

 

Ein Mittel der Gegenrede bietet das sogenannte Debunking, zu Deutsch „Entlarven“. Bei der  Methode geht es konkret darum, falsche Informationen oder Lügen in Vorurteilen, Mythen und Überzeugungen mit Fakten offenzulegen und zu entkräften. Debunking richtet sich nicht nur an Personen, die falsche Informationen vertreten und verbreiten, sondern auch an Mitlesende, die noch keine geschlossene Perspektive auf die Thematik entwickelt haben.
Allgemein kann festgehalten werden, dass es sich beim Debunking nicht um eine Methode handelt, die alle menschenfeindlichen Falschinformationen aus der Welt zu schaffen vermag. Wenn nichts mehr geht, kann es besser sein, das Gespräch abzubrechen.
Debunking kann jedoch erfolgversprechend sein, wenn es sich an Dritte wendet, die noch kein geschlossenes Weltbild ausgebildet haben. Manchmal führen Sachargumente zu Diskussionsbereitschaft. Es kann hilfreich sein, andere demokratische Nutzer_innen zu bitten mitzumachen und Nutzer_innen , die sich bereits in einer Auseinandersetzung befinden, argumentativ zu unterstützen.

Auszug aus der Broschüre „Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Medien“

-- Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) in Kraft. Die Rechtslage für Fotos ist unklar. Bis sich daran etwas ändert, machen wir Personen, die auf Fotos zu sehen sind, unkenntlich. --
 

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