Nazis in Parlamenten: Demokraten brauchen Argumente

Der Umgang mit rechtsextremen Parteien ist eine Gradwanderung und eine Herausforderung an Demokraten: Ignorieren oder aufklären, diskutieren oder verbieten? Rechtsextremismus-Experte Benno Hafeneger, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Marburg , spricht im Interview über Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden.

Superwahljahr 2009 – erwarten Sie spannende Tage für auch für die rechtsextremen Parteien?

Im Moment sind die Prognosen zwiespältig, weil die NPD als wichtigste rechtsextreme Partei selbst so viele interne Krisen hat, die Veruntreuungs-Affäre, den Streit um den Parteivorsitz. Und die zukünftige Ausrichtung der Partei hängt noch in der Schwebe – wird sie einen parlamentarisch-anbiedernden Kurs einschlagen oder weiter Radikalisierungspositionen vertreten? Unbesehen davon hat die NPD regionale Schwerpunkte, so dass es ihr wohl gelingen wird, bei einigen Kommunalwahlen zu punkten. Spannend wird es in Thüringen, wo die NPD unbedingt in den Landtag einziehen möchte.

Die NPD gilt als Wahlkampf- und Mobilisierungs-Partei – wie schafft sie es, Wählerinnen und Wähler an die Urnen zu bekommen?

Die NPD hat sich verjüngt. Und junge Leute sind aktivistisch, sie sind bereit, massiv für ihre Partei und ihre Überzeugung auf die Straße zu gehen. Die Strategien der „Wortergreifung“ und Präsenz zeigen Wirkung: Die Rechtsextremen verstecken sich nicht mehr, sie trauen sich offen auf die Straße, machen Infostände, Veranstaltungen, hängen Plakate auf.
Außerdem besetzt die NPD mobilisierungsfähige Themen: Den Themenkomplex um Migration, „Überfremdung“ und Nationalisierung, Kritik an der EU und der Bürokratie, und natürlich die „soziale Frage“, also Armut, Hartz IV und ähnliches. Die einfache Antwort der NPD darauf ist ein starker, nationaler, sich abschottender Staat. Das ist in Zeiten der Weltwirtschaftskrise angenehm komplexitätsreduzierend, es ist eine scheinbar einfache Lösung.

Wie kann die demokratische Gesellschaft mit dem Wahlkampf rechtsextremer Parteien umgehen?

Es gibt zwei Strategievarianten. Die eine setzt auf Verbot und Konfrontation: Überall, wo Nazis öffentlich auftreten, sollen Demokraten sich wehren, bei Behörden Druck machen, dass die Nazi-Veranstaltungen verboten werden.

Die andere ist: Ignorieren. Rechtsextreme sollen keine Öffentlichkeit bekommen. Solange die NPD nicht verboten ist, finden manche es schwierig, etwas aktiv gegen sie zu unternehmen, beschweigen aber machbar.

Was Demokraten gegen Rechtsextreme tun, ist eine Gradwanderung zwischen diesen Positionen.

Wenn Rechtsextreme etwa zu öffentlichen Veranstaltungen kommen, kann der Veranstalter von Anfang an sein Hausrecht geltend machen und sagen, mit menschenverachtenden Feinden der Demokratie reden wir nicht. Das kann sinnvoll sein, wenn über rechtsextreme Gefahren informiert werden soll oder sich Besucher bedroht fühlen. Werden die Neonazis allerdings herausgeworfen, ohne dass sie etwas konkret gemacht haben, können sie sich leicht in einer Märtyrerrolle in Szene setzen, werden eventuell als Opfer wahrgenommen – das habe ich selbst in Schulklassen erlebt.

Die andere Variante ist, die Rechtsextremen zuhören zu lassen, solange sie nicht stören, und davon auszugehen, wir als Veranstalter sind Herr des Verfahrens, haben die besseren Argumente. Das ist gut, wenn es klappt, aber schlecht, wenn die Rechtsextremen dann die Diskussion dominieren. Und: Mit organisierten Kadern kann man nicht diskutieren, denen geht es nicht um Meinungsaustausch. Welches die richtige Vorgehensweise ist, kann man eigentlich nur von Fall zu Fall entscheiden.

Welche Strategien verfolgen die Rechtsextremen, wenn sie erst einmal im Parlament sitzen?

Manche NPD-Abgeordnete nutzen das Parlament als Bühne für Agitation, für rechtsextreme Themen und Ideologie. Andere stürzen sich in die Kommunalpolitik, wollen weg vom Bild der Ein-bis-zwei-Themen-Partei und nach außen als fleißig und kompetent dastehen. Dabei blockieren sie nach innen mit vielen Anfragen die Verwaltung. Andere Einzelakteure oder Fraktionen sind einfach faul, zerstritten und wollen nur Gelder abzocken.

Und dann arbeitet die NPD an einer Selbstnormalisierung und Anerkennung. Sie betont, dass sie gewählte Volksvertreter sind und dass sie somit zum parlamentarischen Spiel gehört – mit dem Ziel, dass ihr Gedankengut irgendwann als „normal“ wahrgenommen wird.

Wie können die demokratischen Parteien damit umgehen?

Die demokratischen Parteien können sich verständigen, die Rechtsextremen auszugrenzen und ihnen möglichst wenig Öffentlichkeit zukommen zu lassen und unter Anwendung parlamentarischer Spielregeln ihren Aktionskreis und die Redezeit eingrenzen, ihre Aktivitäten beschweigen. Das kann funktionieren, wenn sich alle einig sind.

Die andere Variante ist die Auseinandersetzung, ständig offensiv alle Schachzüge der NPD aufzudecken und darauf zu reagieren – das birgt allerdings die Gefahr, dass die NPD zur Dauerbeschäftigung fürs Parlament wird.

Am erfolgversprechendsten erscheint mir eine Mischform: Sich die Agenda nicht von den Rechtsextremen vorschreiben lassen, aber sich an wichtigen Stellen offensiv und klug mit ihnen und ihrer Ideologie auseinander zu setzen. Wichtig hierbei: Es geht nicht darum, die Rechtsextremen zu bekehren, sondern darum, die Öffentlichkeit und die Wähler aufzuklären und mit qualitativer Arbeit zu überzeugen, dass die Demokraten die besseren Ideen haben.

Um die inhaltliche Auseinandersetzung kommt man nicht herum. Nur Ausgrenzen reicht auf Dauer nicht – wir Demokraten brauchen die besseren Argumente!

Dafür brauchen die gewählten Vertreter allerdings selbst genug Selbstbewusstsein und ein gefestigtes Demokratieverständnis – und Schulungen im Umgang mit Rechtsextremismus.

Interview: Simone Rafael

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Zum Thema:

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