Von wegen Solidarität: Für die NPD sind die NSU-Terroristen keine "Nationalisten"

Nur wenige Neonazis feiern im Internet die Mörder der NSU als Helden. Bei den meisten ist es aber mit der "Solidarität" in der Szene nicht weit her, wenn es für sie selbst brenzlig wird: Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe werden massiv abgelehnt - als Strohpuppen des Verfassungsschutzes oder gar als "Verbrecher". Der Grund ist die Selbstbezogenheit der Szene: Alle fühlen sich verfolgt.

Von Simone Rafael

Wenn drei (oder mehr) Neonazis sich für "Taten statt Worte" entscheiden und in einer Mordserie zehn (oder mehr) Menschen das Leben nehmen, weil sie nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen und dafür in den Untergrund gehen - da erwartet man Applaus aus der eigenen Szene. Doch aktuell wäre der Blick in Online-Foren für Beate Zschäpe - die einzige Überlebende des mörderischen Trios - keine Freude.

Theorie I: Es gibt gar keine Taten
Dort schreibt etwa Holger W.: "Guten Morgen Kameraden. Jetzt haben es die linksstaatlichen Organe endlich geschaft einen Fall zu konstruiren um sich unliebsame Mitbürger unter dem Deckmantel des Antiterrorkampfes zu entlediegen. Jetzt geht sie also los die große Staatliche Hexenjagt auf uns und unsere Kameraden und die Systemmedien machen Fleissig mit. Plötzlich ist vom echten Terrorismus der Linken nichts mehr zu hören wist ihr wie ich das nenne Ablenkung und verdrehen der Realität." (Fehler im Original).

Folgte man dieser Logik - die etliche Neonazis in den sozialen Netzwerken teilen - dann gab es also gar keine Morde, sondern die "linksstaatlichen Organe" und die "Systempresse" haben alles frei erfunden. Und das auch noch so genau abgestimmt, wie der rechtsextreme Blog "Deutschlandecho" etwa berichtet: "Zeitlich vermutlich wohl abgestimmt auf das Wochenende des letzten NPD-Bundesparteitages führt seit einigen Tagen eine Geschichte um sogenannte "Döner-Morde" die Gazetten sämtlicher Tageszeitungen an." Klar: Wenn alles nur erfunden ist, haben die Behörden natürlich auch den Zeitpunkt der Veröffentlichung manipuliert.

Robin M. greint: "Kaum werden Ausländer getötet, handelt es sich um Nationalsozialisten, passt mal wieder zu Deutschland." Das ist nicht nur angesichts des Ermittlungsverlaufes im NSU-Fall, sondern auch angesichts der deutschen Geschichte ein dummer, selbstmitleidiger Kommentar.

Peter K. findet dagegen: "Die staerkste Erklärung dazu: die Leute brauchen nach den ganzen Euro und Finanzkrisen endlich mal wieder eine Story, die sie verstehen, die ein bisschen ablenkt und wo die Bösen sofort erkannt werden. Was soll man da noch Ermittlungsergebnisse abwarten?"

Theorie 2: Das sind keine wahren "Nationalisten" - das sind Verfassungsschützer
Bei anderen Neoanzis dagegen ist die Erkenntnis angekommen, dass es die Morde auch real gab. Aber wie sind sie einzuschätzen?

Die NPD meint(etwa in Person des NPD-Multifunktionärs Jens Pühse, der neue Bundesvorsitzende Holger Apfel teilt dies aber auch): "An dieser Stelle sei noch einmal in aller Deutlichkeit erklärt, dass die sogenannten "Dönermorde" nicht das Werk von Nationalisten und Patrioten, sondern Ausfluss geistig verdorbener Verbrecher sind. Wir lehnen Gewalt als Mittel der Politik ab. Es ist eine Unverschämtheit, dieses Verbrecher-Pack zu nutzen, um die NPD in Mißkredit zu bringen. Statt dessen sollten die Ermittlungsbehörden die Inlandsgeheimdienste genauer prüfen."

Nanu, die NPD als Hort des Friedens und der Gewaltfreiheit? Diese Taktik ist einfach zu durchschauen: Aus Angst vor einem drohenden Verbot fühlen sich die Führungskader offenbar bemüßigt so zu tun, als ob sie rassistische Gewalt ablehnen würden. Dann aber kommt an anderen Stellen der Internetdiskussion eine andere interessante Theorie auf:

"Unterhält der Verfassungsschutz der BRD Killeragenten und versucht nun diese Staatskrise zu vertuschen indem die NPD dafür herhalten muss?" fragt etwa Olaf M.(Fehler im Original). Das ist zwar schon wieder gemein gegenüber den rechtsextremen TäterInnen, die sich für ihr menschenfeindliches Werk wohl nicht von der eigenen Szene als "BRD Killeragenten" verunglimpft sehen wollten - aber die Idee kommt an. So fragt Stunden später NPD Saarland-Vorsitzender Frank Franz: "Man merkt aber an den Presseberichten und Anfragen, dass man da gern etwas konstruieren möchte. Die sollen mal prüfen, ob die Typen nicht vom Staat bezahlt wurden. Wäre das der Fall, dann hätte die BRD mit Staatsgeld Killer finanziert, die Ausländer umbrachten." Und einen Tag später heißt es dann bei NPD-Sachsen-Funktionär Jürgen Gansel: "Die dubiose Geschichte um das Zwickauer Mörder-Trio wird immer mehr zu Verfassungsschutz-Skandal! Ziel der ganzen Operation: die absurde Forderung nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren und die Verleumndung und Kriminalisierung aller nationalgesinnten Deutschen!" Wie selbstbezogen muss man sein, um zu glauben, der Staat würde zehn Menschen erschießen lassen, um die NPD zu verbieten? Den verfolgten rechtextremen "Unschuldslämmern" erscheint dies allerdings logisch. Einen Tag später bestärkt NPD-Funktionär Rene Despang: "Sie wollen nur ablenken, von den Problemen, die es wirklich gibt! Aber euer "Brot und Spiele" wird nicht immer funktionieren! Viele haben den staatlich bezahlten Terror des VS schon lange durchschaut. Aber macht ruhig weiter, bis der Wind sich dreht!" Heute fordern NPD-Funktionäre: "Verfassungsschutz-Verbot statt NPD-Verbot!" Keine Frage, dass das die Lieblings-Lösung der rechtsextremen Szene wäre.

Andere Rechtsextreme haben auch an der Lebensführung von den beiden Uwes und Beate zu meckern: "wer weiss, ob die überhaupt National sind, ein Deutsch Nationaler überfällt keine Banken, dass hat er nicht nötig! (...) Die jungs sind kleine kriminelle, die mal langeweile hatten! Die mal was los machen wollten! Unsere Handschrift ist das nicht, wir machen uns doch nicht die Hände dreckig!" meint etwa Marko F. (Fehler im Original). Was für ein zynischer Kommentar: Nicht etwa die rassistischen Morde werden angeprangert - die sind offenbar okay - sondern die Banküberfälle.

Theorie 3: Schuld ist...
Andere überlegen, warum die rechtsextremen Terroristen so handeln. Markus Sch. kommt auf eine besonders interessante Theorie: "Solche Taten sind eben auch Hilferufe an die Mehrheitsgesellschaft. Was sehen wir: Schlimme Jugend, zerrüttetes Elternhaus! Dann die ewige Diskriminierung als Nazis. Keine Arbeit. Das hinterlässt schwere Spuren im Selbstwertgefühl, in der Persönlichkeit. Wir sollten eine Willkommenskultur für für Rechtsextreme und National-Sozialisten einüben - dann lassen sich diese Taten verhindern. Die Taten sind mithin eine klare Reaktion auf den schlimmen "Kampf gegen Rechtsextremismus"."

"Wir nennen es Widerstand"
Bei aller Kritik darf natürlich nicht vergessen werden, dass das rechtsextreme Terror-Trio außerhalb der sozialen Netzwerke durchaus als Helden in der Szene gefeiert werden - etwa von der Skinhead-Band "Eichenlaub" und "Gigi und den brauen Stadtmusikanten" wie publikative.org berichtete. Aber gibt es in den Weiten der sozialen Netzwerke denn niemand, der die Uwes und Beate als HeldInnen feiert? Aber doch, gibt es. Eine kleine Gruppe - 32 Mitglieder - bei Facebook meint: "Es gibt keinen Rechten Terror, wir nennen es Widerstand!!!" Mit dabei: Peter Klose von der NPD Zwickau - der Mann, der sich in den letzten Wochen auf Facebook in "Paul Panther" umbenannt hatte.

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