Kinder beim bundesweiten Vorlesetag
Flickr / Stefan Schostok / CC BY-NC 2.0

Wenn Rechtspopulisten zu Vorlesern werden sollen

Am 17. November wird zum 14. Mal der bundesweite Vorlesetag in Deutschland stattfinden. Organisiert wird dieser von DIE ZEIT, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung. Ziel ist es, Kinder für das Lesen und Vorlesen zu begeistern. Im vergangenen Jahr sollen nach Angaben der Initiatoren 135.000 Vorleseaktionen stattgefunden haben. Auch zahlreiche Politiker_innen waren als Vorleser_innen vertreten. Dieses Jahr hagelt es jedoch heftige Kritik.

 

Von Fiona Katharina Flieder

 

Grund dafür sind die Einladungen, die die Stiftung Lesen auch an Mandatsträger_innen der AfD verschickte. Ob Politiker_innen einer Partei, deren Abgeordnete sich zum Teil immer wieder rassistisch, sexistisch, antisemitisch oder antidemokratisch äußern, geeignete Vorbilder für Kinder sind, wird von vielen Organisationen angezweifelt. Die Schriftstellervereinigung PEN schrieb in einer Pressemitteilung, dass “die Grundsätze der AfD, die sich gegen die bestehende kulturelle Vielfalt und Toleranz richten, nicht vereinbar mit den an Schulen und Kitas vertretenen und unsere Gesellschaft bereichernden Leitbildern” seien. Auch die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen e.V. (avj) findet, dass die Äußerungen einzelner AfD-Abgeordneter “nicht mit den Grundwerten unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung in Einklang stehen.” Menschenfeindliche Einstellungen müssten doch eigentlich genügen, um solche Politiker_innen als Vorleser_innen zu disqualifizieren.

Sowohl PEN als auch die avj betonen in ihren Pressemitteilungen, wie wichtig sie den Vorlesetag finden, machen aber auch deutlich, dass rechtspopulistische bis rechtsextreme Persönlichkeiten keine Vorbilder für Kinder sein sollten. Die avj fordert daher, die Einladungen “an besagte Abgeordnete der AfD zurückzuziehen und für künftige Aussendungen kritischere Maßstäbe anzusetzen.”

 

Der Verein Literatur statt Brandsätze hat Mitte September eine Petition gestartet. In dieser werden die Initiatoren des Vorlesetags dazu aufgefordert, Einrichtungen, in denen Vorleseaktionen stattfinden, für den Umgang mit rechtspopulistischen Personen und Inhalten zu sensibilisieren. Es soll darauf geachtet werden, Menschen, die in der Vergangenheit menschenfeindliche Positionen geäußert oder verbreitet haben, keine Bühne zu geben. Außerdem sollen die Bildungseinrichtungen ermutigt werden, sich aktiv gegen Rassismus und für die Stärkung der Demokratie einzusetzen. Zuletzt, da es beim Vorlesetag vorrangig natürlich um Bücher geht, werden Kinder- und Jugendbücher, “die zur Wertestärkung einer pluralistischen Gesellschaft beitragen, wie z.B. Empfehlungen der Initiative „Bilder im Kopf“”, empfohlen.

 

In einer Pressemitteilung der Stiftung Lesen gaben die drei Initiatoren des Bundesweiten Vorlesetags ein gemeinsames Statement zu der Kritik ab. Eine klare Stellungnahme wird jedoch umgangen. Es heißt nur: “Die drei Initiatoren nehmen die Kritik an dem breiten Verteiler für Politiker ernst. Sie beobachten die politische Entwicklung, besonders der AfD, und werden ihr Vorgehen 2018 überprüfen.” Zudem sei der Vorlesetag nicht als politische Plattform gedacht.

Natürlich ist es für die Organisatoren keine leichte Situation. Würden sie nun die Einladungen wieder zurückziehen, müssten sie sich mit dem von rechts gerne und häufig geäußerten Vorwurfs der Zensur auseinandersetzen. Wie jedoch aus dem Statement der avj hervorgeht, wurden bei der Einladung, die sich eigentlich an alle gewählten Politiker_innen richtet, dennoch einige ausgelassen, nämlich die der NPD. Dafür werden die Initiatoren wohl ihre Gründe haben. In den Leitlinien der Stiftung Lesen heißt es deutlich: "Sie schließt die Zusammenarbeit mit Parteien, Institutionen und anderen Gruppen oder Einzelpersonen, die antidemokratisches, rassistisches, fremdenfeindliches oder diskriminierendes Gedankengut vertreten oder verbreiten, aus." Dass diese Punkte aber wohl mindestens auf einige Abgeordnete der AfD zutreffen, scheint ihnen nicht aufgefallen zu sein. Bleibt zu hoffen, dass die Kitas und Schulen, die selbst bestimmen, wen sie zum Vorlesetag in ihre Einrichtungen holen, keine Politiker_innen von fragwürdiger politischer Orientierung einladen.

 
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